# taz.de -- Man Booker Preis für Paul Beatty: Harter Stoff, auch literarisch | |
> Der US-amerikanische Schriftsteller bekommt für seine „fröhliche | |
> Hemmungslosigkeit“ den renommierten britischen Literaturpreis. | |
Bild: Paul Beatty bei der Preisverleihung in London am Dienstagabend | |
Seine Bücher haben „wilden Witz“. Das wird Paul Beatty nun von der | |
wichtigsten Jury der englischsprachigen Literaturwelt attestiert. Der Roman | |
„The Sellout“ des 52-jährigen US-amerikanischen Schriftstellers wurde mit | |
dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Dabei ist das Buch harter Stoff, auch | |
literarisch, wie Paul Beatty selbst in seiner Dankesrede gesagt hat. | |
Mit „fröhlicher Hemmungslosigkeit“, so wiederum die Jury, werden alle | |
Klischees um ethnische und Klassenzugehörigkeit in den USA satirisch | |
zugespitzt. Der afroamerikanische Ich-Erzähler landet wegen | |
Wiedereinführung der Sklaverei und Rassentrennung vor dem Obersten | |
Gerichtshof. | |
In der englischsprachigen Kritik wurde die Preisverleihung sofort als | |
Versuch gesehen, die eher traditionellen Erzählformen huldigende | |
Jonathan-Franzen-Welt der Literatur durcheinander zu wirbeln. | |
„The Sellout“ gibt es noch nicht auf Deutsch. Aber Beatty ist in | |
Deutschland kein Unbekannter. Zwei frühere Bücher sind übersetzt worden: | |
„Der Sklavenmessias“ und „Slumberland“. Zum letzteren Roman gibt es eine | |
Geschichte zu erzählen. | |
## Die Kneipe in Berlin | |
Und zwar ist das „Slumberland“ eine Kneipe in Berlin. Als Paul Beatty für | |
sein Buch in der deutschen Hauptstadt recherchierte, saß er dort häufig | |
herum und war sehr angetan von der weltoffenen Atmosphäre. Ohne dass daraus | |
ein großes Ding gemacht wird, mischen sich in dem Laden weiße und schwarze | |
Gäste aller möglichen Herkünfte. Das hat Beatty so gut gefallen, dass er | |
nicht nur sein Buch nach der Gaststätte benannte, sondern dort auch eine | |
Lesung gab. | |
Die Sache ist nur die: Die Lesung ist, wie Besucher berichteten, bei den | |
anwesenden Stammgästen nicht so gut angekommen. Der Text war ihnen zu | |
kompliziert. Ein Schwarzer wird im Roman zum Ossi, ein Nazi zum Schwarzen, | |
harter Stoff der experimentellen Identitätsauflösung halt. | |
Das Unverständnis der Stammgäste spricht nicht gegen den Roman. Sondern nur | |
dafür, dass es etwas anderes ist, in multikulturellen Stadtvierteln wie | |
Berlin-Schöneberg jenseits identitärer Hegemonien zu leben, als identitäre | |
Zuschreibungen literarisch auszuhebeln. Letzteres bedarf oft noch | |
literaturkritischer Vermittlungsarbeit. | |
Zum Glück hat die Jury des Man Booker Preises interessierter reagiert. | |
Offenbar hat der nun preisgekrönte Roman „The Sellout“ noch gar keinen | |
deutschen Verlag. Das wird sich bestimmt bald ändern. | |
26 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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