| # taz.de -- Debatte EU und Türkei: Klare Kante gegen Erpressung | |
| > Die EU muss ihr Appeasement gegenüber Erdoğan aufgeben. Die Resolution | |
| > ist der Anfang einer neuen Politik der klaren Worte und Taten. | |
| Bild: Winken zum Abschied: Wer erpresst, ist kein Partner | |
| Der türkische Staatspräsident Erdoğan wirft europäischen Politikern gern | |
| vor, den Willen der türkischen Bevölkerung zu ignorieren. Die Europäer | |
| würden seine Politik kritisieren, obwohl sie von einer Mehrheit im | |
| Parlament getragen werde. | |
| Doch Europas Politiker sind schließlich nur ihren Wählern gegenüber | |
| verantwortlich, deren Vertreter das Europäische Parlament ist. Deshalb | |
| täten sie gut daran, die Türkei-Resolution des Europäischen Parlaments vom | |
| Donnerstag auch dann hochzuhalten, wenn die Türkei wütend reagiert. | |
| Denn die Resolution ist klug. Sie empfiehlt Brüssel, die Beitrittsgespräche | |
| mit der Türkei so lange auf Eis zu legen, bis Ankara den Rechtsstaat und | |
| die Menschenrechte wieder respektiert. Die Resolution ist das richtige | |
| Signal an die türkische Bevölkerung, die von Erdoğans dreister Aushöhlung | |
| der Demokratie und der Demontage des Rechtsstaats verwirrt ist. Der blutige | |
| Putschversuch im Juli beförderte die Orientierungslosigkeit. | |
| Die mit großer Mehrheit verabschiedete Resolution signalisiert den Menschen | |
| in der Türkei nun unmissverständlich: Ein gleichberechtigter Platz in | |
| Europa ist für euch reserviert – aber ihn einzunehmen hat klare | |
| Bedingungen. Der Schlüssel dafür liegt nicht in Brüssel, sondern in Ankara. | |
| Dass dieses Signal so eindeutig ist, macht Erdoğan nervös. „Die EU will uns | |
| dazu zwingen, den Beitrittsprozess aufzugeben“, tönt der Herrscher in | |
| Ankara, der selbst bekennendermaßen gegen eine EU-Mitgliedschaft ist. Er | |
| weiß aber auch, dass seine Wähler den Weg nach Europa grundsätzlich für | |
| richtig halten. | |
| Um aus diesem Dilemma zu kommen, nutzt Erdoğan die Zaghaftigkeit Europas | |
| aus. Denn Politiker in Berlin, London und Paris tun sich schwer mit klaren | |
| Worten. Sie reden gerne davon, „die Gesprächskanäle offen zu halten“. Sie | |
| haben Angst davor, dass der Flüchtlingsdeal scheitert. Auch davor, dass die | |
| Türkei dem Westen den Rücken kehrt. Dabei gibt gerade ihr | |
| Appeasementgeschwurbel gegenüber Ankara Erdoğan freie Hand, all dies | |
| tatsächlich zu tun. | |
| ## Brüssel braucht Alternativen zum Flüchtlingsdeal | |
| Unter dem Deckmantel des Flüchtlingsdeals will das Regime in Ankara im | |
| Bürgerkrieg in Syrien mitmischen. Erdoğan will eine No-fly-Zone im Norden | |
| Syriens einrichten. Angeblich für Flüchtlinge. Eigentlich sollen aber von | |
| Ankara unterstützte islamistische Milizen vor den Toren Aleppos ohne Angst | |
| vor russischen Luftschlägen agieren können, wo die Nachschubwege aus der | |
| Türkei vor Angriffen des Regimes und der Kurden gesichert sind. Das geht | |
| nur, wenn der Westen mitmacht. Diese Unterstützung will er durch Erpressung | |
| mit Flüchtlingen erreichen. Als erste Reaktion auf die EU-Resolution drohte | |
| er denn auch postwendend mit der Öffnung der Grenzen. | |
| Der Flüchtlingsdeal kann nicht im Interesse Europas sein. Brüssel muss | |
| dringend Alternativen ausarbeiten. Genauso, wie der Westen Alternativen zum | |
| Nato-Militärstützpunkt im türkischen Incirlik finden muss, den er für seine | |
| Militäroperation gegen den IS nutzt. | |
| Das Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche wäre ein Schritt in die richtige | |
| Richtung. Ein weiterer wird in der EU-Resolution erwähnt: die Zollunion. | |
| Wie das EU-Parlament andeutet, könnte hier eine Suspendierung der Gespräche | |
| wirksame und ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen für das Land am | |
| Bosporus haben. | |
| Nicht zuletzt muss auch die europäische Zivilgesellschaft eine Rolle | |
| spielen. Anstatt den lebensnotwendigen Tourismus in die Türkei zu | |
| boykottieren, kann sie mittels Kampagnen und Debatten europäische | |
| Großinvestoren wie Daimler oder Siemens daran erinnern, dass Geschäfte mit | |
| Unrechtsregimen unmoralisch sind. | |
| Solche Maßnahmen schließen die „Gesprächskanäle“ nicht. Europas Bürger… | |
| Politiker haben jetzt die Chance, sich zu beweisen, dass man es auch mal | |
| ernst mit seinen Werten meint. | |
| 25 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Cem Sey | |
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