# taz.de -- Journalist*innen in Kuba festgenommen: Warnschuss für Alternativme… | |
> Unabhängige Journalist*innen wollten über die Folgen des Hurrikans | |
> berichten. Sie wurden festgenommen und aus dem Gebiet verwiesen. | |
Bild: Die historische Stadt Baracoa im Osten Kubas erlitt die heftigsten Sturms… | |
Berlin taz | In Kuba sind am Mittwoch neun Reporter*innen des | |
Internetportals [1][Periodismo del Barrio ] kurzzeitig festgenommen worden, | |
unter ihnen auch Elaine Díaz, die Gründerin und Direktorin. Sie und drei | |
weitere Festgenommene hatten in diesem und im vergangenen Jahr an | |
[2][Workshops der taz-Panterstiftung] in Berlin teilgenommen. | |
Die Gruppe wurde am Mittwoch morgen ganz im Osten der Insel, in der Nähe | |
der US-Militärbasis Guantánamo festgenommen, in die Stadt Guantánamo | |
gebracht und in einer Miiltäreinrichtung festgehalten. | |
Die Journalist*innen waren Anfang der Woche aus Havanna losgefahren, um | |
über die Folgeschäden des Hurrikans „Matthew“ zu berichten, der den Osten | |
der Insel am 4. Oktober 2016 heimgesucht und teils schwere Zerstörungen | |
angerichtet hatte. | |
Am Abend wurden die Journalist*innen wieder freigelassen, ihnen wurde aber | |
verboten, das Gebiet erneut zu betreten. Auf Facebook informierte Elaine | |
Diaz, der Gruppe ginge es gut und sie würden am Donnerstag zurück nach | |
Havanna reisen. | |
## Keine Rechtsgrundlage für unabhängigen Journalismus | |
Periodismo del Barrio ist eines einer ganzen Reihe von unabhängigen Medien, | |
die in den letzten Jahren entstanden sind. Sie nutzen eine Grauzone des | |
kubanischen Rechts aus, um Journalismus zu betreiben. | |
Denn offiziell kann es in Kuba keine privaten Medien geben – das verhindert | |
der Verfassungsartikel 53. Aber mit dem besser gewordenen Zugang zum | |
Internet eröffnen sich auch in Kuba neue Kommunikationsmöglichkeiten. Man | |
kann vieles einfach machen, und es wird bislang toleriert. | |
Nur: offiziell gibt es Periodismo del Barrio nicht. Ein privat betriebenes | |
Medium in Kuba registrieren zu lassen, ist nicht möglich. Insofern ist auch | |
die Begründung für die Festnahme, die in verschwurbelter Form [3][im | |
Parteiorgan Granma nachgeschoben] wurde, so richtig wie infam: Diese | |
sogenannten Medienschaffenden, – denen die Granma per se | |
revolutionsfeindliche Ziele unterstellt – hätten sich nicht wie alle | |
anderen akkreditiert, um aus dem Katastrophengebiet zu berichten. Genau das | |
können die Journalist*innen auch gar nicht – weil es das Medium offiziell | |
eben gar nicht gibt. | |
In den letzten Monaten hat die Regierung die Daumenschrauben gegen die neu | |
entstandenen Medien angezogen, und auch gegen bei Staatsmedien beschäftigte | |
Journalist*innen, die darüber hinaus unabhängige Wege gehen, wird stärker | |
vorgegangen. So ist es etwa inzwischen staatlich angestellten Journalisten | |
verboten, nebenher für unabhängige oder ausländische Medien zu arbeiten. | |
## Druck auf Journalist*innen steigt | |
Das hatten in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen gemacht, | |
einerseits, um dort schreiben zu können, was ihnen die Zensur im | |
Staatsmedium nicht durchgehen ließ, andererseits, um das schmale Gehalt von | |
durchschnittlich knapp 25 Euro pro Monat etwas aufzubessern. | |
Diese Möglichkeit ist inzwischen verschlossen, was zu großen Debatten | |
innerhalb der kubanischen Journalistencommunity geführt hatte – junge | |
Kolleg*innen von der Provinzzeitung La Vanguardia in Santa Clara, die | |
ersten, denen die freie Mitarbeit bei anderen Medien verboten worden war, | |
hatten sich mit einem [4][offenen Brief] gegen den Beschluss gewehrt. Ohne | |
Erfolg, aber mit großem Echo in den sozialen Medien. | |
Wie Elaíne Diaz selbst haben auch die meisten anderen unabhängigen | |
Journalist*innen an der Universität in Havanna studiert. Die | |
Journalistenausbildung dort ist sehr gut – umso frustrierter finden sich | |
viele junge, ambitionierte Journalist*innen anschließend nur schwer im | |
Medienalltag einer kontrollierten Staatspresse zurecht. | |
Diaz hatte einige Jahre an der Universität als Assistenzprofessorin | |
gearbeitet, bevor sie ein Stipendium in die USA bekam und mit dem dort | |
angesparten nach ihrer Rückkehr Periodismo del Barrio gründete. Ihr Thema: | |
Verarmte, verwundbare Gemeinden in Kuba. | |
Die Journalistin Monica Baró, Mitstreiterin der ersten Stunde und | |
Teilnehmerin des taz-Kuba-Workshops 2016, wurde für eine bei Periodismo de | |
Barrio erschienene [5][Reportage] gerade als eine von drei Finalistinnen | |
des [6][Premio Gabriel García Márquez] geehrt, des wohl bedeutendsten | |
Journalistenpreises in Lateinamerika. Jetzt war auch sie unter den | |
Festgenommenen. | |
Die freigelassenen kündigten an, bald in einem Editorial bei Periodismo del | |
Barrio auf die Ereignisse eingehen zu wollen. | |
13 Oct 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.periodismodebarrio.org/ | |
[2] /Kuba-Workshop/!160601/ | |
[3] http://www.granma.cu/cuba/2016-10-13/matthew-humanismo-transparencia-y-mani… | |
[4] http://www.diariodecuba.com/cuba/1467392069_23533.html | |
[5] http://www.periodismodebarrio.org/2016/02/09/la-mudanza/ | |
[6] http://premioggm.org/finalistas-2016/ | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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