# taz.de -- Neue Abgabe für Grundstückseigentümer: Selbst harken und dafür … | |
> Die Hamburger Umweltbehörde arbeitet an einer neuen | |
> Straßenreinigungsgebühr. Die Bürgerpflicht, den Gehweg zu reinigen, | |
> bleibt trotzdem bestehen. | |
Bild: Reichlich zu tun: Laub kehren auf dem Gehsteig. | |
HAMBURG taz | Im Herbst fühle ich mich als ehrenamtliche Mitarbeiterin der | |
Stadtreinigung. Die Buchen auf der anderen Straßenseite werfen unermüdlich | |
Blätter zu uns rüber. Der Regen durchnässt das Laub auf den Gehwegplatten. | |
Wenn dann nur Leute drüberlatschen und die Blätter nicht immer wieder zügig | |
entfernt werden, entsteht ein brauner rutschiger Matsch. Falls ein | |
Fußgänger ausrutscht, haften die Anwohner. | |
Also gelbe Laubsäcke kaufen bei Budni und rein mit dem Zeugs. Die nimmt die | |
Stadtreinigung dann irgendwann mit. Leider sind die Beutel aus fisseligem, | |
dünnen Material, und es ist mühsam, sie allein zu befüllen, wenn kein | |
Zweiter dabei steht und sie aufhält. Auch Kippen und anderen Müll müssen | |
wir laut [1][Hamburgischem Wegegesetz] vom Fußweg entfernen. Machen wir | |
auch gern, sieht schließlich eklig aus. Aber 20 Arbeitsstunden pro Jahr | |
kommen so schon zusammen. | |
Nun kommt ab 2018 eine Straßenreinigungsgebühr dazu. Dem vorangegangen war | |
eine Medienkampagne über die verschmutzte Stadt und vermüllte Ecken. | |
Mindestens 50 bis 60 Cent pro Frontmeter Grundstück im Monat, also bei zehn | |
Metern bis zu 72 Euro im Jahr, sollen Grundstückseigentümer zahlen. Solche | |
Gebühren seien „kein Hexenwerk“ und in anderen Städten üblich, argumenti… | |
der grüne Umweltsenator Jens Kerstan. | |
Es gab schon einen großen Aufschrei der Wohnungsunternehmen und | |
Mieterverbände. Denn unsere Nachbarn am hinteren Ende der Straße, die in | |
größeren Wohnblocks wohnen, zahlen heute schon – meist über ihre Miete | |
umgelegt – eine [2][Gehwegreinigungsgebühr]. Dafür fegt dort die Stadt den | |
Fußweg, oder trägt zumindest rechtlich die Verantwortung dafür. Hamburg hat | |
6.400 Kilometer Gehweg, etwa die Hälfte davon wird städtisch gereinigt. Für | |
die anderen 3.200 Kilometer, meist jenseits des Ring 2 in den Vorstädten, | |
machen es die Anwohner. | |
Beide Gruppen sollen nun künftig die neue Gebühr bezahlen. Den Antrag dafür | |
haben SPD und Grüne schon Ende November beschlossen, im Frühjahr sollen | |
„Eckpunkte“ dafür vorliegen. Dass es so lange dauert, liegt auch daran, | |
dass die Stadtreinigung erst einmal ein Verzeichnis aller | |
Grundstücksfrontmeter anlegen muss, von denen, die bisher nicht zahlen. | |
Und was bekommt der Bürger dafür? „Dass das Umfeld vor Ihrem Haus nach | |
einem einheitlichen Standard gereinigt wird“, erklärt | |
Stadtreinigungssprecher Reinhard Fiedler. Dazu zählten Fahrbahnen und | |
Grünstreifen in der Nähe. Die Fahrbahn für die Autos, die bisher nur ein | |
paar Mal im Jahr von einem Kehrfahrzeug gefegt wird – was aus einem | |
Haushaltstitel der Stadt bezahlt wurde –, soll künftig öfter gefegt werden. | |
Wie häufig, ist noch nicht klar. „Das müssen wir alles noch festlegen“, | |
ergänzt Fiedlers Kollege Andreas Möller. | |
Und die Parks und Grünanlagen werden künftig nur von Kollegen der | |
Stadtreinigung und nicht mehr von Bezirksmitarbeitern gereinigt. Diese | |
wiederum sollen weiter Bäume und Pflanzen pflegen. Hier wird | |
„Zersplitterung von Zuständigkeiten“ beseitigt, wie es der rot-grüne Antr… | |
„Sauberkeit aus einer Hand“ formulierte. Von dem Geld sollen 400 neue Jobs | |
bei der Stadtreinigung entstehen, was sozialpolitisch sinnvoll ist. | |
Doch ganz nüchtern betrachtet heißt das auch: Meine Straße wird besser | |
geputzt für die 60 Cent pro Meter pro Monat, mein Fußweg nicht, das muss | |
ich weiter selbst tun. | |
Man kann es ungerecht finden: „Poppenbüttel zahlt dann dafür, dass der | |
Spielbudenplatz gereinigt wird“, wie es CDU-Politiker Stephan Gamm | |
formuliert. Dabei sei der Senat den Beweis schuldig, dass es ohne diese | |
Gebühr nicht geht. Gamm rechnet vor, dass 400 Stellen eine halbe Millionen | |
Arbeitsstunden im Jahr leisten können. Er bezweifelt, dass so viele | |
Arbeiter nötig sind, um die „Schmuddelecken“ der Stadt zu säubern. Eine | |
Stadt wie Wien habe das mit nur 40 bis 50 Zusatzleuten und Ordnungsgeldern | |
geschafft. | |
„Es ist Blödsinn, dass hier die Länge der Straßenmauer als Maß für eine | |
Gebühr genommen wird, die Parks sauberer macht“, sagt auch FDP-Politiker | |
Kurt Duwe, der von „Bürger-Abzocke“ spricht. Wenn, dann solle der Staat so | |
ehrlich sein und eine Zusatzsteuer erheben. | |
Das Mitleid mit laubfegenden Grundstückbesitzern hält sich übrigens in | |
Grenzen, wenn man mit City-Bewohnern spricht. Und ich gestehe, ich bleibe | |
gern bei diesem Pflicht-Hobby. Nur vielleicht könnte die Stadtreinigung | |
Säcke erfinden, die sich leichter befüllen lassen. Denn abgesehen davon ist | |
Laubharken ganz nett. Man hat zu tun, ist an der frischen Luft und kommt | |
mit Nachbarn, die man sonst kaum sieht, ins Gespräch. | |
6 Jan 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?doc.id=… | |
[2] http://www.stadtreinigung.hamburg/privatkunden/gebuehren/ | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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Gebühren | |
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Müll | |
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