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# taz.de -- Israelisches Start-up Supermeat: Fleisch selbst machen
> Ein israelisches Start-up will bald Fleisch verkaufen, das ohne tote
> Tiere auskommt. Die Zellkulturen sollen zu Hause herangezüchtet werden
> können.
Bild: Das Fleisch aus der Zellkultur soll auch gesünder werden als das aus her…
Berlin taz | Die Frau blickt herausfordernd in die Kamera. „Hühner sind
lecker“, sagt sie. „Aber Hühner sind niedlich. Fleisch essen, ohne Tiere zu
töten: Schreiben Sie sich unseren Namen auf!“ Mit dem Video wirbt das
israelische Start-up Supermeat für eine Crowdfunding-Kampagne.
Mit Erfolg: Für das Forschungsprojekt sind schon über 200.000 US-Dollar
zusammengekommen, das ist doppelt so viel, wie das Start-up sich zum Ziel
gesetzt hatte.
Das Neuartige an der Idee der Firma aus Tel Aviv: Ihr Supermeat soll aus
Zellkulturen herangezüchtet werden, und zwar in kleinen Fleischmaschinen,
die direkt im Supermarkt stehen, im Restaurant oder beim Kunden zu Hause.
„100 Prozent Fleisch, 0 Prozent Tierleiden“, so der Slogan. Ob das
realistisch ist?
Das Fleisch entsteht aus Muskelstammzellen lebender Tiere, die dann
künstlich vermehrt werden. An dieser Alternative zur millionenfachen
Schlachtung von Tieren arbeiten ForscherInnen schon seit einigen Jahren.
Bisher konnte das Petrischalenfleisch allerdings nicht mit echtem Fleisch
mithalten. Der erste „In vitro“ erzeugte Burgerbratling, den ein
niederländisches Forschungsteam 2007 präsentierte, kostete 250.000 Euro und
schmeckte extrem fade – er enthielt kein Fett, sondern bestand komplett aus
Muskelfleisch. Das war aber nur ein Prototyp. Forschungsteams und Start-ups
weltweit entwickeln derzeit die Idee weiter.
## Reines Werbesprech
Denn Laborfleisch soll viele Probleme lösen. „Es könnte 40 Prozent weniger
Energie brauchen“, schreibt etwa die Non-Profit-Forschungsorganisation New
Harvest in einer Studie. Es soll 96 Prozent weniger Treibhausgase
freisetzen, als in der Tiermast entstehen, und über 90 Prozent weniger
Wasser und Land brauchen. Im Supermeat-Film klingt das so: „Die globale
Erwärmung stoppen – check. Das Hungerproblem der Welt lösen – check.“
Das ist noch reines Werbesprech. „Die Bioreaktoren für die
Fleischproduktion brauchen viel Strom. Es kommt auch darauf an, mit welcher
Art von Fleisch man es vergleicht – Massenproduktion oder Ökofleisch“, sagt
die Philosophin Arianna Ferrari, die am Karlsruher Institut für Technologie
zu den Auswirkungen von In-vitro-Fleisch forscht. Die
Treibhausgasemissionen könnten im Vergleich zur konventionellen Herstellung
von Rindfleisch tatsächlich geringer sein, nicht aber bei der von Geflügel.
Die Start-ups argumentieren nicht nur mit Klimaschutz. Fleisch aus der
Zellkultur soll auch gesünder werden als das aus herkömmlicher Zucht. Weil
es in einem geschützten, sterilen Umfeld entsteht, enthalte es weniger
Krankheitserreger als herkömmliches Fleisch – und kann womöglich ohne
Antibiotika erzeugt werden, so die Idee.
Einige ForscherInnen planen, die Zusammensetzung zu verändern.
Petrischalensteak könnte dann nach Rind schmecken, aber so viele
Omega-3-Fettsäuren enthalten wie Lachs. Ohne Beifang und Schlachterei.
## Hühnerfleisch für fünf US-Dollar pro Kilo
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Im Moment entstehen im Labor nur
kleine Muskelfäden, die zu Fleischnuggets zusammengeklebt werden.
„Echtes Gewebe herzustellen ist schwer“, sagt Katrin Zeilinger. Die
Stammzellforscherin vermehrt an der Berliner Charité Leberzellen mit
Bioreaktoren. „Dass das jemand schon im großen Maßstab geschafft hat, ist
mir nicht bekannt“, sagt Zeilinger. Wie im Körper brauchen die Laborzellen
eine bestimmte Temperatur, Sauerstoff und Nährstoffe. Ohne Blutgefäße ist
das schwierig. Oft wird ein Nährboden aus Kälberserum verwendet. Ein
Unternehmen, das keine Tiere töten will, braucht auch hier Alternativen.
Supermeat gibt an, bereits auf rein pflanzlichen Nährböden Zellen vermehrt
zu haben. In fünf Jahren wollen sie Hühnerfleisch für höchstens fünf
US-Dollar pro Kilo im Supermarkt verkaufen. Zeilinger hält das für
unrealistisch. „Unser Bioreaktor in der Charité hat 500 Euro gekostet – und
damit könnte man kein Kilo Fleisch herstellen. An den Preis, den Supermeat
nennen, müssten sie schon drei bis vier Nullen dranhängen.“
Wenn In-vitro-Fleisch auf den Markt kommt, wird es vermutlich eher mit
teurem Öko- als mit Billigfleisch konkurrieren. Die Herausforderung ist,
die Produkte so weit zu verbessern, dass sie auch geschmacklich mithalten
können – und die Vorbehalte bei den KonsumentInnen zu überwinden. Für viele
klingt die Idee noch beängstigend, gesundheitlich bedenklich oder
abstoßend.
Wenn man nicht so viel Wert auf die Vermarktbarkeit legen müsste, könnte
die Forschung schneller vorangehen. Am besten kennen sich
WissenschaftlerInnen weltweit nämlich mit dem Vermehren von Mäuse- und
Rattenzellen aus. Aber In-vitro-Rattenburger, das klingt nicht so super.
14 Nov 2016
## AUTOREN
Marie Kilg
## TAGS
Fleisch
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Landwirtschaft
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