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# taz.de -- DKPler über sein de facto-Berufsverbot: „Für mich ist das absur…
> Bayerns Geheimdienst blockiert seinen Uni-Job. Er werde jedoch nicht
> klein beigeben, sagt der Kommunist Kerem Schamberger.
Bild: Die ehrwürdige Ludwig-Maximilians-Universität in München, noch kommuni…
taz: Herr Schamberger, seit mehr als drei Monaten verhindert der bayerische
Verfassungsschutz, dass Sie eine halbe Doktorandenstelle an der Münchner
Ludwig-Maximilians-Universität antreten. Wie ist das möglich?
Kerem Schamberger: Im Juni habe ich mich um die Stelle am Institut für
Kommunikationswissenschaft und Medienforschung beworben. Dabei musste ich
den sogenannten Verfassungstreue-Bogen ausfüllen, wo man angeben muss, in
welchen bösen Organisationen man Mitglied ist. Ich hab dort DKP angegeben,
ich bin einer der beiden Sprecher in München. Das Personaldezernat der Uni
muss, wenn auf dem Bogen etwas angekreuzt ist, die Bewerbung standardmäßig
an den Verfassungsschutz weitergeben. Das war Mitte Juli. Seither hat sich
der Geheimdienst nicht mehr gemeldet, obwohl die Universität mehrmals
nachgehakt hat.
Und deshalb stellt die Uni Sie nicht an?
Die Uni sagt: Sie kann mich nicht anstellen, solange der Verfassungsschutz
keine Stellungnahme abgibt zu meiner Bewerbung. Das ist ein De-facto
Berufsverbot. Für mich ist das extrem absurd. Ich habe mich in den
vergangenen Monaten sehr kritisch gegen den Abbau der Meinungsfreiheit in
der Türkei und den Aufbau der AKP-Diktatur geäußert. Ich bin Halbtürke,
meine Familie lebt dort. Einer meiner Schwerpunkte war die Einschränkung
der Meinungsfreiheit an türkischen Universitäten. Jetzt bewerbe ich mich an
einer deutschen Uni, und mir werden in einem so demokratischen Land Steine
in den Weg gelegt. Das ist ein Skandal.
Sie glauben, dass der Verfassungsschutz Sie bewusst hinhält?
Wenn man sich frühere Verbotsfälle anschaut, war das auch immer so, dass
der Verfassungsschutz den vorgesehenen Einstellungstermin hat verstreichen
lassen und damit auch klargemacht hat: Er ist in Bayern die Instanz, die
entscheidet, wer eingestellt wird und wer nicht – und nicht die
Universität. Das ist für mich auch eine Degradierung des Personaldezernats
der LMU und auch meines Instituts, die nicht zu akzeptieren ist.
Sie sind Kommunist. Stehen Sie zur freiheitlich-demokratischen
Grundordnung?
Natürlich stehe ich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ich bin
gegen Unrecht und Willkür, ich bin für Parteienkonkurrenz, ich bin für den
Parlamentarismus. Für mich sind das bürgerliche Errungenschaften und
Freiheiten, die es auf jeden Fall zu bewahren gilt. Vor allem in Zeiten, wo
wir in Europa einen Rechtsruck und einen Abbau bürgerlicher Freiheiten
haben. Womit ich jedoch nicht einverstanden bin, ist, dass unsere
Demokratie automatisch an Kapitalismus und Marktwirtschaft gekoppelt ist.
Diese Kritik und diese Diskussion lasse ich mir nicht nehmen.
Ihre Partei, die DKP, hat die kommunistischen Verbrechen unter Stalin nie
verurteilt. Wie sehen Sie das?
Für mich war die Oktoberrevolution 1917 der erste Versuch einer echten
gesellschaftlichen Emanzipation. Ich finde die marxistische Analyse auch
nach wie vor hochaktuell. Klar ist aber auch: In der DDR und in der
Sowjetunion wurden individuelle Freiheitsrechte eingeschränkt. Die Ära
Stalin ist genau das Gegenteil von dem, was ich unter Sozialismus verstehe.
Das sehen nicht alle in der Partei so. Ich gehöre zum Flügel, der die
Partei öffnen will.
Wie steht die Hochschule zu Ihrer kommunistischen Haltung?
Meine politische Überzeugung spielt dort keine Rolle. An meinem Institut
kennen sie mich als Studenten und als langjährigen Fachschaftssprecher. Und
sie wollen mich als Wissenschaftler anstellen. Bisher erlebe ich mein
Institut als sehr solidarisch.
Während des Kalten Kriegs kam es in Deutschland zu Tausenden Berufsverboten
gegen links denkende Bürger. Wie zeitgemäß ist es, den Verfassungsschutz zu
ideologischen Fragen zurate zu ziehen?
Berufsverbote hatten damals in der 70er und 80er Jahren keine Legitimität
und haben sie heute noch viel weniger. Es gibt den Systemkonflikt nicht
mehr, meine Partei ist derzeit auch nicht mehr so mitgliederstark wie
früher. Ich würde außerdem generell davon abraten, den Verfassungsschutz zu
ideologischen Fragen heranzuziehen, wenn ich an seine Verstrickung in den
NSU-Skandal denke. Über Verfassungs- oder ideologische Fragen soll das
Parlament entscheiden, nicht eine Instanz wie der Verfassungsschutz, der
auf dem rechten Auge blind ist.
Was machen Sie, wenn der Verfassungsschutz nicht bald Stellung nimmt?
Meine Anwältin Herta Däubler-Gmelin sagt, dass man erst nach sieben Monaten
juristisch gegen Amtsuntätigkeit vorgehen kann. Wir stehen in Kontakt mit
Abgeordneten des Landtags, darunter auch solchen, die im Parlamentarischen
Kontrollgremium des Verfassungsschutzes sitzen. Denkbar wäre hier eine
parlamentarische Anfrage. Wenn alles nichts bewirkt, muss ich zusammen mit
meiner Anwältin weitere Schritte überlegen. Aber da steht noch alles offen.
Die Gesinnungsprüfung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg. Sie
könnten das Bundesland verlassen.
Vorerst halten ich, mein Institut und mein Professor an der Stelle fest.
Ich bin überzeugt, dass ich sie bald antrete. Ich muss aber zugeben, dass
es für mich belastend ist, nichts zu tun. Ich werde aber nicht klein
beigeben und in ein anderes Bundesland gehen. Den Gefallen tue ich ihnen
nicht.
25 Oct 2016
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Berufsverbot
DKP
Kommunisten
Verfassungsschutz
Schwerpunkt AfD
Berufsverbot
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