| # taz.de -- Merkel auf dem CDU-Parteitag in Essen: „Ihr müsst mir helfen“ | |
| > Angela Merkel wird zum neunten Mal zur CDU-Vorsitzenden gekürt. Doch es | |
| > gibt Zeichen, dass es ihr letztes Mal gewesen sein könnte. | |
| Bild: Sie bleibt: Kanzlerin Angela Merkel | |
| Essen taz | Angela Merkel hat es wieder geschafft. Beim Bundesparteitag | |
| ihrer CDU in Essen ist sie von den 1.001 Delegierten im Amt der | |
| Bundesvorsitzenden bestätigt worden. 89,5 Prozent der abgegebenen Stimmen – | |
| das ist ordentlich für eine Kandidatin, die zuletzt immer stärker in die | |
| Kritik geraten war. | |
| Zentraler Satz von Merkels 78-minütiger Rede ist dieser zur | |
| Flüchtlingskrise: „Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, soll | |
| und darf sich nicht wiederholen. Das war und ist unser und mein erklärtes | |
| politisches Ziel.“ Da hat sie gerade einmal drei Minuten gesprochen. | |
| Es war klar, hier richtet sich die Vorsitzende nicht nur an die Delegierten | |
| in der Essener Grugahalle. Sie sendet zugleich ein Signal nach München, wo | |
| CSU-Chef Horst Seehofer ein ums andere Mal versichert, mit der Festlegung | |
| einer „Obergrenze“ für Flüchtlinge in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. | |
| Merkel wendet sich aber auch an jene Wählerinnen und Wähler, die der CDU | |
| abhanden zu kommen drohen und zur AfD abwandern. Ob sie sie erreichen kann, | |
| wird sich zeigen. Doch in Essen wird Merkels Demutsgeste honoriert. | |
| Es war schon zuvor klar, dass die Vorsitzende ihr Ergebnis von vor zwei | |
| Jahren nicht würde wiederholen können. 97 Prozent hatte sie damals in Köln | |
| geholt. Ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt bekam sie vor zwölf Jahren in | |
| Düsseldorf mit 88 Prozent. Da war sie gerade vier Jahre im Amt und führte | |
| im Jahr darauf ihre CDU in die Regierung. Die 89,5 Prozent von Essen sind | |
| respektabel. | |
| ## Druck auf die Schwächsten | |
| Denn nach den globalen und innenpolitischen Krisen der zurückliegenden | |
| anderthalb Jahre brodelt es an der CDU-Basis. Mitglieder gefallen sich in | |
| Kritik an ihrer Vorsitzenden, die bis vor gar nicht so langer Zeit noch | |
| alles debattenfrei geregelt hatte. Andere wieder kümmern sich konkret um | |
| Flüchtlinge. Für sie zählt die „von Gott geschenkte Würde eines jeden | |
| einzelnen Menschen“. So hat es ihre Vorsitzende vor Jahresfrist beim | |
| Karlsruher Parteitag formuliert. Eine bewegende Rede war das gewesen. | |
| Vergleicht man Merkels Auftritt in Essen mit jener Aufbruchstimmung, die | |
| sie noch 2015 zu entfachen vermocht hatte, wird spürbar: Dies könnte das | |
| letzte Mal gewesen sein, dass sie ihre Parteifreunde gebeten hat, sie zu | |
| ihrer Vorsitzenden zu wählen. Gleich mehrere Anzeichen sprechen für diese | |
| These. | |
| Man erkennt das schon beim Studium des Leitantrags. Angela Merkels | |
| Bundesvorstand lässt zu, dass der Druck auf die Schwächsten im Land, die | |
| Flüchtlinge, wächst – und damit weiter den Vorbehalten von rechts Raum | |
| gegeben wird. | |
| Zum Zweiten muss man schon fest die Hände auf die Ohren pressen, um die nur | |
| wenig verdruckst geführten Nachfolgedebatten auf diesem Parteitag zu | |
| überhören. Merkel ist seit sechzehn Jahren Parteivorsitzende, seit elf | |
| Jahren Kanzlerin. Sie selbst könne es kaum glauben, sagt sie. Dennoch ist | |
| die Kritik an ihr zuletzt immer lauter geworden. Dass sie noch einmal an | |
| der Spitze ihrer Partei in den Bundestagswahlkampf zieht, hat auch damit zu | |
| tun, dass eine nicht zu übersehbare Nachwuchslücke klafft. Wer könnte | |
| Merkel ersetzen, sollte sie irgendwann ihren Posten räumen? Mal ist daher | |
| von Ursula von der Leyen als eine Art Zwischenpäpstin die Rede. Die | |
| Bundesverteidigungsministerin ist kaum jünger als Merkel, in der Partei | |
| selbst ist die blitzgescheite Frau ziemlich unbeliebt. | |
| ## Es fehlt die Begeisterung | |
| Dann fällt der Name Julia Klöckner. Die Landeschefin von Rheinland-Pfalz | |
| gilt seit der verlorenen Wahl vom März dieses Jahres aber als angeschlagen. | |
| Jens Spahn, Nachwuchshoffnung aus NRW, stünde bereit. Dem Staatssekretär im | |
| Bundesfinanzministerium fehlen aber die höheren politischen Weihen. Ein | |
| anderer Name fällt in den Gängen immer wieder. Es ist der von Thomas | |
| Strobl, dem Innenminister aus Baden-Württemberg. Strobl, einst mächtiger | |
| Landesgruppenchef in Berlin, gilt als machtbewusst und gerade so | |
| Merkel-kritisch, dass ihm die Parteifreunde folgen könnten. | |
| Aber bis diese Frage akut wird, folgen sie der Frau aus der Uckermark. | |
| Angela Merkels Rede ist über weite Strecken derart ereignisarm, dass man | |
| sich fragt, wie es um ihren Machtanspruch tatsächlich bestellt sein mag. | |
| Soziale Marktwirtschaft, gesellschaftliche Identität, innere Sicherheit – | |
| über eine sehr lange Strecke arbeitet sie die Brot-und-Butter-Themen der | |
| CDU ab. Der Applaus ist freundlich. Doch es fehlt die Begeisterung. | |
| Die stellt sich erst – und dann auch nur kurz – ein, als Angela Merkel ihre | |
| Beweggründe für ihre erneute Kandidatur darlegt, sowohl als | |
| Kanzlerkandidatin als auch als Parteivorsitzende. „Du musst, du musst, du | |
| musst erneut antreten“, hätten ihr viele gesagt. Das habe sie gefreut, „das | |
| Gegenteil wäre auch nicht schön gewesen“, frotzelte sie. Aber: „Ihr müss… | |
| ihr müsst, ihr müsst mir helfen“, bittet sie nun ihre Partei. Es ist einer | |
| dieser ganz wenigen Momente, in denen der Applaus fast stürmisch wird. | |
| Durchaus bemerkenswert ist, dass Merkel so offensichtlich zum Teilen von | |
| Verantwortung bereit ist, dass sie gar um Unterstützung bittet. „Ich habe | |
| euch einiges zugemutet, das weiß ich sehr wohl“, duzt sie ihre | |
| Parteifreunde an. Sie sei bereit, im Wahlkampf neue Antworten auf neue | |
| Fragen zu geben. Gleichwohl werde sie „nicht über jedes Stöckchen springen, | |
| das mir hingehalten wird“. Das klingt fast wagemutig und nach einem | |
| bewegten Wahljahr. | |
| Am Ende verweigert ihr jedeR Zehnte im Saal die Stimme. Noch immer ist | |
| Merkel alternativlos in ihrer Partei. Mit Betonung auf noch. | |
| 6 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Maier | |
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