# taz.de -- Petition zu Perspektiven an der Uni: Hinterm Pult waren alle weiß | |
> In der Vorlesung „Klimawandel in Afrika“ an der Freien Universität Berlin | |
> unterrichtete niemand aus Afrika. Das darf nicht sein. | |
Bild: Es komme auf die wissenschaftliche Perspektive an, nicht auf die Hautfarb… | |
Um zu zeigen, was sie stört, greift Lilian Seffer zu einem Gedankenspiel. | |
„Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu einer Vorlesung zum Klimawandel in | |
Europa. Und alle Vorträge werden von Wissenschaftler*innen aus Afrika | |
gehalten. Die Vorlesung würde nicht ernst genommen, so ein Szenario wäre | |
nicht vorstellbar“, sagt die ehemalige Studentin der Freien Universität | |
Berlin. | |
An ihrer früheren Hochschule aber, kritisiert Seffer, passiere derzeit | |
genau das, nur umgekehrt. In der Ringvorlesung „Klimawandel in Afrika“ an | |
der Freien Universität fehlten afrikanische Stimmen. An acht Donnerstagen | |
sollten acht verschiedene Redner*innen hinterm Pult stehen, alle waren | |
weiß. | |
Gemeinsam mit einer Gruppe Studierender und Alumni wollte sie das ändern. | |
„[1][Decolonise the FU]“, also „Die Universität entkolonialisieren“, so | |
lautet der Titel ihrer Petition. Die Initiator*innen fordern, dass | |
Studierende die Möglichkeit haben, auch die Perspektiven afrikanischer | |
Forscher*innen kennenzulernen. Doch den Initiatoren geht es um mehr als nur | |
um die Ringvorlesung zum Klimawandel. | |
Die Auswahl der Redner*innen dort sei symbolisch für ein größeres Versagen, | |
sagt Seffer. An deutschen Hochschulen werde zu oft über Afrika gesprochen, | |
ohne die Perspektive der Bewohner*innen des Kontinents einzubeziehen. Anne | |
Storch, Professorin am Afrikanistik-Institut der Universität zu Köln, sieht | |
das ähnlich. Rein weiße Tagungen in ihrem Fach seien die Norm. | |
## Eine postkoloniale Perspektive | |
Zwar studierten und promovierten an den Hochschulen, auch durch ein | |
funktionierendes Fördersystem, zahlreiche Menschen aus afrikanischen | |
Ländern, ebenso unterrichteten afrikanische Kolleg*innen in Seminaren und | |
Sprachkursen. „Spätestens im Wettbewerb um Professuren stoßen sie dann an | |
eine tief hängende gläserne Decke.“ Sprachliche Hindernisse oder Probleme | |
mit dem Aufenthaltstitel etwa können wissenschaftliche Karrieren verzögern. | |
Lilian Seffer und ihre Mitstreiter*innen denken das auch – und wollen die | |
gläserne Decke durchbrechen; sie wollen Vorschriften. Von der Freien | |
Universität Berlin fordern sie, eine postkoloniale Perspektive in den | |
Lehrplänen zu verankern. Feste Regeln zur Besetzung offener Stellen sollen | |
außerdem mehr Vielfalt garantieren. | |
Ob sie damit Erfolg haben, ist jedoch ungewiss. Sie könne das Anliegen der | |
Petition verstehen, sagt die Schirmherrin der kritisierten Vorlesung, | |
Juniorprofessorin Bettina Engels. Um Referent*innen aus Afrika einzuladen, | |
fehle allerdings das Geld, die Anreise sei schließlich in der Regel sehr | |
weit. | |
Kritisch sehen FU-Professor*innen die Vorschläge zur Stellenbesetzung. | |
Bernd Ladwig prüft als Vorsitzender der Ausbildungskommission Lehre in der | |
Politikwissenschaft eingehende Lehrangebote. Es komme auf die | |
wissenschaftliche Perspektive an, nicht auf Herkunft und Hautfarbe. | |
Einen Grund zur Freude gibt es für Seffer und ihre Mitstreiter trotzdem. | |
Nach Veröffentlichung der Petition hat eine eingeladene Sprecherin ihren | |
Platz geräumt. Statt ihr spricht jetzt ein afrikanischer Kollege, der an | |
der Universität Bonn forscht. Manchmal ist Stimmenvielfalt auch ohne viel | |
Geld zu haben. | |
10 Dec 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.change.org/p/freie-universt%C3%A4t-berlin-allerh%C3%B6chste-zei… | |
## AUTOREN | |
Helen Müller | |
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