# taz.de -- Krimi „Die Nacht von Rom“: Wo die Mafia an der U-Bahn mitbaut | |
> Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini lassen „Die Nacht von Rom“ | |
> anbrechen. Sie orientieren sich in ihrem Krimi an sehr realen Vorbildern. | |
Bild: Reales Vorbild? Trauerzug für den mutmaßlichen Mafioso Vittorio Casamon… | |
Papst Franziskus ruft im Frühjahr 2015 das Heilige Jahr der Barmherzigkeit | |
aus. Seine Worte bleiben in Rom nicht unerhört: Auch in der Politik, in der | |
Wirtschaft und in der Unterwelt gerät darauf einiges in Bewegung. | |
Allerdings weniger der Barmherzigkeit wegen, sondern um Geschäfte zu | |
machen. Die U-Bahn-Linie C, eines der städtischen Großprojekte und bis | |
heute nur in Teilen verwirklicht, gerät zum vornehmlichen Objekt der | |
Begierde. | |
In „Die Nacht von Rom“, dem jüngsten Krimi und der zweiten Zusammenarbeit | |
des Richters Giancarlo De Cataldo mit dem Journalisten Carlo Bonini, bietet | |
dieses Szenario, in dem Realität und Fantasie aufs Engste miteinander | |
korrespondieren, den Anlass für einen heftigen Unterweltkrieg, in dem es um | |
die Sicherung von Aufträgen einerseits und die damit verbundene | |
Vorherrschaft unter den Kriminellen andererseits geht. Das Duo knüpft damit | |
an seinen Krimierfolg „Suburra“ an, in dem ein Teil der Protagonisten schon | |
als Personal vorhanden war. | |
Da ist etwa der einst faschistische Gangsterboss Samurai, der in „Die Nacht | |
von Rom“ mittlerweile im Gefängnis sitzt, von wo aus er immer noch die | |
Geschäfte weiterführt. Des Weiteren sein Stellvertreter, der Baulöwe | |
Sebastiano Laurenti, eigentlich ein Schöngeist ohne kriminelle Ambitionen, | |
der durch widrige Umstände aber zum Anwärter auf die Thronfolge des Chefs | |
der Unterwelt geworden ist. | |
In „Suburra“ konnte man noch seine unfreiwillige Kriminalisierung | |
mitverfolgen, nun hat er sich mit seiner neuen Rolle abgefunden. Auch der | |
korrupte Politiker Temistocle Malgradi, der für Samurai bei Abstimmungen | |
schon mal die nötigen Mehrheiten beschafft, ist wieder mit von der Partie. | |
Wie real die Vorbilder sind, an denen sich De Cataldo und Bonini | |
orientieren, lässt sich an der Figur des Bürgermeisters ablesen. Martin | |
Giardino, der alles richtig machen will und damit fast alle gegen sich | |
aufbringt, ist dem römischen Bürgermeister Ignazio Marino nachempfunden, | |
der mit dem Fahrrad zum Dienst fuhr und nach gut zwei Jahren von der | |
eigenen Partei praktisch aus dem Amt gemobbt wurde. | |
## Korrupte Durchtriebenheit | |
Die Partito Democratico insgesamt, die Partei des jüngst zurückgetretenen | |
Präsidenten Matteo Renzi, erscheint dabei in keinem günstigen Licht: Die | |
Figur Chiara Visone, eine junge Abgeordnete, hat als Karrieristin etwa | |
wenig für Gewerkschaften und Ähnliches übrig. Selbst von der korrupten | |
Durchtriebenheit ihres Kollegen Malgradi trennt sie am Ende nur wenig. | |
Das Buch folgt einem streng szenischen Aufbau, jedes Kapitel ist in | |
kleinere Abschnitte unterteilt, denen eine knappe Orts- und Zeitangabe | |
vorangestellt ist. So schalten De Cataldo und Bonini elegant zwischen den | |
zahlreichen Figuren hin und her, verschaffen Orientierung im | |
Parallelgeschehen. Mit diesen harten Schnitten erzeugen sie zugleich eine | |
noch brutalere Wirkung ihrer an Gewaltanwendung nicht gerade armen | |
Geschichte. Über weite Strecken zeigen sie ihre Protagonisten jedoch beim | |
Verhandeln, beim Komplotteschmieden oder einfach beim Streiten – unter | |
Politikern wie unter Gangstern. | |
Das finstere Bild, das De Cataldo und Bonini von Italien im Allgemeinen und | |
von Rom im Besonderen zeichnen, ist bewusst überspitzt. Zugleich lassen die | |
beiden wenig Zweifel daran, dass sie weit mehr beabsichtigen, als sich mit | |
ihren literarischen Mitteln über die italienischen Eliten – gleich welcher | |
Gruppierung – lustig machen zu wollen. Die Mafia Capitale ist schließlich | |
keine Erfindung: Roms faschistischer Exbürgermeister Gianni Alemanno, | |
Marinos direkter Vorgänger, muss sich seit Juli 2016 wegen Bestechung durch | |
die römische Mafia vor Gericht behaupten. | |
10 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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