| # taz.de -- Mobilität mit dem Rollstuhl: Macht Euch frei! | |
| > Warum Fahrkurse für Erwachsene ebenso wichtig sind wie für Kinder. Ein | |
| > Plädoyer für mehr Bewegung auf den Reifen. | |
| Bild: David Lebuser nimmt einem Jugendlichen die Angst vor der Rampe | |
| Mobilität ist in der heutigen Zeit enorm wichtig. Für uns ist es ganz | |
| normal, dass wir kurze Strecken zu Fuß, mittlere mit der Bahn und lange | |
| Strecken beispielsweise mit dem Auto fahren – oder mit dem Fahrrad. All das | |
| lernen wir in der Regel von klein auf, indem wir uns das von den anderen | |
| abschauen und es dann nachmachen. Doch was machen Kinder, die nie laufen | |
| lernen oder Menschen, die nicht mehr laufen können – wegen eines Unfalls, | |
| Krankheit oder Behinderung? | |
| Meist wird Mobilität mit dem offensichtlich „Normalen“ in Verbindung | |
| gebracht, also wird erst mal das Laufen trainiert. Doch für | |
| Rollstuhlnutzer, selbst für welche, die noch laufen können, ist das oft | |
| nicht die effizienteste Methode. Wir sollten also zuerst lernen, mobil zu | |
| sein und dabei sollte nicht entscheidend sein, wie man mobil ist, sondern | |
| dass man mobil ist. | |
| Die Stärken stärken, sollte im Vordergrund stehen, und somit sollte man | |
| gehbehinderten Menschen, Kindern wie Erwachsenen, das Rollstuhlfahren | |
| beibringen. Wenn man selbstbestimmt in der Lage ist, ein Ziel in seiner | |
| Umgebung zu erreichen, dann wird man auch einfacher und motivierter weitere | |
| Ziele in Angriff nehmen können. Das kann dann Laufenlernen sein, ein guter | |
| Schulabschluss oder der (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben. | |
| Vor allem Kinder brauchen daher ein gutes Rollstuhltraining, denn selten | |
| gibt es rollstuhlfahrende Vorbilder im engeren Bekanntenkreis. Sinnvoll ist | |
| es auch, gelegentlich Sportangebote für Rollstuhlfahrer zu nutzen, damit | |
| die Kinder auf eine spielerische Art und Weise voneinander lernen können. | |
| Rollstuhl- und Mobilitätskurse gibt es nicht nur für Kinder, denn auch | |
| Erwachsene, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, benötigen eine gute | |
| Einweisung in den Gebrauch des Rollstuhls. | |
| Effizientes Handling | |
| So eine Einweisung besteht aus deutlich mehr, als aus Unterweisungen wie | |
| man den Rücken einklappt oder die Räder abnimmt und wo man die | |
| Schiebegriffe einstellt. Vielmehr muss man lernen, sich mit dem Rollstuhl | |
| effektiv und Kraft sparend zu bewegen, zu lenken und zu bremsen, damit man | |
| das Gerät im Griff hat. Weiter gilt es zu lernen, wie man Bordsteinkanten | |
| sicher hoch und runter kommt und auch, wie man Menschen anleitet zu helfen, | |
| wenn eine Barriere mal zu groß ist. | |
| Solche Kurse werden unter anderem vom Deutschen Rollstuhl-Sportverband e. | |
| V. angeboten, und von diesem gibt es auch eine Übersicht aller Kurse in | |
| Deutschland. Auf www.rollstuhl-fahren-lernen.de kann man schauen, welche | |
| Termine anstehen. Für Kinder und Jugendliche kann man auch speziell bei den | |
| Rollikids auf www.rollikids.de schauen und nach Kindersportangeboten in der | |
| Nähe fragen. | |
| Ist man auf einen Rollstuhl für das tägliche Leben angewiesen, sollte auch | |
| die Krankenkasse die Kosten für so einen Kurs übernehmen. Das bestätigte | |
| 2012 das Sozialgericht in Oldenburg: „Gesetzlich versicherte | |
| Rollstuhlfahrer haben einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für einen | |
| Mobilitäts- und Rollstuhltrainingskurs.“ Doch oft sehen das die | |
| Krankenkassen anders. Es heißt, für die Einweisung sei der | |
| Leistungserbringer, also das Sanitätshaus, zuständig. Aber haben die | |
| Sachbearbeiter der Krankenkassen ihren Führerschein auch beim Autokauf im | |
| Autohaus gemacht? | |
| Gerade für ein selbstbestimmtes Leben ist es enorm wichtig, mobil zu sein. | |
| Je mobiler und selbstbestimmter sie das machen können, desto besser werden | |
| sie sich entwickeln. Auch ein erwachsener Mensch wird sein Leben besser | |
| gestalten können, wenn ihm seine Mobilität möglichst einfach gemacht wird. | |
| Individuelles Training | |
| Nur wenn Hilfsmittelversorgung und die Schulung in den Gebrauch des | |
| Hilfsmittels individuell auf die Situation des Menschen mit Behinderung | |
| abgestimmt sind, wird auch eine optimale Teilhabe am Leben möglich sein. | |
| Wenn wir also wieder mal von Inklusion reden, dürfen wir dies auf keinen | |
| Fall außer Acht lassen. | |
| Nicht das Laufen ist als normal anzusehen, sondern die Freiheit, sich | |
| bewegen zu können. Wenn der Rollstuhl erst mal beherrscht wird, ist auch | |
| das Bahnfahren oder das Autofahren kein großer Schritt mehr. Unabhängig von | |
| Alter, Behinderung oder Rollstuhlversorgung empfehle ich allen betroffenen | |
| Menschen, sich über die Möglichkeiten zu informieren und an so einem | |
| Rollstuhl-Training teilzunehmen. Die Mobilitätskurse gibt es für alle | |
| Altersgruppen, für Aktiv- und auch für E-Rollstuhlfahrer. | |
| 4 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| David Lebuser | |
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