# taz.de -- Dreck in Berlins Innenstadt: Anwohner zahlen für Touristen-Müll | |
> Weil das Müllaufkommen auf öffentlichen Flächen zunimmt, werden immer | |
> mehr Berliner Straßen bei der Reinigungsfrequenz hochgestuft. | |
Bild: Teuer für die Anwohner: Müll auf Berlins Straßen | |
Wenn demnächst wieder der Silvestermüll allerorten die Straßen im Dreck | |
versinken lässt, wird die orangefarbene Crew der BSR als „Wiederkehrer“ mit | |
offenen Armen empfangen. Im Rest des Jahres sieht man ihrem Auftreten | |
besonders in der Innenstadt jedoch mit gemischten Gefühlen entgegen. | |
In 185 Straßen und Straßenabschnitten wurden im vergangenen Herbst die | |
Gebühren erhöht, weil die Putzfrequenz angeblich nicht ausreichte. So | |
flatterte Stephan Bernhagen, Besitzer einer Eigentumswohnung am | |
Weinbergsweg in Mitte Post von der Berliner Stadtreinigung (BSR) ins Haus, | |
in der angekündigt wurde, dass die Straße von der Reinigungsklasse 1b auf | |
1a hochgestuft werde. | |
Der Grund: Die höhere Attraktivität ziehe noch mehr Besucher und Touristen | |
an. Dies führe zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Straßen und Gehwege | |
und damit zu einem höheren Reinigungsbedürfnis. | |
Statt sieben Mal pro Woche rückt die BSR am Weinbergsweg nun zehn Mal pro | |
Woche an, um Müll aufzusammeln, die damit verbundene Kostensteigerung | |
beträgt rund 35 Prozent. Im Quartal werden statt 100,46 Euro jetzt 142,10 | |
Euro fällig, die sich Bernhagen und weitere 16 Eigentümer plus ein Gewerbe | |
teilen. | |
Im Prinzip nicht viel Geld, aber Bernhagen ist dennoch empört. „In meinen | |
Augen ist das Abzockerei“, schimpft er. Sieben mal putzen habe bislang | |
durchaus gereicht. Auch sieht der Anwohner nicht ein, warum er für den Müll | |
der Touristen zahlen soll. | |
„Hier gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz“, erklärt Sabine Thümler, | |
Pressesprecherin der BSR. Schließlich seien an hochfrequentierten Orten | |
nicht nur Touristen, sondern auch Berliner unterwegs, und in der Innenstadt | |
teilten sich mehr Anwohner die Straßenreinigung, verglichen mit Siedlungen | |
am Rand. Dennoch findet sie die Argumentation der BSR unglücklich, in | |
Anschreiben auf die Touristen als Grund für die Verschmutzung zu verweisen. | |
„Der Verschmutzungsgrad erhöht sich auch, wenn in einer Straße etwa eine | |
neue Kita eröffnet wird oder neue Läden,“ so Thümler. Auch dort würde sich | |
dann gegebenenfalls die Reinigungsklasse verändern. 25 Prozent der | |
Reinigungskosten zahle ohnehin der Senat. Welche Straßen in der Innenstadt | |
noch von den Erhöhungen der Reinigungsgebühren betroffen sind, möchte sie | |
nicht sagen. Das würde ihrer Meinung nur das Bild verzerren, schließlich | |
seien davon ja nicht nur touristisch attraktive Orte betroffen. | |
Ob eine Straße in eine teurere Reinigungsklasse angehoben wird, entscheidet | |
die sogenannte Straßeneingruppierungskommission beim Senat für | |
Stadtentwicklung. Dort wird über die Vorschläge der BSR beraten und | |
entschieden. Anwohnerbefragungen zur Notwendigkeit gibt es nicht. „Bei über | |
14.300 Straßen ist das einfach nicht möglich“, erklärt Derk Ehlert von der | |
Pressestelle der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. | |
Er sieht neben den Touristen vor allem auch die Berliner selbst als Ursache | |
für negative Entwicklungen auf dem Straßenland. „Coffee-to-go, Fertigessen, | |
das sind gigantische Ursachen“, so Ehlert. Im besten Fall landet der Müll | |
in öffentlichen Papierkörben. Oft jedoch einfach auf der Straße. | |
Anwohner Bernhagen vom Weinbergsweg sieht die Entwicklung kritisch: „Ein | |
Solidarprinzip bei der Straßenreinigung ist gut, wenn alle mehr bezahlen | |
müssen.“ Dass Bürger an belebten Straßen einen höheren Anteil als die in | |
ruhigen Seitenstraßen tragen müssten, sei ungerecht. „Wozu gibt es | |
eigentlich diese City tax?“, fragt er sich. | |
Thümler von der BSR sieht in dieser Stadtsteuer, die Touristen seit 2014 in | |
Rechnung gestellt wird, keine unmittelbare Geldquelle. „Sie ist eine | |
allgemeine Steuer, die in den Landeshaushalt einfließt.“ Sprich: Davon wird | |
alles Mögliche bezahlt, unter anderem anteilig auch die Straßenreinigung. | |
Im übrigen sei es in der Innenstadt häufig schwer zu definieren, ob der | |
Müll nun von Touristen oder Berlinern stamme. | |
Ehlert vom Umweltsenat kann den Unmut der Anwohner von touristisch | |
hochfrequentierten Orten nachvollziehen, doch auch er sieht wenig Spielraum | |
für eine andere Lösung, außer das Müllaufkommen grundsätzlich zu | |
verringern. Da wäre der wiederverwendbare Coffee-to-go Becher der | |
Initiative Becherheld der Deutschen Umwelthilfe schon mal ein erster | |
Schritt. | |
27 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Christine Berger | |
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