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# taz.de -- Hacken in Tschechien: Sagen, was Merkel hören will
> Rechtsextreme haben Mails von Regierungschef Bohuslav Sobotka angezapft.
> Seine Konversationen mit Beratern lassen tief blicken.
Bild: Laxer Umgang mit Mails: Tschechiens Regierungschef Bohuslav Sobotka.
Prag taz | Peinlich, wenn interne Absprachen an die Öffentlichkeit
gelangen. „Anfang März werde ich in Berlin sein und kann mit dem EU-Berater
der Kanzlerin absprechen, ob es etwas gibt, das sie hören möchte“, schrieb
der tschechische Staatssekretär für EU-Angelegenheiten Tomás Prouza an
seinen Chef, Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, drei Monate vor dessen
Berlin-Besuch im Mai 2015.
Dummerweise pflegte Bohuslav Sobotka einen offensichtlich viel zu laxen
Umgang mit seinem E-Mail-Verkehr. Der Regierungschef kommunizierte mit
seinen Beratern gerne über einen, im Internet für jedermann leicht
zugänglichen, E-Mail-Account. Zur Sicherung reichte ihm ein einfaches,
immerhin 20-stelliges, Password. Mehr nicht. Was bleibt? Schaden und Spott.
Und Erpressbarkeit.
Neonazis der Gruppierung White Power Media, eine Gruppe rechtsextremer
Hacker, haben das private Mail-Konto des Premiers geknackt. Und
veröffentlichen nun, in sorgsam abgewogener Dosierung,
E-Mail-Konversationen zwischen Sobotka und seinen Beratern.
Der vorauseilende Gehorsam gegenüber Merkel ist dabei nur die Spitze des
Eisbergs. Viel mehr Sorgen bereitet Sobotka all das, was die Nazi-Hacker
nicht veröffentlicht haben. Der Server, über den White Media operiert,
befindet sich in den USA. Bislang ist es den Tschechen nicht gelungen, an
Informationen über die Hacker zu kommen.
## Moralisch vertretbar oder nicht?
Obwohl man in Tschechien jetzt heiß darüber diskutiert, ob es moralisch
vertretbar sei, Mails aus einem privaten E-Mail-Account zu veröffentlichen,
sind die Inhalte der Mails an die Öffentlichkeit gelangt. Allen voran dank
der Tageszeitung Lidové noviny, die zum Imperium von Andrej Babis gehört,
der nebenbei auch Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident
des Landes ist.
Genug Zündstoff bieten die Mails allemal. Sobotkas Berater Ota Novotnÿ
bezeichnete die sozialdemokratische Basis in Tschechien als „sozial
frustriert, xenophob, nationalistisch und konservativ“. Ein anderer
Berater, Rudolf Jindrák, ehemaliger tschechischer Botschafter in
Deutschland, beschwerte sich, in Berlin stecke man die Tschechen in einen
Sack mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán.
Besondere Aufmerksamkeit der Neonazis galt der Migrationspolitik der
Regierung, die von Sobotka und seinen Beratern ebenfalls eifrig über den
tschechischen Freemail-Server diskutiert wurde. Die gehackten Mails
erwecken den Anschein, die tschechische Regierung plane die Bevölkerung,
die zu zwei Dritteln gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen und die EU-Quote
ist, massiv zu bearbeiten.
Sollte Sobotka gegen die Hacker vorgehen, würden sie alle seine
Konversationen veröffentlichen, ließen die Nazi-Hacker den Regierungschef
wissen. Der hüllt sich momentan lieber in Schweigen und hat die
Angelegenheit der Polizei, Abteilung Organisierte Kriminalität, übergeben.
## Nicht zum ersten Mal
Ob das etwas bringt, ist fraglich. Immerhin war es Sobotka, der lieber über
ungesicherte Mails Interna besprach, anstelle all die Möglichkeit zu
nutzen, die ihm sein Regierungsamt bietet.
Dabei ist es nicht zum ersten Mal, dass White Media die Mails von
Politikern, Aktivisten oder Journalisten hackt und danach veröffentlicht.
Schon früher haben sich Politiker, wie zum Beispiel der ehemalige
tschechische Außenminister Jan Kavan, in den USA bemüht, den Server der
Nazi-Hacker auszuschalten oder wenigstens zu entlarven.
Bislang erfolglos. Die Schadensbegrenzung besteht momentan vor allem darin,
die Weiterverbreitung der gehackten Mails als unmoralisch zu verurteilen,
die ansonsten offen auf dem Server der Neonazis für jedermann einsehbar
sind.
14 Jan 2016
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
## TAGS
Bohuslav Sobotka
Tschechien
Rechtstextreme
Sozialdemokraten
Flüchtlinge
Tschechien
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Wladimir Putin
Milos Zeman
Andrej Babis
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