| # taz.de -- Flüchtlinge wehren sich gegen Umzug: Home, sweet Notunterkunft | |
| > Bisher hat ihr Heim keine Küchen: Trotzdem weigern sich rund 100 | |
| > Flüchtlinge, ihre Notunterkunft in Lichtenberg zu verlassen. | |
| Bild: Und wenn sich Flüchtlinge dann willkommen fühlen, sollen sie wieder weg… | |
| Auf der Straße vor dem grauen kastenförmigen Gebäude steht ein weißer | |
| Doppeldeckerbus; dazwischen hat sich eine Gruppe von 20 Menschen, meist | |
| Männer, versammelt. Wortfetzen auf Englisch, Syrisch, Arabisch und Farsi | |
| mischen sich in der kalten deutschen Luft. Einige rauchen, andere wickeln | |
| sich enger in ihre dunklen Winterjacken. „Wir gehen hier nicht weg“, empört | |
| sich der Syrer Anas Almagdad, dann schlägt beinahe ratlos die Hände über | |
| dem Kopf zusammen: „Uns wurde versprochen, wir könnten hier bleiben.“ | |
| Hier, das ist die Notunterkunft in der Lichtenberger Bornitzstraße; | |
| Almagdad ist einer von 122 BewohnerInnen, der sie verlassen soll, damit | |
| bereits begonnene Bauarbeiten fortgesetzt werden können. Nach Auskunft | |
| einer freiwilligen Mitarbeiterin begannen Mitte Juli im vierten und fünften | |
| Stock Umbauarbeiten zu einer Gemeinschaftsunterkunft mit frei nutzbaren | |
| Küchen. Bisher haben die Bewohner keine Möglichkeit zum Kochen. Die | |
| Bewohner der oberen Stockwerke hätten sich so lange mit in die unteren | |
| Stockwerken gedrängt, berichtet die Mitarbeiterin: Teils lebten 20 Leute in | |
| einem Raum. Sie hätten darauf gehofft, nach dem Umbau in einer schöneren | |
| Unterkunft leben zu können. Selbst ihre künftigen Zimmernummern seien ihnen | |
| schon genannt worden. | |
| Jetzt sind die Bauarbeiten oben beendet, aber die Räume noch nicht | |
| abgenommen worden, und die Baumaßnahmen in den unteren Stockwerken sollen | |
| beginnen. Am vergangenen Mittwoch sei den 122 Heimbewohnern ohne | |
| Vorankündigung gesagt worden, sie müssten binnen 16 Stunden ihre Sachen | |
| packen, berichtet der Heimbewohner Almagdad. Donnerstagmorgen hätten sie in | |
| Busse steigen sollen, um in ein Heim in der Köpenicker Allee in Karlshorst | |
| zu fahren. „Wir haben uns geweigert“, berichtet der Flüchtling aus Syrien. | |
| Vertreter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) hätten ihnen | |
| anderes versprochen gehabt. | |
| Die Polizei und Vertreter des LAF versuchten daraufhin zu vermitteln. Eine | |
| Gruppe der Heimbewohner sei in die Unterkunft in Karlshorst gefahren: „Es | |
| war schrecklich dort“, sagt Almagdad, der selbst dabei war. Die Räume seien | |
| überfüllt und dreckig, die Toiletten draußen. | |
| Am Freitag drohten die Heimbetreiber mit Hausverbot, wenn die die | |
| Flüchtlinge die Unterkunft nicht verlassen würden. Doch sie blieben: Sie | |
| fürchten, nach Ende der Bauarbeiten nicht wieder zurück in die Unterkunft | |
| zu können, sagt die Mitarbeiterin. „Keiner kann es uns garantieren. Wir | |
| glauben den Leuten nicht mehr“, sagt der Iraner Afshin Naurozi. | |
| Der Protest wirkte: Die 122 Heimbewohner durften weiterhin bleiben, laut | |
| der Mitarbeiterin allerdings ohne die sonst übliche Kostenübernahme seitens | |
| des LAFs: Die Geflüchteten hätten kein Essen mehr im Heim bekommen. | |
| Mitarbeiter von der Evangelischen Freikirche Lichtenberg brachten | |
| stattdessen Mahlzeiten vorbei, wie das Video einer Heimbewohnerin zeigt. | |
| Am Montag wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Ergebnis: Laut Sascha | |
| Langenbach, Sprecher des LAF, zogen 30 der 122 Betroffenen in die | |
| Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau. Zehn weitere fuhren in die | |
| Unterkunft in der Köpenicker Allee, hätten sich vor Ort jedoch geweigert | |
| hineinzugehen. Wo sie jetzt sind sei unklar. Die übrigen 72 seien nach wie | |
| vor in der Unterkunft in der Bornitzstraße: „Aber wir müssen die | |
| Baumaßnahmen fortsetzen“, sagt Langenbach. Vom Versprechen, dass die | |
| Bewohner das Heim während der Bauarbeiten nicht verlassen müssten, wisse er | |
| nichts. | |
| Einige könnten, wenn die Arbeiten in etwa zweieinhalb Monaten beendet sein | |
| werden, wieder zurückkommen, doch garantieren könne das LAF es nicht. „Wir | |
| hoffen jetzt, dass die Verbliebenen hören, dass es in den anderen | |
| Unterkünften gar nicht so schlecht ist“, so Langenbach. | |
| 11 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Lara Janssen | |
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