| # taz.de -- Debatte Opfer des Antiterrorkriegs: Obamas Erbe | |
| > Besonders kritisch berichten Medien über das jüngste Massaker des | |
| > US-Militärs im Jemen. Solche Einsätze sind aber schon seit Jahren Alltag. | |
| Bild: Demonstranten verbrennen einen Drohnennachbau in den US-Farben in der jem… | |
| Bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit hat US-Präsident Donald Trump | |
| zahlreiche unschuldige Menschen auf dem Gewissen. In der Nacht zum 29. | |
| Januar kamen im Namen der Terrorbekämpfung bei einer Spezialoperation im | |
| Jemen [1][mindestens 25 Menschen durch eine US-Spezialeinheit ums Leben]. | |
| Laut dem in London ansässigen Bureau of Investigative Journalism wurden | |
| bei dem Massaker mindestens neun Kinder getötet. Das jüngste Opfer war erst | |
| drei Monate alt. | |
| Unter den Todesopfern befand sich auch die achtjährige Nawaar al-Awlaki. | |
| Al-Awlaki ist kein unbekannter Name: Der Vater des getöteten Mädchens, | |
| Anwar al-Awlaki, war ein bekannter amerikanisch-jemenitischer Prediger, | |
| der sich später radikalisierte und al-Qaida nahestand. Im September 2011 | |
| wurde er durch einen gezielten Drohnenangriff der CIA im Jemen getötet. | |
| Zwei Wochen später brachte eine Drohne auch al-Awlakis Sohn um, den | |
| 16-jährigen Abdel-Rahman, sowie dessen 17-jährigen Cousin und weitere | |
| Zivilisten. | |
| Dass nun ein weiteres Kind der Familie al-Awlaki getötet wurde, ist für | |
| viele Beobachter und Kenner der Region in seiner Tragik kaum in Worte zu | |
| fassen. Laut Nasser al-Awlaki, Abdel-Rahmans und Nawaars Großvater, schoss | |
| ein US-Soldat seiner Enkelin ins Genick. Nach zwei qualvollen Stunden | |
| verstarb das Mädchen. | |
| Damit hatte eines von Trumps ersten Opfern ein Gesicht. Schon wenige | |
| Stunden nach ihrem Tod wurden zahlreiche Bilder des kleinen Mädchens in | |
| sozialen Netzwerken verbreitet. Die allerersten Opfer in Trumps „Kampf | |
| gegen den Terror“ sind Nawaar und die anderen Jemeniten, die an diesem Tag | |
| getötet wurden, allerdings nicht. Bereits in den Tagen zuvor hatte der | |
| frisch gekürte US-Präsident mindestens zwei Drohnenangriffe im Jemen | |
| abgesegnet. Laut dem Pentagon wurden dabei „mutmaßliche | |
| Al-Qaida-Terroristen“ getötet. Ob das stimmt, weiß niemand. | |
| Das Neusprech der US-Regierung bezüglich ziviler Opfer ist zum politischen | |
| Alltag geworden. Auch nach jener blutigen Operation hieß es aus Washington, | |
| dass lediglich 14 Al-Qaida-Kämpfer getötet worden seien. Über Nawaar und | |
| die zahlreichen anderen Opfer verlor man kein Wort. Stattdessen beklagte | |
| US-Vizepräsident Mike Pence via Twitter den Verlust eines Soldaten. Er | |
| bezeichnete ihn als „Helden“, der im Kampf gegen den „radikalislamischen | |
| Terror“ gefallen sei. | |
| ## Alltag unter Obama | |
| Ungewohnt viele Medien berichteten kritisch über das jüngste Massaker. Das | |
| überrascht, schaut die westliche Öffentlichkeit doch meist weg, wenn es um | |
| den Jemen geht. Dass sich das nun ändert, hat gewiss mit der allgemeinen | |
| Berichterstattung zu Trump zu tun. Dabei sind derartige Operationen im | |
| Jemen, einem Land, wo die Vereinigten Staaten offiziell gar keinen Krieg | |
| führen, nichts Neues. Zum Alltag wurden die klandestinen Einsätze nämlich | |
| unter Barack Obama, dem dieser Tage viele Menschen nachtrauern. | |
| Nawaar al-Awlakis andere Familienmitglieder wurden von Obamas Drohnen | |
| ermordet. Der eine war ein radikaler Prediger, andere waren unschuldige | |
| Kinder. Das Recht, sie zu töten, hatte niemand. Weil die al-Awlakis die | |
| US-Staatsbürgerschaft besaßen, kamen zu diesem Schluss auch viele | |
| US-Amerikaner – obwohl sie sich sonst nicht groß für die zivilen Opfer des | |
| Antiterrorkampfs interessieren. | |
| Die plötzliche Betroffenheit ist geradezu scheinheilig: Für viele Menschen | |
| im Jemen, in Afghanistan und in Somalia, die das Privileg der | |
| US-Staatsbürgerschaft nicht genießen, ist der Tod durch Drohnenangriffe und | |
| andere geheime Operationen des US-Militärs längst Alltag geworden. | |
| Im Gegensatz zu seinen Vorgängern machte Trump schon sehr früh deutlich, | |
| dass er nicht nur „Terroristen“ jagen und töten werde, sondern auch deren | |
| Familien. Eine ähnliche Meinung teilt auch Michael T. Flynn, Trumps | |
| Nationaler Sicherheitsberater, der nun zurückgetreten ist. Noch vor wenigen | |
| Jahren war Flynn ein Kommandeur der Joint Special Operations Command | |
| (JSOC), einer Abteilung, die unter anderem auch für die Geheimoperationen | |
| im Jemen verantwortlich ist. | |
| Flynn, der im Irak und in Afghanistan stationiert war, etablierte in dieser | |
| Zeit die berühmt-berüchtigten nächtlichen „Durchsuchungen“, bei denen | |
| mutmaßliche Aufständische und militante Kämpfer aufgespürt und getötet | |
| wurden – gemeinsam mit ihren Familien. In vielen Fällen traf es die Häuser | |
| unschuldiger Zivilisten. Journalisten dokumentierten immer wieder die | |
| Massaker der Elitesoldaten. Vor allem in Afghanistan trugen deren Taten | |
| dazu bei, dass die Einheimischen Sympathien für die aufständischen Taliban | |
| entwickelten. | |
| ## Der Zynismus des „Muslim Ban“ | |
| Ähnliches droht dem Jemen. Laut UN wurden dort in den Jahren 2014 und 2015 | |
| – also schon unter Obama – mehr Zivilisten durch US-Drohnenangriffe | |
| getötet als durch Angriffe von al-Qaida. Dass Trump auf solche Angriffe | |
| weiterhin setzen wird, ist nur allzu offensichtlich. Vor wenigen Tagen | |
| wurden etwa auch in der ostafghanischen Provinz Khost mehrere Menschen | |
| durch einen amerikanischen Drohnenangriff getötet. Medienberichten zufolge | |
| soll es sich bei den Opfern um die Familienmitglieder eines lokalen | |
| Taliban-Führers gehandelt haben. | |
| Donald Trump und seine Regierung werden in allen laufenden Konflikten eine | |
| eskalierende Rolle spielen. Bereits die ersten drei Wochen seiner Amtszeit | |
| haben dies mehr als deutlich gemacht. Umso zynischer ist sein „Muslim Ban“, | |
| der hauptsächlich Menschen aus jenen Staaten, in denen die USA seit Jahren | |
| Chaos stiften, die Einreise verweigern soll. | |
| Dennoch sollte die Zeit vor Trump nicht vergessen werden. Viele Befugnisse, | |
| die der US-Präsident nun hat, wurden ihm durch seinem Vorgänger auf dem | |
| Silbertablett serviert. Im letzten Amtsjahr Obamas warfen die USA offiziell | |
| über 26.000 Bomben auf sieben Staaten mit muslimischer Mehrheit ab. Erst | |
| vor Kurzem wurde bekannt, dass es wahrscheinlich noch viel mehr waren. Eine | |
| investigative Recherche machte zudem deutlich, dass das US-Militär Zahlen | |
| von Luftangriffen im Irak, in Syrien und Afghanistan absichtlich | |
| zurückhielt. | |
| Transparenz war nie eine Stärke der US-Regierung. Auch daran wird sich | |
| unter Donald Trump wohl kaum etwas ändern. | |
| 14 Feb 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Emran Feroz | |
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