Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportbegeisterung in Berlin: Mein erster Marathon
> Alles, was ich übers Marathonlaufen wusste, war unschön. Doch nun habe
> ich mir den ersten Marathon angesehen. Ein Erlebnisbericht.
Bild: Da sind sie! So viele! Und alle laufen!
Ein kühler Sonntagmorgen gegen 9 Uhr. Der vernünftige Berliner dreht sich
gerade noch einmal auf die andere Seite oder setzt sich im schlimmsten Fall
den ersten Kaffee auf. Doch dieser Sonntagmorgen ist anders. An diesem
Morgen ist Berlin-Marathon. Der erste Marathon, bei dem ich live und in
echt zuschauen darf. Ich bin voller Vorbehalte.
Alles, was ich über den Marathon weiß, ist nicht schön. Es soll sich
anfühlen wie bei der kleinen Meerjungfrau, wenn sie versucht an Land zu
gehen: Bevor die Sache mit den Endorphinen anfängt – also angeblich um
Kilometer 30 herum – tut jeder Schritt weh, als steckten Messer in den
Beinen. Nicht wenige Marathonläufer rubbeln sich beim Laufen die
Brustwarzen am Shirt blutig, weil sie vergessen haben, Pflaster drauf zu
kleben. Andere haben während des Laufens Verdauungsprobleme, genauer gesagt
Durchfall. Sie lassen es einfach laufen.
Wir kommen um 9.20 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz an, also bei Kilometer zehn.
Gerade wurden die ersten Läufer über die Startlinie am Brandenburger Tor
geschoben. Die Kinder sind erst einmal enttäuscht: Die Torstraße runter
schließen sich kaum die Lücken zwischen den Zuschauern.
Zunächst kommen die Rollstuhlfahrer durch. „Die laufen mit den Händen“,
sagt Wolfgang Thierse, der neben uns steht, zu einem Achtjährigen, der
offenbar sein Enkel ist. Die Kinder klatschen müde. Aber plötzlich sichten
sie den ersten Hubschrauber. Um kurz nach halb zehn nähert sich schnell die
erste Gruppe. Da ist Kenenisa Bekele – ich habe mich informiert! Gut 30
Kilometer später wird er den Marathon gewinnen. Jetzt kommt Leben in die
Zuschauer.
## Läufer mit Lust auf Kontakt
Zehn Minuten später wird es richtig interessant. Die Menschen, die
vorbeilaufen, werden älter, ein bisschen dicker oder röter im Gesicht.
Viele wirken aber auch noch recht aufgeräumt, schwitzen kaum und lächeln
viel. Allmählich begreifen wir den Geist dieser Veranstaltung.
Die Kinder entdecken, dass noch viele Läufer Lust haben, Kontakt
aufzunehmen. Sie klatschen ab, wenn man ihnen eine Hand hinstreckt. Sie
winken. Einige bedanken sich sogar höflich fürs Anfeuern. Die Leute sind,
gemessen an dem, was sie gerade durchmachen, ziemlich freundlich, viele von
ihnen sogar beschwingt.
Einer hat sich „Für Mama“ auf die nackte Brust geschrieben.
Ein anderer läuft barfuß.
„Das sind jetzt die echten Helden“, sagt irgendwer, als eine Frau im
Superman-Kostüm vorbeirennt.
Ein Stück weiter hält eine Vierzigjährige in Pastellgelb einen
pastellgelben Schirm mit einem Schild hoch: „Dieter! Du schaffst das!“
Gegenüber liest einer ab und zu Namen ab und ruft: „Weiter so,
Klaus-Dieter!“ Oder: „Go, Holger, go!“ Einmal bleibt einer stehen und
umarmt einen Bekannten unter den Zuschauern.
„Richtig aufreibend, dieses viele Klatschen“, grinst irgendwann Wolfgang
Thierse.
Wir stehen inzwischen seit über einer Stunde hier, und es sind noch immer
nicht alle Marathonläufer durch. Aber auch, wenn die, die jetzt noch
kommen, es mehr als alle anderen verdient hätten, richtig laut beklatscht
zu werden: Wir können einfach nicht mehr. Beim nächsten Mal fangen wir
später an und halten bis zum Schluss durch.
25 Sep 2016
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Marathon
Zuschauer
Laufen
Marathon
Marathon
Marathon
Marathon
Marathon
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berlin Marathon: Der Marathon rollt los
Neben den Läufern werden am Wochenende auch tausende InlineskaterInnen
durchstarten. Auch der Belgier Bart Swings, der bislang den Rekord hält.
Extremsportler über Ultra-Marathon: Griff ins Klapperschlangennest
Ultraschwer, ultralang und ultraverrückt: Distanzläufer Georg Kunzfeld
erzählt von seinem Start beim berüchtigten Barkley-Marathon. Ein Protokoll.
Äthiopische Läuferin wird Deutsche: Langer Lauf mit Hindernissen
Beim Frankfurt-Marathon kann die frisch eingebürgerte Fate Tola deutsche
Meisterin werden. Zuletzt litt sie am geringen Tempo der Behörden.
Achtung, es ist wieder Berlin-Marathon: Die Straßen gehören den Läufern
Am Sonntag gehen wieder Zehntausende auf die 42,195 Kilometer lange Strecke
– zusammen mit den schnellsten Läufern der Welt.
35 Jahre Stadtmarathon in Deutschland: Ein Renner
Vor 35 Jahren wurde der erste Stadtmarathon in Deutschland veranstaltet.
Karlheinz Flach war dabei. Der 78-Jährige läuft immer noch.
Berlin-Marathon: „Sich nicht überschätzen“
Sport ist Mord, lautet die Weisheit der Faulen. Tatsächlich kommt es bei
Marathonläufen nicht selten zu Todesfällen. Sportmediziner Markus de Marées
weiß warum – und wie man vorbeugen kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.