| # taz.de -- Bewaffnete Kämpfe in Birma: „Boykottiert Aung San Suu Kyi!“ | |
| > Im westlichen Teilstaat Rakhine bekämpfen sich Militär und bewaffnete | |
| > Angreifer. Leidtragende ist die muslimische Minderheit der Rohingya. | |
| Bild: Eine Rohingya-Familie vor den Resten eines abgebrannten Marktes | |
| Rangun taz | Während am Dienstag in der Hauptstadt Naypyidaw EU-Delegierte | |
| mit Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi beim Dialog für | |
| Menschenrechte über Rechtsstaatlichkeit debattierten, Hände schüttelten und | |
| in Kameras lächelten, flohen in Birmas (Myanmars) Teilstaat Rakhine wie | |
| jeden Tag Tausende Zivilisten vor dem Militär. Beobachter werfen Soldaten | |
| dort Menschenrechtsverletzungen vor. Von Erschießungen und Vergewaltigungen | |
| ist die Rede. Human Rights Watch wertete Satellitenbilder aus und versuchte | |
| so nachzuweisen, dass fast 1.300 Häuser im mehrheitlich von muslimischen | |
| Rohingya besiedelten Nordrakhine niedergebrannt worden seien. | |
| Was dort tatsächlich vorgeht, ist unklar. Seit am 9. Oktober Angreifer mit | |
| Macheten und Steinschleudern auf Posten an der Grenze zu Bangladesch | |
| losgingen und neun Polizisten töteten, ist das Gebiet für unabhängige | |
| Beobachter und ausländische Reporter gesperrt. Hunderte Zivilisten | |
| versuchen über den Grenzfluss nach Bangladesch zu fliehen, wo man sie nicht | |
| haben will. Hundert Menschen sollen bisher gestorben sein. Genaues weiß | |
| niemand. | |
| Die Regierung beschuldigt Muslime, für den Angriff auf die Grenzer | |
| verantwortlich zu sein. Rasch nach Festnahme der mutmaßlichen Täter wies | |
| sie auf deren Verbindungen zu ausländischen Terrorgruppen hin. | |
| Internationaler islamistischer Terror ist seither in Birma, wo Muslime zwei | |
| Prozent der Bevölkerung ausmachen und systematisch diskriminiert werden, | |
| erstaunlicherweise kein großes Thema geworden. Stattdessen werden in der | |
| Staatszeitung Global New Light of Myanmar fast täglich Bilder von | |
| mutmaßlichen muslimischen Angreifern gedruckt, die mit Knüppeln oder | |
| Schleudern bewaffnet gewesen seien, als man sie fasste. | |
| Rakhine ist einer von Birmas ärmsten Teilstaaten und mehrheitlich | |
| muslimisch bevölkert. Seit Jahren plagen interreligiöse Spannungen die | |
| Region. 2012 eskalierte der Konflikt. Hunderte starben, mehr als 100.000 | |
| wurden von den Unruhen vertrieben und leben seither in gettoartigen Lagern | |
| ohne Zugang zu Krankenhäusern, Arbeit oder Schulen. | |
| Besonders das Schicksal der Rohingya, von den Vereinten Nationen als eine | |
| der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt bezeichnet, erregt | |
| internationale Aufmerksamkeit. Die Mehrheit der Birmesen lehnt sie als | |
| illegale Einwanderer aus Bangladesch ab. Neuerdings bildet die Regierung | |
| Zivilisten in Rakhine in Schnellkursen zu Hilfspolizisten aus und bewaffnet | |
| sie. | |
| Dass Aung San Suu Kyi als De-facto-Regierungschefin mit dem nach wie vor | |
| mächtigen Militär kooperieren und Kompromisse finden muss, war abzusehen. | |
| Doch dass die Friedensnobelpreisträgerin sich im aktuellen Konflikt derart | |
| auf der Seite des Militärs positioniert, schockiert viele. Der | |
| exilbirmesische Politikwissenschaftler und Menschenrechtsaktivist Maung | |
| Zarni warnt vor einem „Völkermord wie in Srebrenica“ und vor „Pogromen an | |
| den Rohingya“. Auf seiner Facebookseite fordert er: „Boykottiert Aung San | |
| Suu Kyi!“ | |
| Einer ihrer Sprecher bezichtigte Human Rights Watch, Teil einer | |
| Verschwörung zu sein, um Birmas Ruf zu schädigen. Um die Narrative des | |
| Konflikts mitzugestalten, füttert ein neues Nachrichtenkomitee der | |
| Regierung die Medien jetzt mit Pro-Militär-Propaganda. „Staatspräsidentin | |
| Aung San Suu Kyi hat kürzlich behauptet, die Regierung würde nach | |
| rechtsstaatlichen Prinzipien auf die Situation in Rakhine reagieren. Aber | |
| mir ist nicht bekannt, dass die Regierung bisher irgendwie versucht hätte, | |
| dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen nachzugehen“, erklärte die | |
| UN-Menschenrechtsbeauftragte für Myanmar, Yanghee Lee. Da auch | |
| Hilfslieferungen nicht in die Konfliktzone vorgelassen werden, befürchten | |
| die Vereinten Nationen eine humanitäre Katastrophe. | |
| „Hat die Regierung nichts zu verstecken, sollte sie auch kein Problem damit | |
| haben, Journalisten und Menschenrechtsexperten Zugang zu gewähren,“ sagt | |
| Brad Adams von Human Rights Watch. | |
| 23 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Verena Hölzl | |
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