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# taz.de -- Umstrittener Architekt: Vom bösen Bauen
> Er konnte plüschig und modern, und beides stellte er auch in Hitlers
> Dienste: Das Werk der Hamburger Architekten Cäsar Pinnau wurde
> aufgearbeitet
Bild: Nicht gerade monumental: Wohnterrasse um 1930.
Öffentliche Anerkennung wurde ihm lange verweigert, private erhielt er umso
mehr. Ein Traditionalist und einst führender Naziarchitekt: So einer passte
nicht so recht zur Nachkriegsmoderne. Doch wie vielseitig das Lebenswerk
von Cäsar Pinnau ist, stellt sich rückblickend heraus: 28 Jahre nach dessen
Tod richtet das Altonaer Museum dem Hamburger nun die [1][erste größere
Überblicksausstellung] aus. Dabei wird nicht nur an die an Elbe und Alster
zahlreichen Bauten erinnert, sondern auch der zeitgeschichtliche Kontext
reflektiert.
420 Projekte, Um- und Neubauten listet der im Hamburgischen
Architekturarchiv befindliche Nachlass auf: Das reicht von der
Inneneinrichtung des Zeppelins LZ 129 „Hindenburg“ bis zur Villa in
Hamburg-Blankenese, von der Gestaltung der japanischen Botschaft im Jahr
1942 und internationalen Fünfsternehotels in den 70er-Jahren bis hin zu
Zweckbauten für eine Brauerei. Aber es gibt eben auch die Arbeiten für
Hitler und Himmler.
Der 1906 geborene Pinnau selbst sah sich zeitlebens als jemand, der die
Prinzipien des preußischen Architekten Schinkel hochhielt. Gerade der Bezug
auf den Klassizismus freilich hat sich immer wieder ideologisch
missbrauchen lassen: Die Nazis zitierten ihn ebenso gerne, wie später die
DDR-Architektur, etwa in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt.
In deutlicher, damals kaum zeitgemäßer Referenz an das 19. Jahrhundert
nutzte Pinnau das ehemalige, 1803 an der Altonaer Palmaille gebaute
Wohnhaus des klassizistischen Architekten C. F. Hansen (1756–1845) ab 1974
als sein Atelier. Auch bei der Mitarbeit an der Planung der Berliner
„Nord-Süd-Achse“ durch Albert Speer fällt Pinnaus Beitrag durch
konservative Elemente auf.
## Er nannte sich unpolitisch
So verlockend die sehr großzügig bezahlten Visionen für einen jungen
Architekten gewesen sein müssen, bleibt die Frage nach dem
menschenverachtenden Größenwahn der Hitler’schen Planung. Es gibt dazu von
Cäsar Pinnau keine Aussagen, es gibt ungewöhnlicherweise aber auch keine
architekturtheoretischen Schriften von ihm.
Er hat sich stets als unpolitisch bezeichnet – und die Briten haben ihm das
im Entnazifizierungsverfahren geglaubt. Eine angestrebte Professur an der
damaligen Hamburger Landeskunstschule am Lerchenfeld wurde dem ehemaligen
„beauftragten Architekt des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“
allerdings 1945 verweigert.
Öffentliche Aufträge bekam er nicht mehr, aber familiär in der Hamburger
Gesellschaft gut vernetzt, konnte er zahlreiche Villen realisieren – auch
seine eigene, 1950 an der Elbchaussee gebaut.
Es gibt bei Pinnau eine um alle Politik unbekümmerte Kontinuität: Der von
ihm 1949 gestaltete Vorstandskonferenzraum der Hansa-Bank sieht nahezu
genauso aus wie das 1937 eingerichtete Konferenzzimmer in Heinrich Himmlers
„arisierter“ Dienstvilla – eine zumindest formale, vielleicht auch darüb…
hinausreichende Parallele, die für das Adenauer-Deutschland typischer ist,
als meist zugegeben.
## Bauen für Bosse
Für die „besseren“ Kreise in den 50er-Jahren wurde Pinnau jedenfalls zu
einem Lieblingsgestalter: Er entwarf für Wirtschaftswunderbosse, für
Oetker, Schliecker und Horten, ebenso wie für den internationalen Jetset –
neben Villen, Büros und Fabriken auch Schiffe, wie die inzwischen zum
Museum gewordene „Cap San Diego“.
Der größte internationale Erfolg war sicher die Gestaltung und Einrichtung
der „Christina“, der Privatjacht des Reeders und Multimillionärs
Aristoteles Onassis; aber auch dessen Konkurrent Stavros Niarchos und der
Scheich von Kuwait waren Pinnau-Kunden.
In seinen Entwürfen für die Firmenchefs referierte er auf die historischen
Villen am Hamburger Elbufer. Doch so konservativ-großbürgerlich er im
Privaten baute: Pinnaus zahlreiche Verwaltungs- und Industriebauten waren
technisch und formal an der neuesten US-amerikanischen Moderne orientiert.
Ein vorzügliches Beispiel ist das gerade erst denkmalgerecht restaurierte
Hochhaus der Reederei „Hamburg-Süd“ (1958–64): eines der ersten seiner A…
in Deutschland, mit Glasvorhangfassade und Klimaanlage. Sogar die Planungen
für den von Onassis beauftragten „Olympic Tower“ in Manhattan gehen auf
Pinnau zurück.
Stilistische Zweigleisigkeit, ein schwer kategorisierbares „sowohl als
auch“ pflegte er schon in der Ausbildung: Für Inneneinrichtungen der
30er-Jahre schlug er zugleich Historisierendes und sachlichen Bauhausstil
vor. Es dominieren Bauaufgabe und Bauherrenwünsche; die Fähigkeit, in
verschiedenen Stilen bauen zu können, findet bei Pinnau nie zu einer
ironischen Haltung oder einer zitierenden Vermischung.
## Galt unter Kollegen als Traditionalist
Die Kollegen sahen in ihm vor allem den Traditionalisten, der sich partout
nicht zur – angeblich nicht vom Nationalsozialismus kontaminierten –
Nachkriegsmoderne bekennen wollte: Die bekannteren Nachkriegsarchitekten
rechtfertigten sich stets damit, auch für das NS-Regime in modernen Formen
gebaut zu haben – meist Fabriken allerdings, oft für die Rüstung. War das
weniger Verstrickung ins System als Pinnaus Renaissance-artige Treppen und
plüschige Sessel für die Neue Reichskanzlei?
Diese Frage beantwortet auch die materialreiche Ausstellung im Altonaer
Museum nicht. Die Diskussion um die Spielarten von Herrschaftsarchitektur
sowie Optionen, Wertungen und Werke einer ganzen Generation von
Architekten, die vor und nach 1945 gebaut haben, findet ausführlich im
Begleitbuch statt.
„Cäsar Pinnau. Zum Werk eines umstrittenen Architekten“: bis 26. März,
Altonaer Museum, Museumstraße 23, Hamburg
12 Oct 2016
## LINKS
[1] http://pinnau.altonaermuseum.de
## AUTOREN
Hajo Schiff
## TAGS
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