# taz.de -- Werkschau von Francis Kéré in München: Einfach, radikal | |
> Architekt Francis Kéré arbeitete mit Schlingensief und soll bald für die | |
> Berliner Volksbühne bauen. Eine Schau würdigt nun sein Werk. | |
Bild: Francis Kéré, Lycée Schorge in Koudougou, Burkina Faso, 2016 (Ausschni… | |
An hohen, schmalen Baumpfählen schlängelt man sich zu Beginn vorbei, um | |
weiter in die Ausstellung vorzudringen. Das Holz steht für Wald, für Urwald | |
– und für afrikanische Bauweisen, für Afrika. | |
So taucht man durch die Stämme ein in die Arbeit und in die Welt des in | |
Burkina Faso geborenen deutschen Architekten Francis Kéré. Diese wird | |
gerade in einer ersten großen Werkschau in München gezeigt, im | |
Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne. Titel: „Radically Simple“. | |
In einem Prolog schreibt Kéré, der 1965 in einem Dorf im Westen Burkina | |
Fasos nahe der Sahelzone geboren wurde, über die Initiation von | |
Jugendlichen im Wald, die Einführung in die Dorfgemeinschaft. Drei Monate | |
mussten die Jungen dort allein verbringen, um zu erfahren, „dass der Wald | |
alles bietet, was man zum Überleben braucht: Nahrung, Medizin, Rohstoffe, | |
um ein Haus zu bauen“. Er, Kéré, ging nach Europa, um zu lernen. Damit sein | |
Dorf davon profitiert. | |
Heute zählt er zu den bekanntesten Vertretern des sogenannten Social Turn | |
in der Architektur – die Hinwendung zu einer einfachen, ökologischen | |
Bauweise, welche die Menschen und deren Bedürfnisse in den Vordergrund | |
stellt. Kéré lebt in Berlin und hat dort sein Büro. | |
Gando liegt in Burkina Faso und hat 2.500 Einwohner – Kérés Heimatdorf. Es | |
hat, wie er sagt, „noch immer keinen Strom und nur begrenzt sauberes | |
Trinkwasser“. Aber in Gando gibt es mittlerweile eine Grundschule, eine | |
Oberschule, eine Bibliothek, Lehrerunterkünfte, ein Frauenzentrum und | |
Atelierwerkstätten. Alles entworfen von Kéré und gebaut von ihm und der | |
Dorfbevölkerung. Kéré hat seinen Bildungs- und Aufbruchplan für Gando | |
umgesetzt. | |
## Stampfen, pressen, polieren | |
Es sind einfache, leichte und doch intelligent konstruierte Gebäude, die | |
Francis Kéré mittlerweile in vielen Orten und Weltgegenden hinstellt. Die | |
Grundschule in Gando war sein erstes Werk, 2004 – da war er noch Student in | |
Berlin. Sie ist aus Lehmblöcken errichtet. Der Baustoff wurde aber | |
besonders behandelt, damit er bei Feuchtigkeit nicht aufweicht. Mit den | |
ganzen Bewohnern von Gando hat Kéré den Lehm gestampft, gepresst, poliert. | |
Das Dach aus Wellblech ist erhöht aufgesetzt, schwebend und leicht schräg. | |
So wird die Schule natürlich belüftet und gekühlt, in Burkina Faso kann es | |
bis zu 45 Grad heiß werden. „Die Kinder lieben ihre Schule“, sagt Kéré �… | |
den Bau in einem Film. Oft verwendet der Baumeister auch die langen | |
Holzpfähle, etwa beim Lycée Schorge in der Stadt Koudougou in Burkina Faso, | |
wo sie das Dach tragen. | |
Alles ist so einfach wie möglich und aus regionalen Baustoffen erstellt. | |
„Was vor Ort ist, wird zum Bauen genutzt“, sagt Kéré. Die Bevölkerung we… | |
wie es gemacht wird. In einem in der Ausstellung zu sehenden Film ist Kéré | |
in Gando zu sehen, wie er mit den Bewohnern im Kreis sitzt und den Plan für | |
das Frauenzentrum erklärt. | |
Es soll ein Versammlungsort sein und zugleich ein Getreidespeicher. Die | |
Leute auf dem Dorf fragen nach, stellen skeptische Fragen, machen dann aber | |
begeistert mit. Diese Art des Bauens kostet nicht viel, mit seiner Stiftung | |
sammelt der Architekt Geld dafür. | |
Francois Kérés Leben ist gezeichnet von einem fast unheimlich wirkenden | |
Aufstieg, der afrikanische Dorfjunge geht einem Akademikerberuf in einer | |
großen westlichen Metropole nach. Als er sieben Jahre alt war, schickte ihn | |
sein Vater aus Gando fort in eine Schule im nächstgrößeren Ort. Er war | |
überhaupt das erste Kind des Dorfs, das eine Schule besuchte. | |
Es folgte eine Tischlerlehre. 1985 bekam er von der Carl-Duisberg-Stiftung | |
ein Stipendium für eine zweijährige Ausbildung zum Entwicklungshelfer in | |
Berlin. Danach kehrte Kéré aber nicht zurück nach Burkina Faso, sondern er | |
machte in Deutschland das Abitur und studierte Architektur. | |
Spätestens seit 2012 ist Francis Kéré ein international bekannter | |
Architekt. Er entwarf das von dem Theaterregisseur und Filmemacher | |
Christoph Schlingensief initiierte Operndorf Afrika, das 30 Kilometer | |
entfernt von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou liegt. | |
Ein Schaffen, das sich globalisiert hat | |
Schlingensief, der 2010 starb, wollte damit einen kulturellen Begegnungsort | |
schaffen und aus den Stereotypen ausbrechen, die Afrika hauptsächlich als | |
einen Ort von Hunger, Leid und Gewalt beschreiben. Mittlerweile gibt es | |
dort einen größeren Schulkomplex, Wohnhäuser und eine Krankenstation. Das | |
Kernstück, das Festspielhaus, ist aber noch nicht errichtet. | |
Die Münchner Ausstellung gibt einen breiten Überblick über Kérés Schaffen, | |
das sich globalisiert hat. Er plant und baut in anderen afrikanischen | |
Ländern, liefert in Deutschland Entwürfe ab, ist in China und den USA | |
aktiv. Am Berliner Flughafen Tempelhof plant er eine Art mobiles modernes | |
Amphitheater für die Volksbühne – es soll unter Leitung des zukünftigen | |
Intendanten Chris Dercon dort entstehen. | |
Doch Gando ist die Konstante seines Werks und seines Lebens. Er ist | |
regelmäßig dort, in dieser Landschaft mit roter Erde und grünen Feldern und | |
Wäldern. Bauen in seinem Dorf und anderswo, sagt er, funktioniert mit „clay | |
and community“ – mit „Lehm und Gemeinschaft“. | |
20 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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