# taz.de -- Bericht zum Doping russischer Sportler: Staatlich gespritzt | |
> Mit gigantischem Aufwand hat Russland nach Angabe der Antidopingagentur | |
> Sportbetrüger beschützt. Mehr als 1000 wurden überführt. | |
Bild: 12 Gewinner waren gedopt: Fröhliche Sportler repräsentieren Russland in… | |
Richard McLaren [1][begann seine Pressekonferenz] mit einer Hammeraussage. | |
„Tausend russische Sportler profitierten in den Jahren 2011 bis 2015 von | |
der Dopingverschwörung in Russland.“ Darunter waren zahlreiche | |
Kaderathleten, besonders Teilnehmer an den Olympischen Spielen von London | |
2012 und Sotschi 2014 sowie der Leichtathletik-WM 2013. Aber auch Sportler | |
ohne internationale Meriten, ja selbst Nachwuchssportler konnten sich der | |
Hilfe von Funktionären und Angestellten der Dopinglabors in Moskau und | |
Sotschi sicher sein. | |
Das kann man der umfangreichen Dokumentation zum 151 Seiten langen | |
McLaren-Report entnehmen. Der Report ist im Internet auf www.wada-ama.org | |
veröffentlicht, die Dokumentation findet sich auf | |
www.ipevidencedisclosurepackage.net. Darin kann man die Mail-Korrespondenz | |
des damaligen Leiters des Moskauer Labors, Grigori Rodchenkov, mit | |
Verbindungsleuten zu Sportminister Witali Mutko nachlesen, in der auch über | |
„Mädchen“ gesprochen wird, deren Proben „gesäubert“ werden sollen. | |
Insgesamt 247 Seiten ist allein diese Korrespondenz über „Safe“ – also | |
säubern – und „Quarantine“ – dem regulären Analyseprozess zuführen �… | |
Darin tauchen Leichtathleten, Hockeyspieler, Gewichtheber, Boxer, Ruderer, | |
Radsportler und Schwimmer auf, deren positive Proben negativ gemacht werden | |
sollten. | |
Es findet sich auch eine Reihe ausländischer Sportler darunter, etwa Judoka | |
aus Deutschland und aus Belgien, deren positive Befunde aber offenbar durch | |
therapeutische Ausnahmegenehmigungen gedeckt waren. | |
McLaren strich in seiner Präsentation unterschiedliche Phasen des | |
Vertuschungssystems heraus. Eine erste, eher „chaotische“ Phase, in der | |
einfach darüber entschieden wurde, welche positiven Tests weiter zu | |
verfolgen seien und welche nicht. | |
## Auf Zeit spielen | |
Letztere wurden dann im Adams-System der Weltantidopingagentur Wada als | |
negativ eingetragen. Die Digitalspur war also negativ, während die im Labor | |
analysierte A-Probe und mit aller Wahrscheinlichkeit auch die dort | |
gelagerte B-Probe positiv waren. | |
Als im Jahr 2012 die Wada auf die glorreiche Idee kam, dass die Labore | |
automatisch die Testergebnisse ins Adams-Protokoll eintragen mussten und | |
sie auch B-Proben zur Kontrolle anforderte, mussten laut McLaren auf andere | |
Mechanismen greifen. | |
Der erste Ansatz war noch der Versuch, auf Zeit zu spielen. Die | |
Auslieferung der Proben wurde verzögert. Kamen sie dann doch im Labor in | |
Lausanne an, konnten sich die russischen Funktionäre auf Komplizen in der | |
Schweiz verlassen. Trotz des Wissens um die Bedeutung der Proben ließ der | |
damalige Laborleiter, Martial Saugy, sie nicht dauerhaft lagern, sondern | |
führte sie dem üblichen Vernichtungsprozess nach drei Monaten zu. Das ist | |
Beweismaterial, das mit Wada-Hilfe beseitigt wurde. | |
Weil man sich in Russland offenbar nicht komplett auf solche Helfer | |
verlassen wollte, wurde das schon aus dem ersten Teil des McLaren-Reports | |
bekannte zentralisierte System entwickelt. Der Urin in den Röhrchen wurde | |
ausgetauscht, entweder gegen sauberen Urin des gleichen Sportlers oder auch | |
gegen Fremdurin. | |
## Sanktionen gegen Russland? | |
Eine forensische Analyse, die McLaren anfertigen ließ, belegte bei | |
mindestens 26 Urinröhrchen winzige Kratzer, die auf ein widerrechtliches | |
Öffnen hindeuten. Bei Proben von zwei russischen Eishockeyspielerinnen, die | |
in Sotschi am olympischen Turnier teilnahmen, wurde gar männliche DNA | |
entdeckt. Bei insgesamt zwölf russischen Medaillengewinnern von Sotschi | |
wurden Manipulationen bei den B-Proben nachgewiesen. 15 Medaillengewinner | |
von London 2012 wurden ebenfalls geschützt. Fünf von ihnen haben laut | |
McLaren noch weiter ihre Medaillen. | |
Die Namen all dieser Sportler nannte McLaren wider Erwarten nicht. „Wir | |
machen sie nicht öffentlich, geben die Information aber an die betreffenden | |
Verbände weiter“, sagte er. | |
Zu Konsequenzen, also weiteren Sanktionen gegen Russland, wollte er sich | |
nicht äußern. IOC-Präsident Thomas Bach will auch erst die Arbeit der | |
beiden IOC-Kommissionen, die die Erkenntnisse des McLaren-Reports | |
vertiefen, aber auch der russischen Seite Gelegenheit zur Erklärung geben | |
wollen, abwarten. | |
Erste Bringschuld der russischen Sportfunktionäre ist aber, zumindest | |
einmal die Erkenntnisse des McLaren-Reports anzuerkennen. Aktuelle | |
Reaktionen lassen aber nicht darauf schließen. | |
9 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wada-ama.org/en/media/news/2016-12/wada-publishes-independent-mc… | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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