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# taz.de -- Cuvry-Brache in Berlin-Kreuzberg: Hotelräume statt Freiraumträume
> Kurz vor Ablauf der Genehmigung lässt der Investor Bagger anrücken. Gegen
> seine Pläne für den Symbolort regt sich Widerstand.
Bild: Nachbarn bitte draußen bleiben: die Cuvry-Brache in Berlin-Kreuzberg
Berlin taz | Die Wolken hängen tief über Kreuzberg, eisige Böen pfeifen
durch die Schlesische Straße. An dem Gitter, das die Cuvry-Brache einzäunt,
flattert ein handgeschriebener Zettel. „Ihr lieben alten Bäume. Danke, dass
ihr diesen Bereich für uns so bereichert habt. Ihr Armen, wir trauern um
euch“ steht darauf. Einige Nelken, Rosen und ein Grablicht liegen darunter.
An die Bäume, die hier am Spreeufer einmal standen, erinnern nur noch
Krater. Das fußballplatzgroße Feld ist eingeebnet, jedes Hindernis für die
Bebauung ist beseitigt. In einer Baggerschaufel, die verloren auf dem
Gelände steht, sammelt sich das Regenwasser.
Am Ende haben nur drei Wochen gefehlt. Ohne den vor ein paar Tagen
erfolgten Start der Bauarbeiten wäre am 6. November die Baugenehmigung für
den Münchener Investor Artur Süßkind ausgelaufen. Das Grundstück, das seit
Jahren als Symbol schlechthin der Gentrifizierungsgegner gilt, hätte dann
doch noch die Chance gehabt, nicht rein profitorientiert verwertet zu
werden.
Es sind 16 Jahre vergangen, seit dem der erste Investor die Brache
übernahm. 16 Jahre voller fehlgeschlagener Pläne und Pleiten,
Politikversagen und Proteste durch die Nachbarschaft. 16 Jahre
gescheiterter Investorenträume. Und nun passiert doch noch, was viele
verhindern wollten.
## Keine Freifläche, keine Wohnungen
Schlimmer hätte es dabei kaum kommen können. Als Freiraum ist die Fläche
verloren, aber auch die im Wrangelkiez dringend benötigten Wohnungen
entstehen nicht. Stattdessen soll das 11.000 Quadratmeter große Grundstück
ausschließlich gewerblich genutzt werden. Geplant sind Büroräume und ein
Hunderte Zimmer umfassendes Hotel im Hochpreissegment. Der Name des
Projekts: „Neue Spreespeicher“.
Im Stil backsteinerner Speichergebäude sollen zwei 30 Meter hohe
Gebäudeflügel entstehen, die sich keilförmig bis zum Spreeufer hin öffnen.
An der Schlesischen Straße werden die Häuser mit einer Glashalle verbunden
mit Raum für Geschäfte und Restaurants. Kein Platz findet der einst im
Volksbegehren „Mediaspree versenken“ geforderte 50 Meter breite
Uferstreifen. Für Magnus Hengge von der Initiative „Bizim Kiez“, wurde hier
eine „riesige Chance verspielt“. Er sagt: „An dieser Stelle wäre der
einzige wirkliche Kreuzberger Zugang zur Spree möglich gewesen.“
Grundlage für den Plan ist eine alte Baugenehmigung aus dem Jahr 2001.
Längst war sie in den Schubladen überkommener Stadtpolitik verschwunden,
doch Süßkind kramte sie wieder hervor. Das war möglich, weil die einst
unter Bausenator Peter Strieder (SPD) erteilte Genehmigung seitdem mehrfach
verlängert wurde, wohl auch unter dem aktuellen Stadtentwicklungssenator
Andreas Geisel (SPD). Andernfalls wären wohl hohe Regresszahlungen auf den
Senat zugekommen.
## Profite statt Sozialwohnungen
Seit 2013 hatte Süßkind derweil auf ein anderes Projekt gesetzt. Unter dem
Namen „Cuvryhöhe“ wollte er auf dem Gelände 250 Luxuswohnungen errichten.
Doch Senat und Bezirk forderten eine Quote von 25 Prozent Sozialwohnungen
sowie einen Kindergarten und einen Uferweg. Süßkind war das zu viel, dem
Vernehmen nach war er lediglich bereit, 10 Prozent der Wohnungen im
niedrigen Preissegment anzubieten. Im März gab er das Projekt endgültig
auf.
Der Senat hatte angekündigt, die Baugenehmigung kein weiteres Mal zu
verlängern. Die Planungsgrundlage wurde geändert, eine Gewerbebebauung
sollte ausgeschlossen werden. Man erarbeite einen Alternativplan.
Noch im August hieß es aus dem Hause Geisel, man wolle auf dem Gelände
Wohnraum schaffen – zu bezahlbaren Preisen. Bürgerbeteiligung inklusive.
Bis Süßkind letzte Woche den Baubeginn anzeigte, wie Baustadtrat Hans
Panhoff (Grüne) bestätigte.
Weder im Senat noch im Bezirk ist man glücklich über diese Entwicklung,
auch wenn Panhoff sich im Tagesspiegel mit Kritik zurückhielt: „Es ist kein
Baumarkt, auch kein Lagerhaus.“ Politisch ist, wenn das Bauvorhaben
tatsächlich umgesetzt wird und die jetzigen Arbeiten kein Strohfeuer
bleiben, nichts mehr zu machen.
Und auch für die Anwohner, die unter explodierenden Mieten und
Touristenmassen leiden, wird der Widerstand schwierig. Hengge sagt dennoch:
„Wir wollen dem Investor zeigen, dass er mit diesem Projekt nicht
willkommen ist.“ Was genau das heißt, will die Initiative am Dienstagabend
diskutieren. Das Interesse in der Nachbarschaft sei groß.
17 Oct 2016
## AUTOREN
Erik Peter
Robert Pausch
## TAGS
Cuvrybrache
Berlin-Kreuzberg
Gentrifizierung
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Urban Gardening
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Besetzung
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