# taz.de -- Neue Chefredaktion des „Freitag“: Ein Neuer unter Todenhöfer | |
> Jakob Augstein zieht sich aus der Chefredaktion des „Freitag“ zurück. | |
> Nachfolger wird Christian Füller, einst taz-Bildungsredakteur. | |
Bild: Christian Füller bei einer Veranstaltung der Boell-Stiftung | |
Berlin taz | Mit Jakob Augsteins Übernahme des Freitags im Jahr 2008 wurde | |
das Wochenblatt als das ausgewiesen, was es von Anbeginn war: ein, und nach | |
dem eigenen Selbstverständnis sogar „das Meinungsmedium“. Der Sohn des | |
Spiegel-Gründers Rudolf Augstein krempelte das gediegen-melancholisch | |
stimmende Blatt des linken ostdeutschen (und DKP-nahen) Bildungsbürgertums | |
gründlich um. Mit ihm wurde aus dem alten Kulturwehmutsblatt im Zeichen | |
einer nie zuwege gebrachten Volksfrontidee aller „fortschrittlichen Kräfte“ | |
eine Zeitung mit aktuellen Fragestellungen. | |
Die Auflage sank zwar stetig weiter, aber das war nichts Besonderes, weil | |
das Internet schon damals aktuell orientierte Medien kriseln ließ. Die | |
Zeitung verkaufte im vierten Quartal 2016 im Durchschnitt 21.597 Exemplare | |
– das entspräche, so der Medienbranchendienst meedia, einem Plus von 12,1 | |
Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. | |
Jetzt hat Augstein, der dem Vernehmen nach seinen Erwerb mithilfe der | |
Tantiemen als Spiegel-Miteigentümer am Leben hält, [1][nach dem früheren | |
Burda-Medienmanager und CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer] binnen weniger | |
Wochen eine zweite Figur mit stark populärem Profil an Bord geholt. Ende | |
voriger Woche wurde die Bestallung des Chefredakteurpostens bekannt. Für | |
Philip Grassmann, der ins familiäre Independent-Kinounternehmen Abaton in | |
Hamburg eintritt, kommt im März Christian Füller. Er war bis 2013 | |
Bildungsredakteur der taz. | |
Christian Füller, Jahrgang 1963, hat sich freilich nicht nur als | |
Bildungsexperte einen Namen gemacht – 2013 war er es hauptsächlich, der der | |
grünen Partei eine tiefe Verbundenheit zur Bagatellisierung pädosexueller | |
Politiken attestierte: Was als These umstritten war und blieb – aber die | |
Grünen Wählerstimmen kostete. | |
## Die „anonymen Miserablen“ | |
Freitag-Autor ist Füller bereits seit Längerem. Wie aber wird sich das | |
Blatt mit ihm als Chefredakteur in Zukunft politisch verorten? „Der Freitag | |
ist links, aber das bedeutet nicht das gleiche wie früher“, sagt Füller und | |
führt weiter aus: „Begriffe wie Solidarität und Emanzipation gelten weiter | |
– und dass wir die Ausbeutung durch das Kapital überwinden müssen. Aber wir | |
müssen noch genauer hinschauen: Wie leben die anonymen Miserablen, die | |
Rentner, die Soloselbständigen und die neuen Prekären? Ihnen wieder Gesicht | |
und Würde zu geben, ist unsere Aufgabe.“ | |
Links – das ist ein feines Attribut. Die taz versteht sich auch als links. | |
Was also kann der Unterschied zu der Wochenzeitung sein? Füller sagt: „Der | |
Freitag ist offener, ist nicht so eng, wie die taz oft ist – wo man zum | |
Beispiel die Grünen nicht hart anfassen darf. So etwas wäre im Freitag, wo | |
praktisch jeder über die Onlinecommunity an der Zeitung mitschreiben kann, | |
nicht denkbar.“ Diesen Forumscharakter wolle Füller mit „überraschenden | |
AutorInnen“ auf das ganze Blatt ausweiten. | |
Nun ist mit Jürgen Todenhöfer jüngst ein Herausgeber zu Jakob Augstein | |
hinzugetreten – seine Haltungen zur Israelfrage (zum [2][Gazastreifen | |
schrieb er etwa]: „Die Gazaner leben im weltgrößten Konzentrationslager“), | |
zu 9/11 oder zur Frage des Genozids an den Armeniern in der Türkei | |
betreffend: ein umstrittener Mann. Die Frage ist, welche Bedeutung er für | |
die redaktionelle Arbeit im Freitag hat. | |
Füller sagt: „Jürgen Todenhöfer wird gewiss Texte schreiben, aber die | |
Entscheidung, was ins Blatt kommt, trifft selbstverständlich die Redaktion. | |
Seine ablehnende Haltung zum Irakkrieg und seine Kritik am | |
amerikanisch-arabischen Desaster finden übrigens die allermeisten | |
plausibel, auch in der Gesellschaft. Wir bauen auf die Popularität des | |
neuen Herausgebers in den sozialen Medien – die Hunderttausende Follower | |
von ihm und Jakob Augstein sind für den Freitag wichtig.“ | |
27 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Jakob-Augstein-ueber-Juergen-Todenhoefer/!5364359 | |
[2] http://statuscope.de/Liebe-Freunde-wir-sind-in-GAZA-Um-weitere-50000-%E2%82… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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