Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aki Kaurismäkis Wettbewerbsbeitrag: Finnisches Gelächter
> Style, Tango, Rockabilly – Kaurismäkis Flüchtlingssatire „Toivon tuolla
> puolen“ ist der richtige Film zur Zeit und ein Anwärter auf den Goldenen
> Bären.
Bild: Dass es immer so dunkel ist, bedeutet in Aki Kaurismäkis Filmen nicht, d…
„Man könnte den Kühlraum abschalten, aber er passt nicht rein, auch nicht
schräg.“ Die Belegschaft der Wirtschaft Zum Goldenen Krug sucht einen
geeigneten Schlafplatz für Khaled (Sherwan Haji). Khaled – der junge Mann
aus Aleppo, Syrien – ist verborgen unter einer Fracht Kohle im Hafen von
Helsinki angelangt und dort von Bord gegangen. Ein Matrose half ihm.
Doch die finnischen Behörden verwehren Khaled das Recht auf Asyl. Der
Abschiebung entzieht er sich mithilfe einer finnischen Helferin und schläft
nun als Illegaler bei den Mülltonnen vor Waldemar Wikströms (Sakari
Kuosmanen) Restaurant.
Bei ihrer ersten Begegnung schlägt Khaled Wikström auf die Nase, und
Wikström Khaled k. o. Doch in der nächsten Szene sitzen sie gemeinsam am
Tisch, Wikström und seine Crew gestrandeter Existenzen des Goldenen Krugs
nehmen sich Khaleds an. Eine Hilfskraft wird immer gebraucht, auch wenn die
Geschäfte schlecht gehen.
Wikström hat sich mit dem Goldenen Krug den Traum vom eigenen Restaurant
erfüllt. Doch es läuft nicht richtig. Das schüttere Haar nach hinten
gekämmt – Anzug, Stil und sein Oldtimer immer top –, macht der Gentleman
selber schwere Zeiten durch. Er hat als Hemdenvertreter aufgegeben und
seine Frau, eine Trinkerin, verlassen.
## Würdevolle Underdogs
Eine in seiner Absurdität typisch wirkende Kaurismäki-Anfangsszene zeigt
das ältere Paar am Küchentisch, Lockenwickler, Kaktus, Zigarette, Schnaps –
der Ehering wandert in den Aschenbecher. Die persönliche Habe Wikströms
passt in einen kleinen abgewetzten Koffer. Doch der Finne wäre kein echter
Kaurismäki-Finne wüsste er sich nicht stilecht zu behelfen. Beim illegalen
Stud Poker in einer abgedunkelten Villa gewinnt er 60.000 Euro, genug
Bargeld, um eine betagte Gaststätte wie den Goldenen Krug zu erwerben.
„Oh Mutti, dreh die Gaslampe an, ich werde bald sterben“, tönt es in einem
die Handlung flankierenden Liedtext. Mit den vielen eingestreuten
Rockabilly- und Tango-Musikstücken betreibt Kaurismäki in „Toivon tuolla
puolen“ eine Art antinationale Teufelsaustreibung. Die Haltung des
Rockabilly, die Auftritte cooler älterer Musiker stellt Regisseur
Kaurismäki ganz nebenbei Langeweilern und gewalttätigen Ausländerfeinden
entgegen. Das ist kein antirassistischer Kitsch, sondern beiläufig
humorvoll gedreht, wundervoll künstlich überzeichnet mit prächtigen,
skurril-würdevollen Figuren.
Die Nerds des Computerzeitalters mögen technisch auf der Höhe der Zeit
sein, so es um das Fälschen von Papieren geht. Einem finnischen
Rockabilly-Opa machen sie deswegen noch lange nichts vor. Und der
Fernfahrer als Teil von Kaurismäkis utopischem Underground, er nimmt im
Gegensatz zu den jungen Computerfreaks kein Geld für seine riskanten
Dienste.
Aki Kaurismäkis Wettbewerbs-Beitrag ist der richtige Film zur richtigen
Zeit. Vornehmlich in kühles Blau getaucht, spenden altmodische
Holzvertäfelungen und Jukebox Wärme im gelben Lampenlicht. Die beiden
Hauptdarsteller Sherwan Haji und Sakari Kuosmanen wandeln souverän und
zurückgenommen auf dem roten finnischen Teppichen. Hier darf über all die
Widrigkeiten des großen wie des kleinen Lebens tüchtig gelacht werden, was
für eine Befreiung.
15 Feb 2017
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Finnland
Syrische Flüchtlinge
Schwerpunkt Berlinale
Filmrezension
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Fallende Blätter“ im Kino: Pittoreskes im Prekären
Aki Kaurismäkis Film „Fallende Blätter“ taucht in den Alltag des
Proletariats ab und lässt die Protagonisten stoisch durch ihre Probleme
manövrieren.
Goldener Bär der Berlinale: Liebe schlägt Politik nur halb
Der Goldene Bär geht bei der 67. Berlinale an einen ungarischen Liebesfilm,
nicht ans finnische Flüchtlingsdrama. Viel Solidarität gibt es für Deniz
Yücel.
Filmessay „In the Intense Now“: Der Moment der Geschichte
Wir können nicht in die Zukunft blicken – João Moreira Salles blickt in „…
Intenso Agora“ auf das Jahr der Revolte von 1968 auf der ganzen Welt.
Vorschau auf die 67. Berlinale: Programm als Protest
Es ist wieder Berlinalezeit. Unter den knapp 400 Filmen kann man zarte
Bande knüpfen. Doch große politische Weltschau ist sie nur eingeschränkt.
Geleitwort zur Berlinale: Entzaubertes Mantra
Die 62. Berlinale zeigt vielversprechende Beiträge, die das oftmals
verkündete Politische einlösen könnten. Kritiker klagen über die mangelnde
Bedeutung des Programms.
Aki Karusmäkis "Le Havre": Ein Mann, der alles zu geben bereit ist
Der neue Film von Aki Kaurismäki singt ein Lied auf die Warmherzigkeit des
Menschen. Und er erinnert poetisch an Charles Chaplin.
Regisseur Kaurismäki über "Le Havre": "Ich habe ein Märchen gedreht"
Er ist ein Pessimist mit optimistischer Botschaft: Aki Kaurismäki über den
Film "Le Havre", Migration, Nordfrankreich und was so schön am Alter ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.