Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Literaturnobelpreis für Bob Dylan: Wozu braucht Pop den Preis?
> Der schottische Autor Irvine Welsh hält die Verleihung des Nobelpreises
> an Bob Dylan für einen nostalgischen Akt seniler Hippies.
Bild: Irvine Welsh wurde durch die Verfilmung seines Romans „Trainspotting“…
Wenige Stunden nach der Verkündung des Nobelpreiskomitees in Stockholm trat
Bob Dylan in Las Vegas auf. Der Mann, der nicht gerne Interviews gibt,
blieb auch an diesem Tag diszipliniert. Seine Fans feierten ihn. Er aber
verlor kein Wort über den Nobelpreis für Literatur, der ihm, einem Musiker,
verliehen wurde.
Man kann es verstehen. Die Aufnahme in den Kanon tut schon Schriftstellern
weh, wie soll ein Popkünstler das aushalten? Wer drin ist im Kanon, kann
einpacken, ist von gestern, Sediment, Staub in einem versiegelten
Sarkophag. Wer feiert sich da schon gern.
Der Rest der Welt aber feierte enthusiastisch: Bob Dylan! Vor allem die
alten Kämpfer für die Anerkennung von Pop als legitimer, professorabler,
förderungswürdiger, vielleicht sogar staatstragender und
familienfreundlicher Kultur sahen sich am Ziel ihrer Träume angekommen:
Nobilitiert von Nobel, nun würde nie wieder einer wagen, vom Trivialen, von
Schund und Schmutz zu reden. Ist der Nobelpreis für Dylan nicht auch ein
Nobelpreis für den Pop?
Irvine Welsh, schottischer Schriftsteller, Autor von „Trainspotting“, Punk
und Troublemaker, [1][erläuterte auf Twitter], was seiner Ansicht nach
wirklich passiert war: „I’m a Dylan fan, but this is an ill conceived
nostalgia award wrenched from the rancid prostates of senile, gibbering
hippies.“ (Ich bin Dylan-Fan. Aber das ist schlecht durchdachte Nostalgie,
herausgequetscht aus der ranzigen Prostata seniler, plappernder Hippies.)
Das gefiel nicht allen. Einer der Hippies beschwerte sich, Welsh sei ein
trauriger Dylan-Fan, wenn er dessen wunderbare Texte aus vier Dekaden nicht
kenne. Welsh: „Sollten Sie ein ‚Musik‘-Fan sein, schlagen Sie den Begriff
im Wörterbuch nach. Dann machen Sie dasselbe mit ‚Literatur‘. Und dann
vergleichen und unterscheiden Sie.“ Schließlich fragte sich der Schotte, ob
Don DeLillo schon in die Rock-’n’-Roll Hall of Fame aufgenommen worden sei,
neben Def Leppard und Slayer.
Es ist nicht überliefert, was Bob Dylan von Irvine Welshs Einwurf hält.
Aber es könnte sein, dass er mit dessen Lesart der Dinge sympathisiert. Als
letztes Stück spielte er in Las Vegas einen alten Song von Frank Sinatra:
„Why Try To Change Me Now“. Joseph McCarthy hat den Song 1952 zusammen mit
dem Pianisten Cy Coleman geschrieben, nachdem sie durch die Clubs von New
York gezogen waren. (Literaturnobelpreisträger im Jahr 1952: François
Mauriac.) McCarthy wird als „mean drunk“ beschrieben, dessen Idee von Spaß
gewesen sei, die Läden auseinanderzunehmen, in denen er soff.
Das Stück, das die beiden Betrunkenen morgens komponierten, endet mit den
Zeilen: „Don’t you remember/ I was always your clown/ Why try to change me/
Why try to change me now.“
14 Oct 2016
## LINKS
[1] https://twitter.com/IrvineWelsh/status/786539790560878592
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Nobelpreis für Literatur
Bob Dylan
Punk
Irvine Welsh
Pop
Drogen
Nobelpreis für Literatur
Karibik
Bob Dylan
Bob Dylan
Folkmusik
Bob Dylan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Iggy Pop über „Trainspotting“: „Cream Tea ist der neue Rock ’n’ Roll…
Der Autor Irvine Welsh, Iggy Pop und Underworld im Gespräch über Drogen,
Geldgier und die Verschmelzung von Punk und Techno.
Kommentar Literaturnobelpreis: Ishiguro? Für die Literatur das Beste
Ist es eine faire Entscheidung? Das Literaturnobelpreis-Jury schert das
nicht, sie tut, was sie muss: gut und gerne lesen. Dafür steht auch Kazuo
Ishiguro.
Nobelpreisträger Derek Walcott gestorben: Ein Homer aus der Karibik
Der in St. Lucia geborene Autor galt als Weltpoet, als Mittler zwischen
karibischem Lebensgefühl und westlicher Kulturtradition.
„T2 Trainspotting“ auf der Berlinale: Touristen der Jugend
Was machen Spud und Co als Vierzigjährige? Danny Boyle hat mit „T2
Trainspotting“ den Klassiker von 1996 fortgesetzt.
Kommentar Dylans Absage an Stockholm: Der Meister enttäuscht
Bob Dylan bleibt der Verleihung des Nobelpreises für Literatur fern.
Ärgerlich, dass er ausgerechnet jetzt zur Lage in den USA schweigt.
Verleihung des Literaturnobelpreises: Ups, da kann ich nicht
Bob Dylan kommt nicht zur Preisverleihung nach Stockholm. Er hat keine
Zeit. Hier eine Liste mit Dingen, die man stattdessen machen kann.
Nobelpreisträger Bob Dylan: Die Songs sind die Stars der Show
Diese Ehrung war überfällig: Bob Dylans Lieder prägten eine ganze
Generation und sind ins globale kulturelle Gedächtnis eingegangen.
Literaturnobelpreis für Bob Dylan: Musik voller spektakulärer Magie
Bob Dylan war die Stimme der US-amerikanischen Gegenkultur. Seine Bedeutung
geht weit über die Poesie seiner Songs hinaus.
Literaturszene: "Das alles pisst mich an"
Edo Popovic ist der Chef der Underground-Literatur in Zagbreb. Nun
erscheint sein Roman "Abfahrt Zagreb-Süd" auf Deutsch Ein Porträt nach
Mailkontakt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.