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# taz.de -- Sippenhaft in Tschechien: Mitten in der Jauchegrube
> Tschechiens Präsident Milos Zeman verweigert einem Überlebenden der
> Schoah einen Orden. Dessen Neffe hatte offiziell den Dalai Lama
> getroffen.
Bild: Mal wieder voll danebengegriffen: Milos Zeman
Prag taz | Als gelerntem Klempner ist George Brady der Umgang mit
menschlichen Ausscheidungen nicht allzu fremd. Jetzt findet sich der
tschecho-kanadische Holocaust-Überlebende plötzlich mitten in der
Jauchegrube der Politik des tschechischen Präsidenten MilošZeman wieder.
Brady hatte sich bereits in die alte Heimat aufgemacht, um dort am
Staatsfeiertag, dem 28. Oktober, mit dem T.-G.-Masaryk-Orden, eine der
höchsten tschechischen Auszeichnungen, geehrt zu werden. Das hatte ihm der
Protokollchef Zemans zuvor telefonisch angekündigt.
Doch nun ist alles ganz anders. Denn Bradys Neffe ist der tschechische
Kulturminister Daniel Herman. Und der hatte es gewagt, sich den
Erpressungsversuchen des Präsidenten zu widersetzen und sich vergangene
Woche in Prag mit dem Dalai Lama getroffen.
Direkt und vor Zeugen habe ihn der Präsident bei einem Empfang in der
slowakischen Botschaft vor die Wahl gestellt, erklärte Kulturminister
Herman live in den tschechischen Hauptnachrichten: „Wenn ich mich mit dem
Dalai Lama treffe, dann wird mein Onkel von der Liste (der
Auszuzeichnenden, Anm. d Red.) gestrichen. Genau das ist passiert.“
## Beunruhigte Chinesen
Das Treffen zwischen Herman und dem Dalai Lama in Prag hatte bei den
Chinesen für einigen Unmut gesorgt. Die chinesische Seite sei sehr
beunruhigt über das Treffen von Herman mit dem tibetanischen Exilführer,
„der in der Tschechischen Republik antichinesische und separatistische
Aktivitäten durchgeführt hat“, reagierte die chinesische Botschaft auf das
Treffen.
Zeman sowie Ministerpräsident Bohuslav Sobotka und die Vorsitzenden beider
Parlamentskammern distanzierten sich daraufhin in einer gemeinsamen
Erklärung von dem Treffen, die „keine Änderung der offiziellen Politik
Tschechiens gegenüber China ausdrücken soll“.
Doch offensichtlich war die Erklärung nicht servil genug für Zeman, der
seine rektale Anbiederung an China stets mit chinesischen Investitionen
begründet. Die lassen bislang allerdings noch auf sich warten. Das
tschechisch-chinesische Handelsvolumen weist derzeit ein Minus von über 15
Milliarden Euro auf.
Ein Blick auf George Bradys Lebenslauf wirft allerdings die Frage auf,
warum er nicht schon von Zemans Vorgängern, Václav Havel und Václav Klaus
ausgezeichnet wurde. Geboren 1928 im böhmisch-mährischen Hochland hat Brady
als einziger seiner Familie Theresienstadt und Auschwitz überlebt. Vergast
wurde auch seine kleine Schwester Hana, deren Geschichte durch das Buch
„Hanas Koffer“ bekannt wurde. Seit 1951 lebt Brady in Kanada. Von dort aus
unterstützte er den gesellschaftlichen Wandel in der Tschechoslowakei.
## Aufbauhelfer für die Medien
„Niemand hat uns beim Aufbau unserer Zeitung so geholfen wie George Brady“,
sagt Michal Klima, nach der Samtenen Revolution Chefredakteur der
Tageszeitung Lidové noviny. Als die Zeitung 1990 zum Massenmedium wurde,
half Brady unter Exiltschechen rund 100.000 Dollar für die redaktionelle
Ausstattung des Blattes zu sammeln.
Dass ihm jetzt der Masaryk-Orden verwehrt wird, ist für Klima, Sohn des
Schriftstellers Ivan Klima, ein Skandal. Damit hat Zeman die Kommunisten
übertroffen, die Kinder für die Haltung ihrer Eltern verfolgt haben“, meint
Klima. Kulturminister Daniel Herman ist Zeman schon lange ein Dorn im Auge.
Der Christdemokrat und geweihte Priester setzt sich seit Langem für die
deutsch-tschechische Versöhnung ein. In diesem Jahr sprach er als erstes
tschechisches Regierungsmitglied beim Pfingsttreffen der Sudetendeutschen
in Nürnberg.
23 Oct 2016
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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Tschechien
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Holocaust
Dalai Lama
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Schwerpunkt Pegida
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