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# taz.de -- AKP-Veranstaltung in Oberhausen: Ja-sagen mit Erdoğan
> Tausende Menschen sind gekommen, um die Rede von Premier Binali Yildirim
> zu hören. Doch der eigentliche Star des Abends ist jemand anderer.
Bild: Gut besuchter Auftritt des türkischen Premiers in Oberhausen
Oberhausen taz | Ein Mann hat einen langen Tisch aufgebaut. Darauf liegen
Schals mit dem Konterfei Erdoğans, außerdem Türkeifahnen und Mützen mit
Stern und Halbmond. „Orijinal Türkiye“, ruft er in die Menge, „kauft das
Original“. Die Menschen stehen bei ihm Schlange.
Eine Türkeifahne kostet zehn Euro, ein alter Mann befühlt den Stoff und
sagt ehrfürchtig: „Das ist aber wirklich gute Qualität.“ Eigentlich müss…
er kein Geld für die Fahnen ausgeben – sie werden hier auch überall umsonst
verteilt.
Eine Stunde bevor der türkische Premierminister Binali Yildirim seine Rede
hält, füllt sich der Parkplatz vor der Oberhausener Arena mit immer mehr
Reisebussen. Sie kommen aus ganz Deutschland, teilweise auch aus Belgien
und den Niederlanden. Eigentlich ist Yildirim wegen der Münchener
Sicherheitskonferenz in Deutschland. Die dortige Zusammenkunft steht aber
wohl im krassen Gegensatz, zu dem Empfang, den ihm die
Wahlkoordinierungsstelle der AKP im Ausland (AKYSKM) hier bereitet; die
Menschen laufen mit „Erdoğan, Erdoğan“-Sprechchören auf den Lippen zum
Halleneingang.
Dort steht Yusuf Gencler neben einem Betonklotz und ruft den
Vorbeilaufenden Slogans zu: „Lasst uns ja sagen, für unser Land, lasst uns
ja sagen, für unsere Zukunft.“ Gencler ist 51 Jahre alt, kommt aus
Düsseldorf und leistet Vorarbeit für den türkischen Ministerpräsidenten.
Der möchte die Leute überzeugen, beim Volksentscheid am 16. April „ja“ zum
Präsidialsystem zu sagen.
## Umstrittene Reform
Gut 1,4 Millionen türkische Staatsbürger in Deutschland können bei dem
Referendum zur Verfassungsänderung ihre Stimme abgeben. Der Präsident würde
bei Annahme der Reform nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef
werden. Das Amt des Ministerpräsidenten würde entfallen. Präsident Erdoğan
könnte dann Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Deshalb ist die Reform
höchst umstritten.
Yildirim hatte am Donnerstagabend in Ankara gesagt, er wolle sich in
Oberhausen „mit tausenden ausgewanderten Landsleuten treffen, mit ihnen
diskutieren, sowie ihre Vorschläge und Fragen anhören“. Er sehe dies als
„Gelegenheit, sich über die vor uns liegende Zeit und das Referendum
auszutauschen“.
Doch das Plakat zu Yildirms Besuch spricht eine andere Sprache: „Wer sein
Land liebt, stimmt für das Präsidialsystem“, heißt es auf der Einladung.
Erdoğan ging am vergangenen Sonntag noch weiter: Nein-Sager seien, genauso
wie die Putschisten vom 15. Juli, Feinde des Volkes.
## Protest vor der Halle
Diese Feinde des Volkes stehen vor der Arena auf einem kleinen Rasenplatz
und halten ein Plakat in die Höhe: „Binali Yildirim, wir wollen nicht, dass
du arbeitslos wirst“, steht darauf. Etwa 400 Kurden, Aleviten und Linke
sind gekommen, um zu demonstrieren. Sie wollen verhindern, dass das
türkische Parlament entmachtet wird. Susan Aren ist eine von den
Demonstrantinnen. Die Kölner Studentin sagt: „Wir sind hier, um ein Zeichen
zu setzen, beim Referendum gegen das Präsidialsystem zu stimmen.“
Doch genau davor hätten viele Menschen Angst, erklärt Melek Yildiz. Sie ist
Generalsekretärin der Alevitischen Gemeinde in Deutschland. Die Aleviten
sind eine religiöse Minderheit die in der Türkei, sie werden dort seit
jeher unterdrückt – noch im vergangenen Sommer versuchten AKP-Anhänger
alevitische Stadtteile Istanbuls zu belagern. „In sozialen Netzwerken
werden wir in vergangener Zeit öfter bedroht“, sagt Yildiz.
Es ist diese Polarisierung vor der Gökay Sofuoglu warnt. Er ist
Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland und sagt, die
Versammlungsfreiheit garantiere Yildirim, in Deutschland eine Rede zu
halten. Doch Sofuoglu wünscht sich, dass der türkische Premier eine offenen
Diskussion über das Präsidialsystem führt.
Doch dazu kommt es in Oberhausen nicht. Denn schon beim Einlass ist klar:
Selbst wenn Yildirim ein offenes Gespräch wollte, er ist hier nur
Stellvertreter. Er hat nicht die Autorität Erdoğans, den alle Menschen hier
zu lieben scheinen. Der Düsseldorfer Gencler, der den Vorbeilaufenden vor
dem Halleneingang Sprüche zuruft, sagt immer wieder auch: „Lasst uns ja zum
Referendum sagen, weil Erdoğan ja sagt.“ Von Yildirim redet er nicht.
18 Feb 2017
## AUTOREN
Cem-Odos Güler
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Schwerpunkt AKP
Recep Tayyip Erdoğan
Binali Yıldırım
Schwerpunkt Türkei
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