Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gerangel im Gesundheitsmarkt: Auf dem Rücken des Patienten
> Die Krankentransporte des Hamburger Uni-Klinikums koordiniert die
> Tochterfirma eines Krankenwagenbetreibers. Dass der davon exklusiv
> profitiert, wird aber bestritten
Bild: Krankenwagen des privaten Unternehmens G.A.R.D. vor der Notaufnahmen des …
HAMBURG taz | Selten, dass so eine Beschwerde ein solches Echo hat:
Beschwert hatte sich Manfred Fenn darüber, dass seine Mutter, 84 Jahre alt
und querschnittsgelähmt, im Universitätstklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
fünf Stunden lang auf einer harten Liege warten musste, ehe sie zurück in
ihr Pflegeheim gefahren wurde. Nachdem neben der taz auch andere Hamburger
Medien über den Vorfall berichteten, lichtet sich langsam der Nebel um die
Zustände im Hamburger Krankentransportmarkt.
Es war nur ein kurzer ambulanter Termin in der Hautklinik, der die alte
Frau am 21. September ins UKE geführt hatte. Bis zur Rückfahrt aber dauerte
es dann die erwähnten fünf Stunden. Vorher hatte kein Fahrzeug des privaten
Dienstleisters G.A.R.D. Zeit für die Tour zurück ins Heim.
Während des Wartens wurde die Frau nicht verpflegt, erhielt auch ihre
Medikamente nicht – sie wurde nicht mal fachgerecht gelagert. „Ich bat
darum, ein anderes Unternehmen zu rufen“, erzählt Manfred Fenn, „aber
Ärzte, Schwestern und Pfleger sagten mir, das sei ihnen untersagt. Sie
wären verpflichtet, ein G.A.R.D.-Fahrzeug zu rufen.“
Das UKE bestritt, dass seine Mitarbeiter nur Fahrzeuge jenes einen
Unternehmens rufen dürften. Immerhin räumte das Klinikum Fehler
nachträglich ein in einem Brief, den Fenn jetzt erhielt: Man habe die Lage
nicht situationsgerecht eingeschätzt, steht darin. „Dies tut uns sehr
leid.“ Dass die Mitarbeiter nur bei G.A.R.D. Fahrten bestellen sollten, sei
falsch. Hier scheine es ein „Informationsdefizit bei unserem Personal“ zu
geben.
Ruft man die UKE-interne Durchwahl für den Krankentransport an, landete man
– zumindest noch am Donnerstag der vergangenen Woche – bei einer Bandansage
der Firma G.A.R.D. Am Freitag berichtete die Hamburger Morgenpost über den
Fall. Am gestrigen Sonntag dann meldete sich unter der Nummer der
UKE-Krankentransport selbst.
„Exklusivverträge gibt es nicht“, teilte die aufsichtsführende Hamburger
Wissenschaftsbehörde der taz mit. In der Tat: Einen Exklusivvertrag für
alle externen Krankentransporte des UKE hat das Unternehmen nicht. Aber
G.A.R.D. – beziehungsweise die Tochterfirma G.U.A.R.D – betreibt seit 2007
die Leitstelle in Hamburg-Wandsbek, die die Fahrtaufträge verteilt.
Der taz liegt der Text vor, mit der die Klinik-Logistik-Eppendorf GmbH –
eine Tochter des UKE – im Jahr 2006 die Ausschreibung für die
Dienstleistung „der Betriebsführung des internen Krankentransportes sowie
eine Callcenters für die Beauftragung externer und interner
Verlegungstransporte“ bekannt gab.
Seine Mitgliedsunternehmen bekämen seit zwei Jahren nahezu keine Aufträge
mehr aus dem UKE, klagte der Verband der privaten
Krankenbeförderungsunternehmen (VDPK) im Dezember 2008 in einem Brief an
den Vorstand des Klinikums. Der damalige kaufmännische Direktor antwortete,
man habe dem Wunsch, die Patienten zuverlässig und ohne vermeidbare
Wartezeiten zu befördern, nachkommen wollen. Einer juristischen Prüfung
zufolge verstoße das UKE weder gegen Wettwerbsrecht noch andere
Vorschriften, heißt es in einem späteren Schreiben.
Zur jener Zeit privatisierte der Hamburger Senat die in einem Landesbetrieb
Krankenhäuser (LBK) gebündelten Kliniken – und lagerte in allen vormals
städtischen Häusern den Patiententransport aus.
Der taz liegt der Vertrag eines kleineren Unternehmens vor, das damals für
eine andere Klinik die Callcenter-Rolle übernahm. Die internen Transporte –
von der Klinik selbst zu tragen – sind demnach mit 20 Euro pro Fahrt sehr
günstig kalkuliert. Die Firma übernimmt aber auch die Verteilung der
externen Transporte, zu zahlen von den Krankenkassen. Dem Vertrag zufolge
darf sie sich selbst Fahrten zuteilen, verpflichtet sich aber auch, „die
Vielzahl der Anbieter in Anspruch zu nehmen“ und der beteiligten Klinik
monatlich eine Statistik darüber zu liefern.
Diese Vereinbarung soll nach diesem Muster für mehrere Krankenhäuser
existieren. Das UKE aber kann auf taz-Anfrage nicht sagen, wie häufig bei
Krankentransporten andere Bewerber zum Zuge kommen. „Wir führen darüber
keine Statistik“, so Sprecherin Saskia Lemm. Und die Wissenschaftsbehörde
sagt, sie kontrolliere das nicht, „weil es bisher keine Beschwerden von
Dienstleistern gab“. Die Gesundheitsbehörde wiederum will gar nichts wissen
von den Verträgen – das sei Sache der Kliniken.
Die Krankenkassen fordern eine einheitliche Leitstelle für ganz Hamburg und
und sehen die Callcenter-Verträge kritisch. Auch die CDU-Abgeordnete Karin
Prien fordert, „die Verträge genau anzuschauen. Zu prüfen wäre, ob es ein
unzulässiges Kopplungsgeschäft gibt“. Das Thema gehöre in den
Gesundheitsausschuss.
G.A.R.D. selbst schreibt, man habe mit einigen Klinken Verträge über
Patiententransport, diese „beachten geltendes Recht“, es seien auch keine
Exklusivverträge. Die erwähnte Tochterfirma G.U.A.R.D führe selbst keine
Transporte durch, versichert Sprecher Christoph Lippay. Man kooperiere mit
vielen anderen Anbietern. Im Fall der 84-jährigen Frau Fenn seien aber auch
diese an ihrer Grenze gewesen.
16 Oct 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Feuerwehr
Patientenrechte
Krankenhäuser
Rettungswagen
UKE
Techniker Krankenkasse
Patientenrechte
Universitätsklinikum
Mindestlohn
## ARTIKEL ZUM THEMA
Betrugsvorwurf an Krankenkassen: Mehr Diagnosen, mehr Geld
Viele Kassen wollen Ärzte dazu bringen, für Patienten möglichst viele
Diagnosen zu dokumentieren. Denn dann gibt es mehr Geld. Experten halten
das für kriminell.
Beschwerde über schlechte Versorgung: Warten auf den Krankenwagen
Eine querschnittsgelähmte Frau soll im UKE erst nach fünf Stunden vom
Transport abgeholt worden sein. Das Klinikum bestreitet Exklusivverträge
mit Anbietern.
Warnstreiks im UKE: Zweiklassengesellschaft im Klinikum
Das UKE weigert sich, für Angestellte ausgelagerter Tochtergesellschaften
Tarifverträge abzuschließen. Am Montag kam es deshalb zu Warnstreiks.
Samaritern droht Billiglohn: Retter in Not
Sanitäter des Rettungsdienstes des Arbeiter-Samariter-Bundes streiken für
einen Tarifvertrag. Sie fürchten, in Zukunft weniger Geld zu verdienen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.