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# taz.de -- Dokukomödie „The Happy Film“: Buchstaben aus Obst und Milch
> Der Grafikdesigner Stefan Sagmeister unternimmt den systematischen
> Versuch, das Glück zu messen. Das sieht verdammt gut aus.
Bild: Fein plantschen: Stefan Sagmeister in „The Happy Film“.
Gäbe es einen internationalen Preis für den bestaussehenden Film des
Jahres, er wäre diesem hier wohl ziemlich sicher. „The Happy Film“ ist in
visueller Hinsicht ein absolutes High-End-Produkt. Alles andere ginge auch
gar nicht, denn immerhin ist sein Initiator, Ko-Regisseur und
Haupt(selbst)darsteller Stefan Sagmeister nicht irgendwer, sondern ein
international renommierter Grafikdesigner mit eigener Firma in New York.
Dies ist sein erster Film. Ein Jahr lang wollte Sagmeister mit seinem Team
daran arbeiten; sieben Jahre sind es geworden.
Was ist Glück? Wie wird man glücklich? Zu große Fragen, fand der Designer
nach einiger Beschäftigung mit dem Thema, um sie ernsthaft bearbeiten zu
können. Für die Zwecke des Films hat er sich daher auf sein eigenes
Glücksstreben und – noch wichtiger, denn Sagmeister ist Systematiker – das
Messen des eigenen Glücksempfindens beschränkt.
Das, so stellt sich heraus, ist verwirrend genug. In der Anfangssequenz
sieht man Menschen Ballons aufblasen. Es werden sehr viele Ballons
aufgeblasen in diesem Film. Diese hier sind dafür gedacht, zusammen als
Traube einen Riesenballon zu bilden. An ihm, so der Plan, soll Sagmeister
in die Luft schweben. Der aber scheitert, denn der Designer wiegt zu
schwer. Statt seiner ist es schließlich seine Freundin, die am Glücksballon
in den Himmel enthoben wird. „I love it!“ hört man sie rufen.
Es ist wohl das schönste der vielen metaphorisch gedachten Tableaus, aus
denen dieser Film zusammengesetzt ist, der das Glück im wahrsten Sinne des
Wortes durchzubuchstabieren versucht. Das Denken in Buchstaben, das
Grafikdesigner verinnerlicht haben, lebt Sagmeister hemmungslos aus. Da
werden Worte in Obst geschnitzt, wachsen Schriftzüge aus Ästen, lecken
Haustiere Buchstaben aus Milch auf, tanzen balinesische Tänzerinnen in
opulenten Kostümen ein ganzes Buchstabenballett.
Das ist insgesamt unglaublich aufwendig gemacht und steht in keinem
Verhältnis zum Inhalt. Mal steht da „happiness“, dann vielleicht „keepin…
diary supports personal development“ oder auch „make the first step“. Sie…
immer toll aus, ist oft aber ziemlich schwer zu lesen.
## Zuerst Meditation, dann Verhaltenstherapie
Eine Art Storyboard gibt es auch, das vorsieht, dass Sagmeister, um seinem
persönlichen Glücksempfinden auf die Sprünge zu helfen, je drei Monate lang
jeweils eine andere Methode im Selbstversuch ausprobieren soll. Zuerst
Meditation, dann Verhaltenstherapie, schließlich Psychopharmaka. Dabei
passiert Folgendes: Bei der Meditation in Bali trifft der Designer auf eine
ehemalige Studentin und verliebt sich. Nach kurzer Zeit folgt die Trennung.
Während der Verhaltenstherapie fliegt er nach Österreich und trifft dort
eine gute alte Freundin. Sie beginnen eine Beziehung, die bald wieder
vorbei ist. Zum Dritten: Nach einer schrecklichen Woche auf einem milde
dosierten Antidepressivum lernt Sagmeister eine junge Frau kennen, in die
er sich leidenschaftlich verliebt. Nach zehn Tagen macht er ihr einen
Heiratsantrag. (Im Vergleich der drei Therapiemethoden schneiden die
Psychopharmaka in puncto Steigerung des Glücksempfindens mit weitem Abstand
am besten ab.) Nach dem Absetzen der Tabletten beginnen die ersten
Konflikte.
Das ist, so von außen betrachtet, natürlich ein durchschaubares Muster; und
es nötigt Respekt ab, wenn sich da einer so schonungslos vor den Augen der
Öffentlichkeit entblößt. Natürlich ist vieles, oder das meiste, inszeniert
(zum Beispiel wenn der Österreicher mit seiner deutschen Freundin vor der
Kamera Englisch spricht) und damit im Prinzip eine erzählerische Fiktion,
was dem Ganzen eine gewisse Hintergründigkeit verleiht.
## Allgegenwärtiger Buchstabenzauber
Insgesamt reicht diese Hintergründigkeit allerdings nicht sehr weit hinter
den allgegenwärtigen Buchstabenzauber. Am Schluss erklärt Stefan Sagmeister
sein Projekt für mehr oder weniger gescheitert. (Man darf das wohl
teilweise für Ironie halten. Seine Vortragsreihe und die Ausstellung zum
Glücksthema, die er während der Zeit der Dreharbeiten konzipierte, waren
derweil ungemein erfolgreich.)
Das macht natürlich nichts, denn auch das Scheitern beinhaltet ja eine
Erkenntnis – jedenfalls für den Filmemacher selbst. Für viele andere
dagegen wird es kaum eine neue Einsicht sein, dass sich Glück weder messen
noch per Willenskraft erzwingen lässt. Zuzusehen, wie es einer vergeblich
versucht, ist trotzdem anregend. Nicht zuletzt deshalb, weil alles soo gut
aussieht. Fast könnte man Lust bekommen, mal wieder die Wohnung
aufzuräumen.
5 Jan 2017
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Glück
Kino
Norwegen
Virtual Reality
Tschechien
Doku
Film
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