# taz.de -- Berliner Grüne und die Bundestagswahl: Dringend gesucht: eine Str�… | |
> Am 11. März entscheiden die Grünen, wer im Herbst statt der Linken-Ikone | |
> Christian Ströbele ihren bundesweit einzigen Direktwahlkreis gewinnen | |
> soll. | |
Bild: Christian Ströbele mit möglicher Nachfolgerin Canan Bayram. | |
Links soll er sein, erfahren natürlich, basisnah sowieso, grün durch und | |
durch, einer, der den innenpolitischen Realos in der Bundestagsfraktion | |
Kontra gibt. Kurzum: Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg hätten am | |
liebsten einen Ströbele-Klon, wenn sie am 11. März erstmals einen anderen | |
als Hans-Christian Ströbele als Direktkandidaten für die Bundestagswahl | |
nominieren. Bloß weiblich sollte er möglichst sein. Eine schwere Bürde für | |
die Frau, deren Namen oft fällt, wenn es um die Nachfolgefrage geht: Canan | |
Bayram, 51, die Flüchtlingsexpertin der grünen Abgeordnetenhausfraktion. | |
Überraschenderweise denkt nun auch ihr Fraktionskollege Andreas Otto, 54, | |
über eine Bewerbung nach. | |
Mitte Dezember hat der 77-jährige Ströbele seine Parteibasis informiert, | |
dass er nicht erneut antritt. Seit 1998 gehört er dem Bundestag | |
ununterbrochen an, und seit die Bezirke Kreuzberg und Friedrichshain 2001 | |
fusionierten, war er stets der Direktkandidat und gewann den neu formierten | |
Wahlkreis viermal – als einziger Grüner bundesweit. „Ich möchte mir den | |
Stress nicht weiter antun“, begründete er den Verzicht auf weitere vier | |
Parlamentsjahre. | |
## Der Kronprinz ist vergeben | |
Lange hatte Dirk Behrendt, führender Kopf im örtlichem Kreisverband und | |
beim linken Parteiflügel überhaupt, als mutmaßlicher Nachfolger gegolten. | |
Er aber ist seit Dezember Justizsenator. Der frühere Parteichef Daniel | |
Wesener wiederum ist inzwischen parlamentarischer Geschäftsführer der | |
Abgeordnetenhausfraktion geworden, das vormalige Kreisvorstandsmitglied | |
Werner Graf ist mittlerweile Landesvorsitzender. | |
Nicht dass da nur noch die türkeistämmige Bayram bliebe, die seit über zehn | |
Jahren Landesparlamentarierin ist und 2009 von der SPD zu den Grünen | |
übertrat. Aber an ihr muss sich messen lassen, wer sonst noch Interesse | |
hat. Nach den beiden Fraktionschefinnen, die schon qua Amt im Fokus sind, | |
ist Bayram in der Fraktion eine der auffälligsten Abgeordneten, nachdem | |
bekannte Leute wie Behrendt oder der langjährige Haushaltsexperte Jochen | |
Esser nicht mehr dabei sind. Entscheidend trägt dazu Bayrams Arbeitsfeld | |
bei, die Flüchtlingspolitik. Der Oranienplatz, die Besetzung der | |
Gerhart-Hauptmann-Schule, Hungerstreiks: Bayram war meist präsent und | |
vertrat die Interessen der Flüchtlinge. Im Parlament sitzt sie, nebenher | |
Anwältin, im Innen- und im Rechtsausschuss. | |
Sie selbst sagte der taz am Mittwoch das, was PolitikerInnen in solchen | |
Situationen oft sagen: dass sie dazu jetzt nichts sage – mit der Ergänzung | |
„Kommt Zeit, kommt Rat.“ Viel Zeit bleibt ihr nicht: Der Kreisverband | |
entscheidet am 11. März. Offenbar will Bayram sich am 28. Februar | |
festlegen: Da steht die nächste Mitgliederversammlung im Kreisverband an, | |
„und die Ersten, die es erfahren, das ist meine Bezirksgruppe“, sagt sie. | |
Ströbele selbst erwiderte eine taz-Anfrage zu seiner Haltung nicht. | |
Angeblich könnte er mit Bayram als seiner Nachfolgerin gut leben. | |
## Otto überlegt auch noch | |
Parallel dazu ist überraschenderweise zu hören, dass sich Bayrams Pankower | |
Fraktionskollege Andreas Otto, der Bau- und Wohnungsexperte vom | |
Realo-Flügel, ebenfalls bewerben will. „Ich denke tatsächlich darüber | |
nach“, sagte er der taz, entschieden sei aber noch nichts. Otto trat bei | |
der Bundestagswahl 2013 in Pankow an, wo er seit 2006 sein Mandat im | |
Abgeordnetenhaus stets direkt gewann. Er rechnete sich Chancen aus, wurde | |
aber nur Vierter. | |
Die Verbindung zum Ströbele-Land besteht durch eine Besonderheit des | |
Zuschnitts des Wahlkreises: Neben Friedrichshain-Kreuzberg gehört dazu auch | |
Prenzlauer Berg Ost, das ein Teil von Pankow ist. Doch auch wenn Otto dort | |
umfassend mobilisiert: Ein Realo-Bewerber ist im vom linken Parteiflügel | |
beherrschten Friedrichshain-Kreuzberg nicht vorstellbar. Und aus dem | |
dortigen Kreisverband sind nach Parteiangaben 900 Mitglieder | |
stimmberechtigt – dagegen nur 100 aus Prenzlauer Berg Ost. | |
Ein Problem für Otto: Falls es dort also wie zu erwarten nichts mit einer | |
Nominierung wird, ist es zu spät, sich erneut um eine Kandidatur in Pankow | |
zu bewerben. Dort entscheidet die Partei nämlich 14 Tage früher als im | |
Nachbarbezirk, am 28. Februar. | |
Wer auch immer gewählt wird, ist zwar de jure erst mal nur Kandidat oder | |
Kandidatin. Aber auch wenn die Grünen sich vorsichtig geben und sagen, | |
viele Stimmen der vergangenen Bundestagwahlen – Ströbele holte zuletzt 39,9 | |
Prozent, vier Jahre vorher sogar fast 47 Prozent – seien nicht von grüner | |
Kernklientel gekommen: Die Bewerber von SPD und Linkspartei holten gerade | |
mal halb so viele Stimmen. Die Festlegung, die ein paar hundert | |
Grünen-Mitglieder in zwei Wochen treffen, dürfte die Entscheidung von über | |
220.000 Wahlberechtigten am Bundestagswahltag am 24. September | |
vorwegnehmen. | |
23 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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