| # taz.de -- Wie politisch dürfen Fußballer sein?: Kicken, nicht meinen | |
| > Unterstützung eines islamistischen Vereins, Äußerungen pro Erdoğan: Zwei | |
| > Bundesligaprofis wurden von ihren Vereinen zurückgepfiffen. | |
| Bild: Hat dem Falschen applaudiert: Hakan Çalhanoğlu | |
| Für viele deutsche Rapper ist Änis Ben-Hatira ein Held. Bushido, PA Sports | |
| oder Dú Maroc machen sich stark für den Fußballprofi, der vor Kurzem von | |
| seinem Verein Darmstadt 98 entlassen worden ist. Der Grund: Der Berliner | |
| Ben-Hatira unterstützt den vom Verfassungsschutz observierten Verein Ansaar | |
| International, der zumindest ein Sammelbecken von extremen Antisemiten ist. | |
| In der einschlägigen Rap-Szene heißt es nun, Ben-Hatira werde gedisst von | |
| einer Öffentlichkeit, die „ihn kaputt machen, ihn wegreden will“, wie PA | |
| Sports findet: „Jemand mit diesem positiven und überaus menschlichen | |
| Gedankengut soll in der Bundesliga nicht stattfinden und am besten auf | |
| keiner großen Bühne stehen dürfen.“ | |
| Ashkan Dejagah findet den Beitrag von PA Sports gut. Dejagah, der jetzt zum | |
| VfL Wolfsburg in die Bundesliga zurückgekehrte Fußballprofi mit iranischen | |
| Wurzeln, hat den Facebook-Beitrag des Rappers gelikt. | |
| Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass ein paar | |
| Wolfsburger Entscheidungsträger dem in Berlin aufgewachsenen Neuzugang die | |
| Empfehlung mitgegeben haben, sich doch bitte schön in der Öffentlichkeit | |
| mit politischen Statements jedweder Art zurückzuhalten. Das nämlich könnte | |
| vielleicht nicht so gut ankommen und das ohnehin schon ramponierte Image | |
| der Marke Volkswagen weiter schädigen. Dejagah, der nun im grünen Trikot | |
| der VW-Fußballabteilung steckt, wird also besser seinen Mund halten, will | |
| er nicht auch in solch ein mediales Stürmchen geraten wie Änis Ben-Hatira. | |
| ## „Für unsere große Türkei bin ich auch dabei“ | |
| Zurückgepfiffen wurde auch ein Profi von Bayer Leverkusen, Hakan | |
| Çalhanoğlu. Der Mannheimer hat sich als türkischer Nationalist und | |
| Befürworter der Politik von Recep Tayyip Erdoğan zu erkennen gegeben. Der | |
| türkische Nationalspieler hatte sich auf Twitter zu einem Video des | |
| ehemaligen Bundesligaprofis Gökhan Töre (zuletzt Hamburger SV und West Ham | |
| United) geäußert. „Gökhan, mein Bruder, ich habe Deine Message erhalten. | |
| Für unser Land, für unser Volk, für unsere große Türkei bin ich auch | |
| dabei“, so Çalhanoğlu. | |
| Der Verein reagierte verschnupft. Man habe dem Spieler „auseinandergesetzt, | |
| dass Äußerungen politischer Natur problembehaftet sein können – schließli… | |
| steht Hakan Çalhanoğlu als Fußballprofi besonders im Licht der | |
| Öffentlichkeit. Wir haben ihm geraten, sich künftig in derartigen | |
| Fragestellungen mit Meinungsäußerungen zurückzuhalten.“ | |
| Es ist das übliche Procedere im Sport. Man hat sich besser nicht über | |
| Politisches zu äußern, und wenn doch, dann möge man die politische Mitte, | |
| den großen Konsensraum, nicht verlassen. Zugunsten höherer Klub- und | |
| Konzerninteressen hat der Fußballer zu schweigen. Und das muss nicht immer | |
| schlecht sein. Manchmal dient das dem Schutz der Spieler. Dabei gilt es, | |
| das Recht auf freie Meinungsäußerung abzuwägen gegen die Maxime eines | |
| Klubs, der auf politische Zurückhaltung setzt. | |
| ## Die Grenze der Toleranz | |
| Es ist nachvollziehbar, dass Darmstadt 98 keinen Spieler beschäftigen | |
| möchte, der mit Salafisten, Frauenfeinden und Antizionisten kungelt. Man | |
| kann auch den Klub Bayer 04 Leverkusen verstehen, der die Entwicklungen in | |
| der Türkei vielleicht nicht ganz so positiv sieht wie Çalhanoğlu und Töre. | |
| Aber wo verläuft die Grenze der Toleranz? Sicherlich dort, wo das | |
| politische Engagement eine antidemokratische und antiliberale Tönung | |
| bekommt – und damit einen doppelten Igitt-Faktor. | |
| Bayer Leverkusen, Darmstadt 98 und der VfL Wolfsburg hätten sicher nichts | |
| dagegen, wenn sich Ashkan Dejagah, der ja unmittelbar von Trumps | |
| Einreise-Dekret betroffen ist, in markigen Worten gegen den US-Präsidenten | |
| stellen würde. Man hatte seinerzeit auch nichts dagegen, als sich Änis | |
| Ben-Hatira in Projekten der Bundesligastiftung oder der Bundesregierung | |
| gegen Ausgrenzung und für Toleranz engagierte. Oder für das Berliner | |
| Straßenfußballprojekt Mitternachtssport, das 2013 den Integrations-Bambi | |
| gewann. | |
| Wenn Profis aber plötzlich Autokraten und Hetzer gut finden, dann müssen | |
| das Fußballklubs nicht dulden, denn der Sport steht ja trotz seiner | |
| Selbstdemontage samt Doping, Korruption oder Kommerzialisierung immer noch | |
| für eine ideale Welt, für Völkerfreundschaft, Respekt und Fairness. Das ist | |
| nicht das Schlechteste in diesen Tagen. | |
| 31 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
| ## TAGS | |
| Fußball | |
| Änis Ben-Hatira | |
| Ansaar International | |
| Recep Tayyip Erdoğan | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Islamismus | |
| Darmstadt 98 | |
| Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
| Änis Ben-Hatira | |
| Änis Ben-Hatira | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Antisemitismus im Fußball: Hasspartikel in allen Ritzen | |
| Die Feinfühligkeit in Sachen Rassismus ist groß, auch im Fußball. Aber was | |
| ist mit antisemitischen Tendenzen in Europas Ligen? | |
| Verbot von Ansaar International: Verdeckte Terrorhelfer | |
| Horst Seehofer verbietet Ansaar International: Der Verein fördere die Hamas | |
| oder Al-Nusra-Front. Hunderttausende Euro werden beschlagnahmt. | |
| Zukunft von Darmstadt 98: Ruderboot auf Sinkkurs | |
| Der Klub wird nach seinen wundersamen Aufstiegen klug geführt. Dennoch hat | |
| er kaum eine Chance, mit den etablierten Kräften mitzuhalten. | |
| US-Sportler gegen Donald Trump: „Das ist Bullshit, absoluter Bullshit“ | |
| Von Donald Trumps Einreiseverbot ist der US-Sport auf vielfältige Weise | |
| betroffen. Athleten und Funktionäre äußern öffentliche Kritik. | |
| Änis Ben-Hatira und Darmstadt 98: Tadellos und salafistisch | |
| Noch am Sonntag stufte Darmstadts Präsident das Engagement des Spielers Ben | |
| Hatira bei Ansaar International als „privat“ ein. Nun erfolgte die | |
| Trennung. | |
| Unterstützung für Ansaar International: Ben-Hatiras „Wohltätigkeit“ | |
| Änis Ben-Hatira, Offensivspieler von Darmstadt 98, unterstützt den Verein | |
| Ansaar International. Dort bewegt er sich in einem Umfeld von Hetzern. |