# taz.de -- Julian Assange offline in Ecuador: Eine autoritäre Maßnahme | |
> Der internetlose Assange wirft Fragen auf. Etwa ob sich Wikileaks in den | |
> US-Wahlkampf einmischen sollte. Dennoch: Ihn mundtot zu machen, ist | |
> falsch. | |
Bild: Pro-Assange-Protest vor Ecuadors Botschaft in London | |
„Die Regierung Ecuadors respektiert das Prinzip der Nichteinmischung in die | |
Angelegenheiten anderer Länder, mischt sich nicht in laufende Wahlkämpfe | |
ein und unterstützt keinen Kandidaten. Aus diesem Grund hat Ecuador, in | |
Ausübung seines souveränen Rechts, zeitweise den Zugang [Julian Assanges] | |
zu Teilen seiner Kommunikationssysteme in der Botschaft im Vereinigten | |
Königreich eingeschränkt.“ So heißt es in einer am Dienstag | |
veröffentlichten Erklärung der ecuadorianischen Regierung. Ergebnis: | |
Wikileaks-Gründer Julian Assange, seit vier Jahren im politischen Asyl in | |
Ecuadors Botschaft in London, [1][hat vorerst kein Internet mehr]. | |
Seit Wochen hatte Wikileaks mit immer neuen Veröffentlichungen von | |
gehackten E-Mails die wahlkämpfenden US-Demokraten in Erklärungsnöte | |
gebracht. Wäre das nicht von den Trump-Bändern mit seinen Prahlereien zu | |
sexuellen Übergriffigkeiten überlagert gewesen, hätte das Hillary Clinton | |
im Wahlkampf extrem geschadet. | |
Dennoch geht Wikileaks davon aus, dass Ecuador auf Druck aus den USA | |
reagierte. „Viele Quellen“ hätten ihnen bestätigt, dass US-Außenminister | |
John Kerry sich am Rande der kolumbianischen Friedensfeierlichkeiten am 26. | |
September in Cartagena „mit Ecuador“ getroffen habe, [2][twitterte die | |
Organisation]. Genauer sagt es Wikileaks nicht, andere Bestätigungen für | |
ein solches Treffen gibt es nicht. | |
Plausibel allerdings ist diese Version durchaus. Im letzten Satz der | |
Erklärung von Ecuadors Regierung heißt es: „Die Außenpolitik Ecuadors folgt | |
ausschließlich souveränen Entscheidungen und beugt sich keinerlei Druck | |
anderer Staaten.“ Wenn das so ist, muss man es eigentlich nicht extra | |
hineinschreiben. Es ist eines dieser ungefragten Dementis, die eher einen | |
Verdacht bestätigen, als ihn auszuräumen. | |
## Assange per Drohne beseitigen | |
Nun kann man trefflich darüber streiten, ob Wikileaks sich mit seinem | |
Verbeißen in den Wahlkampf der US-Demokraten nicht verrannt hat. Man kann | |
diskutieren, ob Assange nicht einen Privatkrieg gegen Hillary Clinton | |
ausficht, die als Außenministerin zur Zeit der Wikileaksveröffentlichung | |
der diplomatischen US-Depeschen so sauer wahr, dass sie im kleinen Kreis | |
(sie sagt: im Scherz) sogar vorschlug, Assange einfach per Drohne zu | |
beseitigen. Man kann meinen, dass Wikileaks sich zugunsten Donald Trumps | |
instrumentalisieren lasse und diskutieren, ob die Hacks nun tatsächlich aus | |
Russland stammen, wie US-Geheimdienste behaupten. Als die Organisation | |
jüngst ihren zehnten Geburtstag feierte, war all das Thema unzähliger | |
Kommentare in allen Richtungen. | |
Was aber überhaupt nicht angesagt ist: Schadenfreude oder gar Zustimmung | |
dazu, dass Assange nunmehr einfach die Kommunikationslinien gekappt wurde. | |
Egal, wie unbequem oder auch inadäquat man die jüngsten Veröffentlichungen | |
einschätzt: Den Chef mundtot zu machen, ist eine autoritäre Maßnahme, die | |
im Rahmen demokratischer Auseinandersetzungen nichts verloren hat. | |
Zugegeben: Dass Assange seinerzeit ausgerechnet in der ecuadorianischen | |
Botschaft Zuflucht fand, hatte ein Gschmäckle, war doch Ecuadors Regierung | |
unter Präsident Rafael Correa zuvor nicht gerade als leuchtender | |
Verteidiger der Pressefreiheit aufgefallen. Zumindest nicht im eigenen | |
Land. Aus ecuadorianischer Sicht war das Asylangebot ein Propaganda-Coup – | |
und natürlich eine Provokation der USA. | |
Aber da waren Lateinamerikas Linksregierungen noch recht stark. Egal, ob es | |
nun direkten Druck der USA auf die Regierung in Quito gegeben hat oder ob | |
Ecuador sich einfach bei einer zukünftigen Präsidentin Clinton einschleimen | |
will: Der Schritt auf Assanges Kosten zeigt, dass sich die Position der | |
wenigen verbliebenen lateinamerikanischen Linksregierungen gegenüber dem | |
alten Hegemon im Norden verschoben haben: Venezuela steckt in einer tiefen | |
Krise, Brasilien und Argentinien werden von Konservativen regiert, Kuba | |
wurstelt mit der Öffnung Richtung USA und Bolivien vor sich hin – da will | |
Ecuadors Präsident wohl vorsichtiger werden. Auf Kosten der | |
Meinungsfreiheit und zur Freude der USA, die doch angeblich gerade für | |
diese weltweit streiten. | |
19 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Wikileaks-Gruender-im-Exil/!5349388/ | |
[2] https://twitter.com/wikileaks/status/788373930910314496 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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