# taz.de -- Zukunft von Darmstadt 98: Ruderboot auf Sinkkurs | |
> Der Klub wird nach seinen wundersamen Aufstiegen klug geführt. Dennoch | |
> hat er kaum eine Chance, mit den etablierten Kräften mitzuhalten. | |
Bild: Torsten Frings kann schreien was er will, sein Team verliert und verliert | |
Rüdiger Fritsch hat in den letzten drei Jahren ja nur Wunder erlebt, aber | |
dass Märchenbücher auch im Fußball irgendwann mal eine letzte Seite haben, | |
sagt der Präsident von Darmstadt 98 schon länger. Der Mann ist schließlich | |
Realist. Spätestens als Erfolgstrainer Dirk Schuster den Klub letzten | |
Sommer nicht ohne Rumoren Richtung Augsburg verließ, bröckelte die Fassade | |
der Fußballromantik bei den Lilien. | |
Schuster hatte ja innerhalb von zwei Spielzeiten die sensationelle Volte | |
geschafft, einen Drittliga-Underdog in einen Pflichtspielgegner von Bayern | |
München zu coachen. Dass dann sogar der Klassenerhalt gelang, | |
interpretierten viele als das größte der vielen Darmstädter Wunder. | |
Mittlerweile ist Schuster beim FCA entlassen, und in Darmstadt versucht | |
nicht mehr der im Dezember entlassene Norbert Meier eine Erstligazukunft zu | |
sichern, sondern der Cheftrainernovize Torsten Frings. | |
Vor dem Spiel am Samstag gegen Borussia Dortmund sagt Frings: „Wir haben | |
keine Chance – und die wollen wir nutzen.“ Frings kann sagen, was er will: | |
Angesichts der hoffnungslosen Situation klingt alles nach | |
Durchhalteparolen. Zuletzt setzte es zu Hause eine 1:6-Pleite gegen Köln | |
und ein 0:2 in Frankfurt, die Mannschaft hat seit zwölf Pflichtspielen | |
nicht gewonnen. Nur zwölf Tore erzielte die Elf in bislang 18 Spielen und | |
gewann damit schmale neun Punkte. Wie das Team ohne Torjäger und ohne Mut | |
Spiele in der Rückrunde gewinnen soll, bleibt ein Rätsel. | |
Darmstadt ist Tabellenletzter mit sieben Punkten Rückstand auf | |
Relegationsrang 16. Präsident Fritsch sagt, sein Klub sei ein Ruderboot, in | |
das auf einem Ozean namens Bundesliga die großen Dampfer unbarmherzig | |
Wasser spritzten: „Wir sind zwar auf Sinkkurs, aber noch nicht | |
untergegangen.“ | |
## Das Horrorszenario | |
Ein Horrorszenario wäre, nach dem Abstieg eine Havarie zu erleiden wie der | |
SC Paderborn, der mittlerweile um den Klassenerhalt in Liga drei zittert. | |
„Wir werden nicht von der Bildfläche verschwinden. Und wir werden auch | |
nicht das neue Paderborn“, erklärt Fritsch, der den Lilien seit 2012 | |
vorsteht. Seither ist die Zahl der Geschäftsstellenmitarbeiter von 6 auf 32 | |
gestiegen, das Personalbudget der Fußballer von 5 Millionen auf derzeit | |
rund 21 Millionen Euro (Gesamtetat: 41 Millionen). Der Klub investierte | |
nach seinem wundersamen Aufstieg aus dem Nichts weitsichtig in die | |
Infrastruktur, zum Beispiel in ein Nachwuchsleistungszentrum oder neue | |
Trainingsplätze. | |
Es ist wahnsinnig viel passiert „am und im Bölle“, wie das uralte und | |
kleinste Stadion der Liga (Fassungsvermögen 17.500) am Böllenfalltor im | |
Volksmund genannt wird. Aber beim „existenziellen Thema Stadionneubau“, so | |
Fritsch, verliere der Klub in den Verhandlungen mit der Stadt Zeit. Fritsch | |
will seinen Klub nachhaltig im Profifußball etablieren, dabei steht man so | |
gesund da wie noch nie. | |
Zwar steigern sich die Einnahmen der Erstligisten durch den neuen | |
TV-Vertrag ab der nächsten Saison immens. Aber Darmstadt würde selbst beim | |
Erstligaverbleib nur 3 Millionen mehr kassieren – rund 27 Millionen Euro. | |
Ein im Gesamtvergleich eher kleiner Klub wie Augsburg aber rund 47 | |
Millionen Euro. Ohne die Hilfe von Mäzenen wie in Hoffenheim oder Leipzig | |
kann man sich in der ersten Liga kaum etablieren. Fritschs Vorbilder wie | |
Freiburg oder Mainz konnten in Zeiten wachsen, als die Zementierung der | |
Verhältnisse durch die Kommerzialisierung noch nicht wie ein Naturgesetz | |
wirkte. | |
Auch bei einem Abstieg soll Frings Trainer bleiben. Frings ist in einem | |
„englischen Modell“ (Fritsch) hauptverantwortlich für Aufstellung und | |
Kaderzusammenstellung. Mit dem ehemaligen Profi Alexander Klitzpera wurde | |
jüngst ein Chefscout eingestellt, dem vier hauptamtliche Scouts zuarbeiten, | |
zusammen mit Teammanager Michael Stegmayer und Tom Eilers habe man zudem | |
sportliches Know-how, glaubt Fritsch. Derzeit planen die Lilien | |
zweigleisig. Gelänge es dem Klub doch noch erstklassig zu bleiben, wäre das | |
ein Wunder, das selbst in Darmstadt noch niemand erlebt hätte. | |
11 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schächter | |
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