# taz.de -- Post vom Bremer Stadtamt: Arbeitsverbot für Linksgesinnten | |
> Das Stadtamt will einem Türsteher die Arbeit verbieten, angeblich weil er | |
> wegen Körperverletzungen aufgefallen ist. Der eigentliche Grund: seine | |
> „linke Gesinnung“. | |
Bild: Türsteher Mark T. auf der Bremer Diskomeile: Als Linker sei er zu polize… | |
Ein Brief vom Stadtamt trifft Mark T.* wie ein Schlag: Anfang Juli wird ihm | |
mitgeteilt, er dürfe nicht mehr arbeiten. Mark T. ist seit vier Jahren | |
Türsteher. Neben einer Sachkundeprüfung wurde 2010 auch seine | |
Zuverlässigkeit überprüft, so will es das Bremer Gaststättengesetz. Damals | |
lief alles ohne Beanstandung, seitdem kontrolliert Mark T. die Gäste auf | |
Veranstaltungen oder vor Diskotheken auch auf der Diskomeile. Den Job macht | |
er seit ein paar Monaten sogar hauptberuflich, das Schreiben vom Stadtamt | |
wirkte für ihn wie ein Berufsverbot. Und, wie sich später herausstellt, | |
sollte es das auch sein – aus politischen Gründen: T. sollte wegen seiner | |
„linken Gesinnung“ nicht mehr arbeiten. Ein Fall, der grundsätzliche Fragen | |
zum Datenaustausch zwischen Stadtamt und Polizei und politischen | |
Berufsverboten aufwirft. | |
Aus dem offiziellen Schreiben des Stadtamtes, das T. im Juli bekommt, geht | |
das freilich vorerst nicht hervor. Weil er in den letzten fünf Jahren vier | |
Mal Tatverdächtiger wegen Körperverletzungen gewesen sei, verfüge er nicht | |
mehr über die „charakterliche Eignung“ für den Job, heißt es darin. Die | |
Behörde beruft sich jeweils auf eine Anzeige aus den Jahren 2009, 2010, | |
2013 und 2014. | |
Die letzten drei waren im Rahmen der Türstehertätigkeit. Anzeigen von | |
Gästen sind in dem Gewerbe nicht unüblich. Mark T. hatte 2010 als Türsteher | |
einen aggressiven Gast gefesselt, bis die Polizei eintraf. Das Verfahren | |
gegen T. wurde eingestellt, unter anderem, weil es womöglich Notwehr | |
gewesen sei, schreibt die Staatsanwaltschaft. Fürs Stadtamt beweist der | |
Fall T.s „niedrige Hemmschwelle“. | |
Jede Anzeige wird herangezogen | |
Dass die Anzeigen überhaupt aufgeführt werden, liegt daran, dass man sich | |
im Stadtamt zur Überprüfung von Mark T. nicht mit einem Auszug aus dem | |
Bundes-Zentralregister begnügt, sondern sowohl 2010 als auch 2014 auf | |
Auszüge polizeilicher Informationssysteme zurückgreift: auf „ISA“, | |
„Cognos“, „Nivadis“ oder „Inpol“. Anders als im Führungszeugnis si… | |
nicht nur Verurteilungen aufgeführt, sondern jede Anzeige. | |
Vorbestraft ist T. nicht, sein Auszug aus dem Zentralregister zeigt „keine | |
Eintragung“. Er wehrt sich und schaltet einen Anwalt ein. Das sofortige | |
Arbeitsverbot wird daraufhin zurückgezogen und es scheint, dass das | |
Stadtamt in der Sache einen Rückzieher machen wird. Dass es Polizei und | |
Stadtamt jedoch von Anfang an gerade nicht um einen Schutz der | |
Öffentlichkeit vor einem Türsteher ging, der tatsächlich drei, vier Mal der | |
Körperverletzung verdächtig war, das ergibt sich erst, wenn man den | |
internen Vorgang der Behörde nachvollzieht. | |
Ausgegangen war die erneute Überprüfung von T. vom Kommissariat für | |
„spezielle Strukturdelikte“, das die Türsteher auf der Diskomeile im Blick | |
hat. In einer E-Mail schreibt ein Polizist im März 2014 ans Stadtamt. Es | |
geht um Mark T.: „Er ist als politisch motivierter Täter gespeichert und | |
daher aus unserer Sicht unzuverlässig.“ Weiter heißt es, dass man sich | |
zwischen Polizei und Stadtamt ja bereits abgesprochen habe und zwar, dass | |
jemand „wegen eines Eintrags zu politisch motivierter Gesinnung [...] ohne | |
Weiteres abgelehnt werden kann“. | |
Bei der erneuten Abfrage der polizeilichen Informationssysteme war | |
herausgekommen: T. sei 2009 an einem Angriff auf die rechten Organisation | |
„AG Wiking“ in Wilhelmshaven beteiligt gewesen. Das Verfahren wurde wegen | |
„geringer Schuld und Erteilung einer Auflage eingestellt“, dennoch wurde T. | |
von der Polizei daraufhin als „Straftäter linksmotiviert“ gespeichert. Für | |
die Ermittler nun ein klarer Grund für ein Berufsverbot: „Eine solche | |
Gesinnung ist mit der Ausführung einer Türstehertätigkeit nicht in Einklag | |
zu bringen“, heißt es in einem Bewertungsschreiben ans Stadtamt. Denn: | |
„Linksmotivierte Straftäter neigen dazu, sich gegen die Polizei zur Wehr zu | |
setzen und Anweisungen nicht Folge zu leisten.“ | |
Hätte man T. gefragt, so hätte er erklärt, dass er in den vier Jahren in | |
seinem Job in fast jeder der nächtlichen Schichten mit der Polizei | |
zusammenarbeiten musste und das auch kaum anders möglich wäre. Im Stadtamt | |
aber ist man pauschal von der Nicht-Eignung eines Linken in diesem Job | |
überzeugt. Eine Sachbearbeiterin startet richtig durch: In einer E-Mail | |
fragt sie nun sogar beim Landesamt für Verfassungsschutz nach, ob | |
vielleicht nachrichtendienstliche Erkenntnisse gegen den Linken Mark T. | |
vorliegen. | |
Ausgerechnet beim Verfassungsschutz aber hat man datenschutzrechtliche | |
Bedenken. Dort will man wissen, ob eine „Prüfung der rechtlichen | |
Vorraussetzung und der Erforderlichkeit für eine Datenermittlung erfolgt | |
ist“. Für diese Zurückhaltung wird sogar um Verständnis gebeten, | |
schließlich sei „noch ein anderes Landesamt für Verfassungsschutz | |
einbezogen“ – anscheinend wurde auch der Verfassungsschutz in Niedersachsen | |
wegen T. angefragt, der kleine Dienstweg unter Bremer Behörden scheint | |
dadurch ausgeschlossen. Rechtlich wäre laut Bremer Verfassungsschutz eine | |
Auskunft aber nur zulässig, wenn Mark T. Objekte bewachen würde, von denen | |
„im Falle eines kriminellen Eingriffes eine besondere Gefahr“ ausginge: | |
Chemieunternehmen, Flughäfen oder Kernkraftwerke. | |
Eine Disko ist kein Atomkraftwerk | |
Daraufhin wird man im Stadtamt kreativ. Aus einen hausinternen Schreiben | |
geht hervor, dass nun geprüft werden sollte, ob nicht auch die Diskomeile | |
und der Freimarkt mit solchen Sabotage-empfindlichen Orten gleichzusetzen | |
seien. Denn: „Aufgrund der kritischen Einstellung bei linksorientierten | |
Personen, Mitgliedern der Hooliganszene oder auch aus dem Rockermilieu | |
gegenüber der Polizei halte ich deshalb eine Anfrage beim Landesamt für | |
Verfassungsschutz für erforderlich“, schreibt eine Stadtamts-Mitarbeiterin. | |
Dass Neonazis als Türsteher problematisch sein könnten, schreibt sie nicht. | |
Von anderer Stelle im Stadtamt wird hier nun die behördliche Irrfahrt | |
beendet: Zurück kommt eine klare Absage. Eine Disko ist kein Atomkraftwerk. | |
Obgleich diese Frage von „grundsätzlicher Bedeutung“ sei, wie es in der | |
internen Antwort heißt. | |
Grundsätzliche Fragen hat nun allerdings auch die Linksfraktion. Ende Juli | |
wandte sie sich mit einer kleinen Anfrage an den Senat, bezüglich der | |
Rechtmäßigkeit und Anzahl der Abfragen polizeilicher Informationssysteme im | |
Auftrag des Stadtamt, den Schutz der daraus erhobenen Daten und auch, wie | |
oft Menschen aus politischen Gründen abgelehnt wurden, weil sie als Linke | |
oder Rechte bekannt sind. | |
Auf Nachfrage verweist das Innenressort an den Wirtschaftssenator, der | |
gewerberechtlich zuständig sei. Dass die Polizei Daten aus ihren | |
Informationssystemen ans Stadtamt weitergibt, sei „nach dem Bremischen | |
Datenschutzgesetz zulässig“, sagte Wirtschaftsressortsprecher Tim Cordsen | |
zur taz. „Die Personen geben dafür ihr Einverständnis.“ | |
Eine Abfrage beim Verfassungsschutz habe nach seiner Kenntnis bislang in | |
keinem Fall stattgefunden, wäre aber „denkbar“ – eben bei Bewachung von | |
Sabotage-empfindlichen Objekten. Eine politische Gesinnung hingegen sei | |
„nicht einschlägig als Kriterium der Zuverlässigkeit“, so Cordsen, wohl | |
aber die Mitgliedschaft in verbotenen Parteien. Grundsätzlich würden alle | |
verfügbaren Informationen für die Überprüfung herangezogen. „Aufgrund ein… | |
politischen Gesinnung hielte der Senator für Wirtschaft Arbeit und Häfen | |
Arbeitsverbote für nicht richtig“, so Cordsen. | |
## * Name geändert | |
26 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
Jean-Philipp Baeck | |
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