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# taz.de -- Finnische Neonazis töten Passanten: Der Angriff auf Jimi Karttunen
> Bei einer Neonazi-Kundgebung wird ein kritischer Passant tödlich
> verletzt. Die Rechtsextremen feiern ihre Untat als „geglückte Aktion“.
Bild: Am Samstag hatten sich Mitglieder der „Nordischen Widerstandsbewegung�…
Stockholm taz | Der brutale Angriff auf Jimi Karttunen ereignete sich am
10. September in der City der finnischen Hauptstadt vor dem Eingang zum
Hauptbahnhof. Sechs Tage später, am 16. September, ist der 28-jährige Jimi
Karttunen an den Folgen der ihm zugefügten Kopfverletzungen gestorben. Am
Montag hat die Polizei den mutmaßlichen Täter, einen vorbestraften
26-jährigen Neonazi, festgenommen. Am gestrigen Mittwoch wurde er vom
Haftrichter unter dem Tatvorwurf Körperverletzung mit Todesfolge in
Untersuchungshaft genommen.
An dem verhängnisvollen Samstag hatten sich Mitglieder der finnischen
Sektion der „Nordischen Widerstandsbewegung“ mit ihren Fahnen vor dem
Bahnhof in Helsinki aufgereiht und ihre Zeitung Vastamedia verteilt.
Mehrere Passanten zeigten ihren Unmut über diese polizeilich genehmigte
Aktion, auch Karttunen. Nach Aussage eines Freundes machte er eine
Spuckgeste auf einen der Neonazis. Daraufhin sei er aus deren Mitte
urplötzlich mit einem Sprungkick gegen die Brust zu Boden geworfen worden,
gestürzt und mit dem Hinterkopf auf den Asphalt geprallt.
Auf „Nordfront“, der Website der „Widerstandsbewegung“, wird dieser Abl…
im Prinzip bestätigt, Karttunen aber vorgeworfen, er habe gespuckt und sich
„aggressiv“ verhalten, weshalb man ihn habe „zurechtweisen müssen“.
„Verdient zu sterben“ habe er nicht wegen seines Verhaltens. Eine solche
Absicht hätten „die Kameraden, die unsere Aktivisten verteidigten“, auch
nicht gehabt. Insgesamt brüstet sich die Organisation aber mit „einer
geglückten Aktion“: Auch in Zukunft werde man gegen Leute wie Karttunen „zu
Selbstverteidigungsmaßnahmen greifen“.
## Die Polizei greift nicht ein
Die „Nordische Widerstandsbewegung“ gilt als gewaltsamste skandinavische
Neonazigruppe. Hauptsächlich in Schweden aktiv, fordert die Organisation
ihre Mitglieder auf, sich auf den bewaffneten Kampf vorzubereiten. Nach
einer Zusammenstellung, welche die schwedische antirassistische Stiftung
„Expo“ 2014 veröffentlichte, war damals über die Hälfte der mehr als 100
aktiven Mitglieder wegen Gewalttaten und anderer krimineller Handlungen
vorbestraft. In Finnland geht man von derzeit rund 50 Aktiven aus und laut
Mikael Brunila, Autor und Experte der dortigen rechtsradikalen Szene,
verstärkte diese in den letzten beiden Jahren deutlich die Zahl ihrer
Aktionen: „Und bei so gut wie allen kommt es zu Gewalttätigkeiten.“
Unverständlich findet Brunila das Verhalten der Polizei. Ein Video, das im
Zusammenhang mit den Geschehnissen vor dem Hauptbahnhof gemacht wurde,
zeigt eine Polizeistreife, die nur einige Dutzend Meter entfernt steht,
ohne einzugreifen. Ein Polizeisprecher versuchte das damit zu erklären,
dass die Beamten nicht gewusst hätten, um welche Veranstaltung es sich
gehandelt habe. „Sie kannten die Fahnen der Organisation nicht“, so die
Rechtfertigung der Polizei. Außerdem habe sich der Vorfall zunächst als
nicht „so schwerwiegend“ dargestellt.
KritikerInnen, die schon lange die bisherige Verharmlosung rechtsextremer
Gewalt in Finnland beklagen, ein entschlosseneres Durchgreifen von Polizei
und Justiz und eine deutlichere Linie der Politik fordern, fühlen sich
bestätigt. Während OppositionspolitikerInnen der Linken, Grünen und
Sozialdemokraten die „regelrechte Hinrichtung“ – so die linke Ny Tid –
unmittelbar zum Anlass nahmen, Gesetzesverschärfungen und ein Verbot
rassistischer Organisationen zu verlangen, gab es seitens der Regierung
tagelang nur ein „ohrenbetäubendes Schweigen“.
21 Sep 2016
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Neonazis
Finnland
Hassverbrechen
Antifaschismus
Finnland
Schweden
Rechtsextremismus
Polizeieinsatz
Wahre Finnen
Finnland
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