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# taz.de -- Äthiopische Läuferin wird Deutsche: Langer Lauf mit Hindernissen
> Beim Frankfurt-Marathon kann die frisch eingebürgerte Fate Tola deutsche
> Meisterin werden. Zuletzt litt sie am geringen Tempo der Behörden.
Bild: Fate Tola hat aus bürokratischen Gründen die Olympischen Spiele in Rio …
Frankfurt taz | Den Satz hört man bei Athleten oder Trainern häufiger, wenn
es darum geht, eine Enttäuschung zu verarbeiten: „Wir schauen nur noch nach
vorn.“ Bei Fate Tola und Musa Roba-Kinkal, Ehemann und Trainer der
Langstreckenläuferin, greift diese Floskel seit Wochen, in denen sich das
aus Äthiopien stammende, aber inzwischen eingebürgerte Tandem auf den
Frankfurt-Marathon vorbereitet. Und doch geht es bei der 35. Auflage am
Sonntag (Start 10 Uhr) gleichzeitig auch darum, die jüngste Vergangenheit
vergessen zu machen.
„Wir haben darunter gelitten, dass wir die Olympischen Spiele nur vor dem
Fernseher verfolgen konnten“, erklärt Musa Roba-Kinkal. Seine Frau hatte
die Nominierungskriterien des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) im
Marathon zwar erfüllt, aber gleichzeitig hätte auch ihr
Einbürgerungsverfahren vor der Nominierungsfrist Ende Mai abgeschlossen
sein müssen. Doch den deutschen Pass hielt die 29-Jährige drei Wochen zu
spät in den Händen.
„Das hat viel Nerven gekostet und war eine riesengroße Last für die
Familie. Wir sind immer wieder beim Regierungspräsidium nach Darmstadt
gefahren, haben telefoniert, die Prüfungen und Sprachkurse gemacht“,
erzählt er, während sie irgendwann die Geduld verlor. Denn letztlich
absolvierte Fate Tola den Einbürgerungstest in Braunschweig – bei der LG
Braunschweig ist sie als Sportlerin gemeldet – eben zu spät. Die
Vorbereitung mit der Präzision eines Uhrwerks abgespult, doch den Wettlauf
mit der Zeit im Behördendschungel verloren.
Verstehen können sie die Verzögerung bis heute nicht. „Es wäre doch ein
Vorteil für Deutschland gewesen, wenn sie bei den Olympischen Spielen für
Deutschland hätte starten können“, erklärt der Ehemann, der einst in einem
Kinderheim in Frankfurt landete, als ihn sein Onkel nach Deutschland
brachte. Der 27-Jährige besitzt längst den deutschen Pass und sagt: „Wenn
alles normal gelaufen wäre, hätte sie es nach Rio geschafft.“
## Der erste Wettkampf als Deutsche
Die Familie lebt mit der gemeinsamen dreijährigen Tochter in Gelnhausen,
keine 50 Kilometer von Frankfurt entfernt. Ihren ersten Wettkampf als
Deutsche bestritt Fate Tola im Sommer bei den
Leichtathletik-Europameisterschaften in Amsterdam. Weil ihr Kopf nach dem
ganzen Wirrwarr nicht frei wirkte, landete sie über die ungewohnte
5.000-Meter-Distanz nur auf Rang acht. Die klassischen 42,195 Kilometer
sollen nun für so manche Enttäuschung entschädigen.
Bis auf einen dreiwöchigen Trainingsblock in der Höhe des schweizerischen
St. Moritz ist das Pensum mit bis zu 200 Wochenkilometern fast
ausschließlich in hessischen Gefilden abgespult worden. „Die Vorbereitung
ist gut gelaufen“, sagt ihr Trainer, selbst ein Topläufer. Nach einer
Halbmarathonmarke von 1:13 Stunden soll eine zweite schnellere Hälfte
folgen – mit ergebnisoffenem Ende. Mit neuer persönlichen Bestzeit, bislang
2:25:14 Stunden vor vier Jahren in Berlin, vielleicht sogar mit einem Sieg
beim ältesten deutschen Stadtmarathon könnte Fate Tola zeigen, dass es sich
gelohnt hat, solch einen langen Atem zu haben.
Dass die Mainmetropole zugleich die Deutsche Meisterschaft ausrichtet,
bietet Tola eine doppelte Chance. „Es ist mir sehr, sehr wichtig, zu dem
Land zu gehören, in dem ich schon lange lebe“, sagt die
Langstreckenspezialistin, die in Sphären vordringen kann, von denen die
wegen ihres gemeinsamen Zieleinlaufs in Rio scharf kritisierten und
deswegen vom Frankfurter Renndirektor Jo Schindler („Ich fand das
unsäglich“) nicht eingeladenen Zwillinge Anna und Lisa Hahner nur träumen
können.
## Nach vorne schauen
Wie schnell Fate Tola die Beine nun tragen, hängt nicht nur von der eigenen
Verfassung, sondern auch stark vom Wetter ab. Nur eines steht für die Achte
des diesjährigen Boston-Marathons (2:34:38) fest: ein neuer deutscher
Marathonrekord, den vor einem Jahr der diesmal verletzte Arne Gabius an
selber Stelle bei den Männern aufgestellt hat, ist utopisch.
Bei den Frauen gilt die von Irina Mikitenko 2008 in Berlin gelaufene Marke
von 2:19:19 als unerreichbar. Die ehemalige deutsche Weltklasse-Läuferin
war übrigens bis ins Frühjahr auch Fate Tolas Trainerin. Doch das Tischtuch
mit der gebürtigen Kasachin ist inzwischen völlig zerschnitten. Reden
möchte Musa Roba-Kinkal über die Thematik gar nicht mehr. Man schaue doch
jetzt wirklich nach vorn.
29 Oct 2016
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Marathon
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