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# taz.de -- Umsturz in der Hamburger Handelskammer: Kammerflimmern
> Bei den Wahlen zum Plenum hat die Opposition auf ganzer Linie gesiegt –
> dabei gibt es sie erst seit drei Jahren. Doch wie geht es nun weiter?
Bild: Eine Institution zwischen Infarkt und Wiederbelebung: Die Hamburger Hande…
HAMBURG taz | Die Handelskammer Hamburg schien so beständig wie das
Gebäude, in dem sie residiert: die Börse, das einzige Haus in der östlichen
Innenstadt, das vom Großen Brand 1842 nicht verzehrt wurde. Doch seit einer
Woche gilt das nicht mehr: Die Oppositionsgruppe „Die Kammer sind wir“ hat
bei der Wahl zum Plenum 55 von 58 Sitzen erobert. Von einem „Erdrutschsieg“
zu sprechen, erscheint beinahe euphemistisch.
Die Handelskammer gilt in Hamburg als eine Art Nebenregierung, die durch
einen direkten Draht zum Senat und die Veröffentlichung von Expertisen
Einfluss auf die Politik nimmt. In der Kaufmannsstadt Hamburg war es seit
dem Krieg auch für die Sozialdemokraten selbstverständlich, die Interessen
der Wirtschaft mit ihrer Politik bestens zu bedienen.
Wer in der Kammer das Sagen hat, war bis vor drei Jahren kein Gegenstand
öffentlicher Debatten. Bei einer Wahlbeteiligung von zehn Prozent und der
Möglichkeit, nicht gewählte Manager ins Präsidium zu „kooptieren“, wusst…
die rund 260 hauptamtlichen Kammerangestellten ziemlich zuverlässig, mit
wem sie es zu tun haben würden.
Zur Plenarwahl 2014 trat erstmals eine Art Partei bei den Plenarwahlen an.
Geführt von dem Unternehmensberater Tobias Bergmann und Gregor Hackmack,
dem Geschäftsführer der Firma Parlamentwatch, trat „Die Kammer sind wir“
mit dem Ziel an, die Kammer zu demokratisieren. Sie störte der hohe
Kammerbeitrag, die Intransparenz sowie der Eindruck, dass sich die Kammer
vor allem um die Interessen der großen Unternehmen und die Hafenwirtschaft
kümmere. Die Kammer hatte in der Debatte um den Rückkauf der Energienetze
durch die Stadt eindeutig dagegen Position bezogen, womit sie quer zur
Meinung vieler ihrer Mitglieder lag. Sie engagierte sich für Olympische
Spiele in der Stadt und sah auch keinen Anlass, sich dem hamburgischen
Transparenzgesetz zu beugen – als eine Anstalt öffentlichen Rechts, in der
alle Firmen Mitglied sein und Beiträge entrichten müssen.
## Kammerführung unter Druck
Interessiert waren die „Kammerrebellen“ insbesondere am Gehalt des
Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz, das die Kammer erst nach
jahrelangem Zögern und massivem Druck veröffentlichte: 500.000 Euro. Das
Amt des Wirtschaftssenators wird mit knapp 160.000 Euro vergütet.
Die Kammerführung geriet in diesen Jahren bei verschiedenen Themen unter
Druck. Ende 2015 erwirkte der Unternehmer und Grünen-Vorsitzende im
Stadtteil Eimsbüttel, Dominik Lorenzen, eine Rüge des Verwaltungsgerichts:
Die Kammer müsse bei Meinungsäußerungen „das höchstmögliche Maß an
Objektivität walten“ lassen, urteilten die Richter mit Blick auf die
scharfen Äußerungen des Hauptgeschäftsführers gegen den Netze-Rückkauf.
Später urteilte das Gericht, die Handelskammer habe zu hohe Rücklagen
angehäuft. Geklagt hatte ein Unternehmer mit Unterstützung des
Bundesverbandes für freie Kammern. Und im September 2016 erklärte das
Gericht auch noch Teile der Silvesterrede des Kammerpräses Fritz-Horst
Melsheimer für rechtswidrig, weil sie einen Bezug zur Wirtschaft und die
gebotene Sachlichkeit vermissen ließen.
„Die Kammer sind wir“ will die Sitzungen des Plenums ab sofort öffentlich
machen, die Abschaffung der Zwangsbeiträge beschließen,
Schadensersatzansprüche wegen mutmaßlich zu üppiger Renten für
Kammermitarbeiter prüfen und das Gehalt des Hauptgeschäftsführers stutzen.
Kai Boeddinghaus, Geschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern,
interpretierte das Hamburger Wahlergebnis als Weckruf, der über Hamburg
hinausweist. Das Ergebnis sei die Quittung der Wirtschaft für die
Reformverweigerung des Kammer-Establishments. „Die deutschen Industrie- und
Handelskammern täten gut daran, sich ein Beispiel an der Schweizer
Handelskammer zu nehmen“, findet er. Deren Präsident sehe in der
freiwilligen Mitgliedschaft „das Fundament der Glaubwürdigkeit“.
Den gesamten Schwerpunkt zum Thema „Kammern“ lesen Sie in der gedruckten
Wochenendausgabe der taz.nord oder [1][hier]
24 Feb 2017
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## AUTOREN
Gernot Knödler
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