# taz.de -- Pfusch in französischem AKW: Zwölf Reaktoren abgeschaltet | |
> In mindestens 18 Kraftwerken steckt minderwertiger Stahl. Auch die | |
> Atomaufsicht zeigt sich „beunruhigt“. Sie hätte das Problem kennen | |
> müssen. | |
Bild: Ohne den Neubau in Flamanville wäre das Sicherheitsproblem womöglich we… | |
Paris taz | Jetzt hält auch Pierre-Franck Chevet die Situation in der | |
französischen Atomenergieproduktion für „sehr beunruhigend“, der | |
Vorsitzende der französischen Behörde für atomare Sicherheit (ASN). Anlass | |
ist die Erkenntnis, dass der Pfusch bei der Herstellung wesentlicher | |
Bestandteile mehrerer Atomkraftwerke deutlich verhängnisvollere Folgen | |
haben kann, als bisher behauptet wurde. Zwölf Reaktoren sind bereits | |
abgestellt. | |
Publik wurde der Skandal wegen des Baus der neuen | |
Druckwasser-Reaktor-Anlage in Flamanville im Mai 2016. Teile, die von der | |
zum Atomkonzern Areva gehörenden Stahlgießerei Creusot Forge stammen, | |
weisen einen zu hohen Anteil an Kohlenstoff auf. Das kann die | |
Widerstandsfähigkeit vermindern und so die Sicherheit gefährden. | |
Insgesamt sollen 18 Reaktoren sollen betroffen sein. Die ASN verlangte eine | |
eingehende Überprüfung, in deren Folge zwölf Reaktoren abgeschaltet werden | |
mussten. | |
Der Stromproduzent Electricité de France (EDF) rechnet diese Bilanz schön: | |
Sechs Reaktoren hätten bereits die Erlaubnis zur Inbetriebnahme erhalten, | |
die anderen würden nach Kontrollen spätestens Ende Januar wieder ans Netz | |
geschaltet, erklärte er per Communiqué. Chevet hält dem nun entgegen, erst | |
nach Auswertung der Ergebnisse durch die ASN könne es eventuell grünes | |
Licht für eine Wiederinbetriebnahme geben. | |
## Stromimporte im Winter denkbar | |
Mit seinen 58 Atomreaktoren hat Frankreich immer Strom exportiert. Zum | |
ersten Mal seit Jahrzehnten droht nun im Winter ein Mangel an Elektrizität. | |
Wenn die Stromzufuhr nicht unterbrochen werden soll, müssen Frankreichs | |
Energiekonzerne auf Importe zurückgreifen, erwägt Chevet. | |
Diese absehbaren Engpässe sind die Folge einer langjährigen Vertuschung. | |
Die Qualitätsmängel bei der Herstellung von Druckwasserbehältern waren | |
intern mindestens seit 2006 bekannt. Damals nämlich übernahm die staatliche | |
Areva die Stahlgießerei und entdeckte bei einem Audit ein | |
heruntergekommenes Werk und zahlreiche Organisationsmängel. | |
Laut dem französischen Nachrichtenmagazin Le Nouvel Obs hieß es in dem | |
Bericht: „Es hatte rumänische Schwarzarbeiter, die nur nachts eingesetzt | |
wurden. Ihre Ausrüstung war dermaßen unter den Sicherheitsnormen, dass die | |
Audit-Experten am Werkboden Spuren von geschmolzenen Schuhsohlen fanden.“ | |
Zudem habe „ein ehemaliges Direktionsmitglied (....) befreundete Zulieferer | |
begünstigt, seine Spesenrechnungen aufgebläht und falsche Rechnungen | |
ausgestellt“. | |
## Modifizierte Dossiers | |
Jean-Luc Mercier von der Gewerkschaft CGT schildert, wie sich das auf die | |
Organisation auswirkte: „Um Zeit zu gewinnen, neigten einige Chefs dazu, | |
ohne Erlaubnis bereits zur nächsten Etappe überzugehen und den | |
Arbeitsrhythmus zu beschleunigen.“ Ein namentlich nicht genannter | |
Mitarbeiter erklärt, wie Creusot sich Aufträge sicherte: „Um Konkurrenten | |
auszuschalten und Marktanteile zu erobern, wurden die Dossiers modifiziert, | |
und hopp, da waren wir die Besten der Welt.“ | |
All das war der staatlichen Atomwirtschaft seit mindestens zehn Jahren | |
bekannt. Erst vier Jahre danach wurde eine gezielte Qualitätsprüfung der | |
Reaktordruckbehälter angeordnet, die in der Mehrheit der französischen AKW | |
verwendet werden. Selbst als französischen Medien den Schleier lüfteten, | |
versuchte Areva diese Probleme weiter zu verharmlosen. | |
Greenpeace Frankreich und sechs andere Verbände haben Klage gegen EDF | |
eingereicht. Der Vorwurf: „fahrlässige Gefährdung von Menschenleben“ und | |
„betrügerische“ Darstellung der Lage. | |
24 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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