# taz.de -- Britischer Spitzel in Deutschland: Wer deckte Polizeispion Kennedy? | |
> Seit Jahren kämpft Jason Kirkpatrick um Aufklärung: Was wollte der | |
> Ermittler in seinem Haus? Jetzt zieht er vor Gericht. | |
Bild: Anti-G8-Proteste in Heiligendamm 2007 | |
Dieses Schreiben bringt ihm neue Gewissheit: Auch der britische | |
Untersuchungsausschuss wird Jason Kirkpatrick keine Antworten liefern. Seit | |
Jahren versucht der in Berlin lebende Mann eine Frage zu klären: Was wollte | |
der verdeckte Ermittler Mark Kennedy damals in seinem Haus? | |
In einem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten Hans Christian Ströbele | |
(Grüne) und Andrej Hunko (Linke) bestätigt das Bundesinnenministerium nun, | |
was die britische Regierung zuvor der deutschen Regierung mitgeteilt hatte: | |
Der sogenannte Pitchford-Untersuchungsausschuss, ein britisches Komitee, | |
das derzeit in einem groß angelegten Verfahren die Spitzelaffäre der London | |
Metropolitan Police aufarbeitet, wird sich nicht mit Vorgängen | |
beschäftigen, die außerhalb Englands stattgefunden haben, also etwa in | |
Deutschland. Für Kirkpatrick heißt das: Pech gehabt, mal wieder. | |
Ihn und zahlreiche andere Betroffene interessiert, durch welche Strukturen | |
einer der schillerndsten Polizeiskandale Großbritanniens gedeckt war, der | |
sich in mehreren Ländern Europas abspielte und auch in Rostock und Berlin | |
seine Schauplätze fand. | |
Kern der Affäre sind zahlreiche Rechtsverstöße, die verschiedene verdeckte | |
Ermittler in ganz Europa begangen haben sollen. Unter anderem sollen die | |
Beamten im Rahmen ihrer Einsätze und mit falscher Identität Beziehungen zu | |
Frauen und sexuelle Affären begonnen haben. In einem gravierenden Fall | |
hatte ein Polizist inkognito sogar ein Kind mit einer Frau bekommen und war | |
anschließend spurlos verschwunden. | |
Dem ehemaligen Polizisten Kennedy, der in verschiedenen europäischen | |
Ländern unter dem Decknamen Mark Stone die internationale Umweltbewegung | |
ausforschte, wird ebenfalls vorgeworfen, mit falscher Identität Beziehungen | |
zu Frauen begonnen zu haben. [1][Eine der Frauen, Kate Wilson, hatte in der | |
taz ihre Erfahrungen mit Kennedy geschildert.] | |
## Klage gegen BKA und Polizei | |
Jason Kirkpatrick, ein US-Amerikaner, der seit vielen Jahren in Deutschland | |
lebt, hatte anlässlich des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm unter anderem | |
Pressearbeit für die Anti-G-8-Proteste gemacht. Kennedy hatte Kirkpatrick | |
zwischen 2005 und 2009 wiederholt in seiner Rolle als Aktivist aufgesucht | |
und bei ihm zu Hause in Berlin übernachtet. Dabei soll er laut Kirkpatrick | |
auch darum gebeten haben, ihm Kontakte zu Frauen zu vermitteln. Außerdem | |
soll der Polizist eine Brandstiftung begangen haben. | |
Bei einem Besuch des Undercoverpolizisten während der G-8-Proteste 2007 in | |
Rostock will Kirkpatrick etwas bemerkt haben: Kurz nach dem Besuch des | |
Spitzels seien E-Mails an Empfänger aus Kirkpatricks Adressbuch nicht mehr | |
bei den Empfängern angekommen. Zu einem anderen Zeitpunkt soll Kennedy | |
Kirkpatrick darum gebeten haben, ihm Namen von Neonazis zu nennen, die | |
seine britischen Aktivistenfreunde nutzen könnten, um diese gewalttätig | |
anzugreifen. Kirkpatrick wertet dies als Anstiftung zu einer Straftat. Er | |
sei damals schon verwundert über diese Anfrage gewesen, weil er selbst | |
keine Beziehungen in die Antifa-Szene unterhalten habe. | |
Trotz all dieser offenen Fragen ist bis heute ungeklärt, welche Straftaten | |
Kennedy und andere seiner verdeckt operierenden Kollegen in Deutschland | |
begangen haben und in welcher Weise deutsche Behörden in die Einsätze der | |
ausländischen Polizisten in Deutschland eingebunden waren. Zahlreiche | |
parlamentarische Anfragen im Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus sowie | |
im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern liefen weitestgehend ins Leere. | |
Deshalb hatte Kirkpatrick zuletzt auf den britischen | |
Pitchford-Untersuchungsausschuss gehofft und über Bundestag und | |
Bundesinnenministerium darauf gedrängt, auch die Vorkommnisse in | |
Deutschland in die Untersuchungen aufzunehmen. Dem erteilten die britischen | |
Aufklärer nun eine Absage: Eine Aufarbeitung von Vorkommnissen außerhalb | |
Großbritanniens, heißt es, würde den Untersuchungsauftrag sprengen. | |
Für Jason Kirkpatrick bedeutet diese Antwort die nächste Schlappe in seinem | |
langen Bemühen um Aufklärung. Er hat nun den Rechtsweg eingeschlagen und | |
über eine Anwältin juristische Verfahren gegen das Bundeskriminalamt, den | |
Polizeipräsidenten von Berlin sowie das Land Mecklenburg-Vorpommern | |
eingeleitet. Im Rahmen einer Feststellungsklage will er gerichtlich klären | |
lassen, dass Kennedy im Rahmen seiner Einsätze in Deutschland Straftaten | |
begangen hat – und herausfinden, inwiefern deutsche Behörden davon wussten | |
und dies deckten. | |
11 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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