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# taz.de -- Gentrifizierung in Reinickendorf: Ein bisschen weniger Verdrängung
> Ein Mieter der privatisierten Steinberg-Siedlung in Tegel hat vor Gericht
> gewonnen. Gibt es Hoffnung für „Oma Annis“ Nachbarn?
Bild: Mit Mahnwachen und Transparenten demonstrieren die Steinberger gegen ihre…
Die von Verdrängung bedrohten Mieter in der Tegeler Siedlung Am Steinberg
schöpfen Hoffnung. Das Landgericht hat in einem Berufungsverfahren
entschieden, dass die Bewohner eines der Häuser die geplante Modernisierung
nicht dulden müssen. Diese würde die Miete massiv in die Höhe treiben.
Fraglich ist jetzt, ob das Urteil auch für die übrigen Mieter relevant ist,
die sich ebenfalls im Rechtsstreit mit dem Eigentümer befinden.
Seit zwei Jahren schwelt der Streit zwischen den Altmietern der
Kleinhaus-Siedlung aus den Zwanzigerjahren und der Am Steinberg
Entwicklungsgesellschaft mbH, die die Immobilien umbauen und einzeln
verkaufen will. Nach Grundrissänderungen und Fassadendämmung würden die
derzeit sehr günstigen Kaltmieten teilweise um über 1.000 Euro steigen –
das Aus für die Menschen, die heute in der Siedlung leben. Lange wurde um
eine politische Lösung gestritten. Unter anderem war eine
Milieuschutzverordnung im Gespräch, bis sich das Instrument als juristisch
untauglich herausstellte.
Etliche haben aufgegeben und sind weggezogen, zumal ihnen der Investor auch
mit anderen Mitteln das Leben schwer gemacht hat – etwa durch die Fällung
vieler alter Bäume im Viertel. Die durch ein Wahlplakat der Linken bekannt
gewordene „Oma Anni“, die „bleiben“ sollte, ist vor Kurzem gestorben. R…
20 Mietparteien harren aber aus und veranstalten regelmäßig Mahnwachen
gegen ihre Verdrängung. Die meisten haben den Modernisierungsbescheid des
Eigentümers abgelehnt und wurden von diesem auf Duldung der
Sanierungsmaßnahmen verklagt.
In einem Fall hatte das Amtsgericht Wedding im Juli 2016 entschieden, der
Mieter müsse die Modernisierung nicht dulden – das Vorhaben sei „nicht mehr
als Verbesserung des Mietobjekts anzusehen“, sondern stelle eine
Umgestaltung dar, „die etwas völlig Neues schaffe“. Die
Entwicklungsgesellschaft legte Berufung ein, das Landgericht hat diese nun
als unbegründet abgewiesen. Dabei steht nicht zur Debatte, dass die Häuser
saniert werden müssen. Ursprünglich in Bezirksbesitz, gehörten sie in den
Neunzigerjahren der landeseigenen GSW, die sie verkommen ließ und nach
ihrer Privatisierung durch Rot-Rot im Jahr 2004 abstieß.
## Am Wendepunkt?
Stellt das Landgerichtsurteil nun den Wendepunkt dar? Rainer Wild,
Vorsitzender des Berliner Mietervereins, begrüßt die Entscheidung, bleibt
aber verhalten: Das Gericht berufe sich auf eine Klausel im Mietvertrag des
Beklagten, der noch aus den Achtzigerjahren stammt. Dort heißt es, dass nur
bauliche Veränderungen hingenommen werden müssten, die den Mieter
„unwesentlich“ beeinträchtigten. Im vorliegenden Fall trifft das ganz klar
nicht zu. Eine solche Klausel dürfte aber in den meisten Verträgen fehlen.
Was aus den übrigen Beklagten wird, bleibt also unklar. „Man darf vermuten,
dass das Amtsgericht Wedding auch ihnen recht geben würde“, so Wild. Beim
Landgericht ist er deutlich skeptischer. Dessen RichterInnen hätten sich
der erstinstanzlichen Bewertung nicht angeschlossen, die Modernisierung
schaffe etwas „ganz Neues“ – was möglicherweise ein Hinweis auf eine
unzulässige Luxusmodernisierung wäre. Wo Luxus anfängt, ist allerdings
ohnehin umstritten. Im Allgemeinen, bedauert der Vorsitzende des
Mietervereins, kenne das Gesetz in Sachen Modernisierung „keine Grenzen“.
19 Jan 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Gentrifizierung
Reinickendorf
Mieterschutz
Berlin-Tegel
Mietenbewegung
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