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# taz.de -- Nachruf auf Schauspiel-Legende: Liebling Krug
> Manfred Krug war von der DDR geprägt, in der Bundesrepublik populär vor
> allem durch den „Tatort“. Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren gestorben.
Bild: Anwalt der Herzen: Manfred Krug als „Liebling Kreuzberg“
Berlin taz | Sein Entrée in die bundesdeutsche Szene hat er sich rasch
besorgt. 1977 wurden er und seine Familie [1][aus der DDR ausgewiesen]. Sie
durften in den „Westen“ ausreisen, nachdem er, Manfred Krug, für die
ostdeutschen Politiker sehr vernehmlich, die Ausbürgerung Wolf Biermanns
kritisiert hatte.
Sosehr es auch das Regime schmerzte, aber diesen Mann würde man ohnehin
nicht halten können: Krug war [2][als Schauspieler in seinem Land eine
unumstrittene Figur], ein Idol, ein Verehrter, einer, mit dem man sich gut
identifizieren konnte.
1937 in Duisburg geboren, mitten im Ruhrpott, der Vater Ingenieur in einem
Stahlwerk, blieb er nach der Scheidung der Eltern kurz nach dem Krieg bei
ihm – Mutter und Bruder Roger blieben in Westdeutschland – und lebte fortan
in der DDR in Hennigsdorf bei Berlin.
Er lernte zunächst den Beruf des Stahlschmelzers, dann, nach dem Abitur auf
einer Abendschule, durfte er endlich die Schauspielschule besuchen – Krugs
Aufstieg zum Lieblingsmimen der DDR war möglich, weil dieser Mann stets
eine gewisse Zartheit durchschimmern ließ, in allen Rollen, aber zugleich
den Robusten, den Kämpfer, den niemals zu Duckmäuserei Aufgelegten gab.
Seine Tonalität war die eines brummelig Gutmütigen, der aber körperlich
keinen Zweifel daran ließ, dass man bei ihm nicht mit Hasenfüßigkeit
rechnen sollte.
Berühmt wurde er durch eine Rolle, in der ihn bis zum Ruin der DDR 1989 nur
wenige sahen: Frank Beyers „Spur der Steine“ war ein Film, in dem Krug den
Arbeiter Hannes Balla gab. Die Geschichte war brisant, weil dieser Arbeiter
sich mit seinen Kollegen über die ineffiziente Planwirtschaft der DDR
beschwerte und in Sonderheit das Bonzensystem anprangerte.
Der entscheidende Punkt in dieser Produktion war aber, dass Krug auch
körperlich, so oberhalb der Hose entblößt wie im US-Kino nur Burt Lancaster
gefällig, zu sehen war: ein Mann wie ein Baum, ohne stählern oder wie die
Wiederkehr eines Nazirecken zu wirken. Das war, nun ja, ein ausgesprochen
appetitlicher Anblick. Fragt man Kolleginnen seiner Generation, wie sie ihn
denn damals (oder später) fanden, erntet man, stets mit dem Hinweis,
namentlich nicht genannt zu werden, leuchtende Augen: „Zum Anbeißen!“
## Frauen fanden ihn hinreißend
Krug wusste mit seiner Prominenz prima umzugehen – und war Teil der
[3][DDR-Künstlerboheme] auf das Einkömmlichste. Künstlerische Freiheiten
gab es natürlich nur begrenzt, aber er verstand sich nie als
Oppositioneller. Erst als Wolf Biermann nach seinem Köln-Konzert 1976 nicht
mehr in sein Land zurückreisen durfte und neben vielen anderen auch Krug
gegen diese Ausbürgerung protestierte, war es des Duldens zu viel – man
hätte, ließ er sich später in der Bundesrepublik vernehmen, sonst an
Selbsterstickung gelitten.
Ermöglichte Krug, wie es sein Bruder Roger einmal behauptete, sich die
relativ glatte DDR-Ausreise, indem er mit der Stasi einen Deal einging? Der
Künstler und seine Familie konnten ihren Staat verlassen, allerdings musste
Krug sein Tagebuch mit für die Staatssicherheit verwertbarem Material über
DDR-Kollegen hinterlassen. Manfred Krug klagte, weil er brisante Stellen in
diesem Notizbuch geschwärzt habe – und verlor: Jüngst erst kassierte das
Bundesverfassungsgericht ein Urteil des Berliner Kammergerichts, in dem die
Zeitschrift Gong für die Behauptung des Bruders zu einer
20.000-Euro-Geldstrafe verurteilt worden war.
Krug machte in der Bundesrepublik faktisch dort weiter, wo er in der DDR
aufgehört hatte. Allerdings musste er sich seinen Ruf als jovial gesinnter
Volksschauspieler erst wieder erarbeiten.
Es folgten Rollen (als Trucker) in der Serie „Auf Achse“, in der
„Sesamstraße“, dann der (Wieder-)Durchbruch als Anwalt fürs Alltägliche,
als „Liebling Kreuzberg“, zu dem sein Freund, DDR-Schriftsteller Jurek
Becker, die meisten Drehbücher verfasste hatte.
Schließlich, zwischen 1984 und 2001, war er, mit seinem Kompagnon Charles
Brauer, im „Tatort“ des NDR als Kommissar Paul Stoever unterwegs – diese
Rolle trug wesentlich dazu bei, dass die ARD-Reihe das kriminalistische
Feld verließ und sich weniger auf ziselierte Drehbucharbeit und mehr auf
die schiere Popularität seiner Hauptrollen verließ: Krug und Brauer hatten
am Ende eines Falls immer ein Lied zu singen, gern im Jazz-Style.
## Er machte Soul, der wie Jazz klingt
Die letzten Jahre lebte Krug von Werbeeinnahmen und kleineren Rollen – am
liebsten aber von Auftritten als Sänger. Schon in der DDR war er ein
famoser Sänger, etwa auch im Duett mit Etta Cameron, der dieses Genre vor
der kunstreligiösen Erdrosselung bewahrte. Ein Krug, so lobten Kritiker,
macht Soul, der wie Jazz klingt: rau, ohne an vokalem Feinsinn zu
verlieren.
Im Übrigen ist Krug bei einer Publikumsbefragung vor einigen zum
zweitbeliebtesten „Tatort“-Helden aller Zeiten gewählt worden – hinter G…
George. Anders als dieser war der im wahren Leben tatsächlich im Ruhrgebiet
geborene Mann immer nah an proletarischer Geselligkeitslust, er liebte das
Feiern und Trinken und Essen – von Kritik an Dekadenz hielt er gar nichts.
Man habe ja nur ein Leben – und das möchte doch bitte ausgekostet werden.
Vorigen Freitag, am 21. Oktober, dies wurde erst jetzt bekannt, ist er nach
vielen Krankheiten in Berlin gestorben. Er hinterlässt seine Frau Ottilie
und vier Kinder.
27 Oct 2016
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## AUTOREN
Jan Feddersen
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