# taz.de -- Kein Zeitlimit beim Roaming: EU telefoniert nach Hause | |
> Nach heftiger Kritik lässt die EU-Kommission die 90-Tage-Beschränkungen | |
> beim Roaming fallen. Stattdessen soll auf den Wohnort der Nutzer geachtet | |
> werden. | |
Bild: Vom Strand in Tel Aviv aus werden fürs Selfie nach Hause auch weiterhin … | |
BRÜSSEL dpa | Handynutzer sollen nach einem überarbeiteten Vorschlag der | |
EU-Kommission ab Mitte 2017 nun doch ohne zeitliche Begrenzung kostenfreies | |
Roaming im EU-Ausland nutzen können. „Wir haben entschieden, dass es keine | |
täglichen Begrenzungen geben soll“, sagte der zuständige EU-Kommissar | |
Andrus Ansip am Mittwoch in Brüssel. Stattdessen solle jeder Nutzer „wie | |
daheim“ Roaming nutzen können. Allerdings müsse Missbrauch verhindert | |
werden können – zum Beispiel, wenn sich Nutzer eine günstige Sim-Karte im | |
Ausland besorgen, um sie dauerhaft zuhause zu nutzen. | |
Nach heftiger Kritik hatte die Brüsseler Behörde zuletzt einen ersten Plan | |
zur Neuregelung der Auslands-Handykosten zurückgezogen. Demnach waren nur | |
90 Tage kostenfreies Roaming pro Jahr im EU-Ausland garantiert. Parlament | |
und Staaten hatten die Neuregelung im Grundsatz vergangenes Jahr | |
beschlossen. „Dauerhaftes Roaming“ war in dem Beschluss nicht vorgesehen. | |
Was das bedeutet, sollte die EU-Kommission ausarbeiten. Die ersten | |
Reaktionen fielen nun positiver aus. | |
In dem Plan hieß es nun: „Roaming ist für Reisende.“ Das neue System solle | |
auf dem Wohnort oder einer „festen Verbindung“ zu einem EU-Staat basieren. | |
Dazu gehöre etwa, oft in dem EU-Staat anwesend zu sein, in dem der | |
Mobilfunk-Provider ansässig sei. | |
„Wir haben derzeit sehr unterschiedliche Telekommunikationspreise in der | |
Europäischen Union“, sagte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. „Die | |
Telekommunikationspreise in Lettland etwa sind um ein sechseinhalbfaches | |
niedriger als die von Irland. Also könnte geschäftsmäßig ein Missbrauch | |
dadurch betrieben werden, dass man Sim-Karten aus Lettland in Irland | |
vertreibt und der Ire in Dublin nach Dublin telefoniert zu Preisen, die in | |
Lettland bestehen.“ | |
## Günstige Auslands-Sim-Karten nicht für Zuhause | |
Anbieter von Telekommunikationsdiensten sollen daher einschreiten können, | |
wenn ein Nutzer sich in seinem Heimatland aufhält – aber dennoch dauerhaft | |
auf günstigere Roaming-Tarife aus dem Ausland zurückgreift. Die | |
Telekom-Konzerne sollen solche Nutzer darauf ansprechen und für sie einen | |
Aufpreis einführen können. „Wenn jemand nachhaltig mit einer Sim-Karte | |
telefoniert, ohne jemals am Ort dieses Gebührenmarktes zu sein, dann | |
bekommt die Telekom-Company das Recht, ihn abzumahnen, ihn anzuhören, was | |
die Gründe dafür sind“, sagte Oettinger. Dienst- und Urlaubsreisen sollen | |
aber unbegrenzt ohne Roaming-Zuschläge möglich sein. | |
Der Europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte den neuen Plan. „Das sind | |
gute Nachrichten, dass die Zeit-Begrenzung beim Roaming fallengelassen | |
wurde“, sagte Beuc-Generaldirektorin Monique Goyens. Es sollten nicht alle | |
Verbraucher für den hypothetischen Missbrauch einiger weniger bestraft | |
werden. | |
„Die EU hält ihr Versprechen an die Nutzer“, kommentierte der Vorsitzende | |
der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul. Die Idee von | |
Schutzklauseln scheine auf den ersten Blick ebenfalls sinnvoll, dürfe aber | |
nicht dazu führen, dass Unternehmen nun zur „Roaming-Polizei“ würden. Bei | |
der Deutschen Telekom hieß es, man wolle vor einer Stellungnahme erst die | |
konkreten Vorschläge abwarten. | |
## Keine Präventivstrafe für potenziellen Missbrauch | |
Der endgültige Vorschlag soll nun im Dezember angenommen werden. Zuvor sind | |
Beratungen mit der europäischen Regulierungsbehörde BEREC, den EU-Staaten | |
und weiteren Beteiligten wie Telekom-Unternehmen geplant. | |
Die EU-Kommission hatte zuvor versucht, einen möglichen Missbrauch der | |
Roaming-Regelung durch das 90-Tage-Limit zu verhindern. Sie hatte | |
argumentiert, eine längere Nutzungsfrist könne Missbrauch ermöglichen: | |
Nutzer könnten sich einfach in einem EU-Land mit besonders günstigen | |
Preisen eine Sim-Karte besorgen und in teuren Ländern auf Dauer damit | |
telefonieren. | |
Dies hätte aus Sicht der Behörde längerfristig auch zu höheren Preisen für | |
Verbraucher geführt. Das ursprünglich vorgeschlagene Mindestkontingent von | |
90 Tagen decke aber praktisch jeden Bedarf von Reisenden – sie verbrächten | |
in der Regel weitaus weniger Tage im EU-Ausland, hatte es geheißen. | |
Der Vorschlag sei aber aus Sicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude | |
Juncker „einfach nicht gut genug“ gewesen, hatte ein Sprecher gesagt. | |
Deshalb wurde er zurückgezogen. Die Kommission betonte zugleich, dass die | |
EU-Roaming-Gebühren seit 2007 um mehr als 90 Prozent gefallen seien. | |
21 Sep 2016 | |
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