# taz.de -- Von Türkei konfisziertes DW-Interview: Regierung pocht auf Pressef… | |
> Die Deutsche Welle interviewt einen türkischen Minister – der die | |
> Aufzeichnung nach Darstellung des Senders dann kassiert. | |
Bild: Guckt friedlich, bleibt aber dabei: sein Interview mit dem türkischen Sp… | |
ISTANBUL/BONN dpa/rtr | Im Streit um die Beschlagnahmung eines Interviews | |
mit dem türkischen Sportminister hat sich die Bundesregierung hinter die | |
Deutsche Welle (DW) gestellt. Sie unterstützte am Mittwoch die Forderung | |
des staatlichen Auslandssenders, die Aufnahmen wieder herauszugeben. | |
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Die Pressefreiheit ist für uns | |
ein hohes, nicht zu verhandelndes Gut.“ Dies gelte nicht nur im Inland, | |
sondern auch im Ausland. | |
Wegen der Beschlagnahmung des Interviews wurde der deutsche Botschafter | |
Martin Erdmann am Mittwoch auch bei der türkischen Regierung vorstellig. | |
Nach Angaben des Auswärtigen Amts führte er dazu ein „konstruktives“ | |
Telefonat mit dem Büroleiter des Sportministers Akis Cagatay Kilic. | |
Konkrete Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt. | |
Zuvor hatte DW-Sprecher Christoph Jumpelt der Darstellung des türkischen | |
Ministers Akis Cagatay Kilic wiedersprochen: „Das Team der DW hat das | |
Material keineswegs aus freien Stücken an die Vertreter des türkischen | |
Ministeriums übergeben, dies geschah vielmehr unter unmissverständlichem | |
Druck.“ Das Interview mit dem Minister hatte Michel Friedman am Montagabend | |
für eine Sendung der Deutschen Welle geführt. | |
Kilic hatte zuvor im Online-Netzwerk Twitter bestritten, dass das Interview | |
beschlagnahmt worden sei. Solche Berichte entsprächen nicht der Wahrheit, | |
hatte der Minister getwittert. Man habe lediglich gefordert, das Interview | |
nicht auszustrahlen. Die Deutsche Welle müsse diesem Wunsch nach | |
Autorisierung nachkommen. | |
## „Freie Erfindung des Ministers“ | |
Der Sprecher der Deutschen Welle bezeichnete diese Behauptung als | |
„schlichtweg abenteuerlich“. „Wenn das Videomaterial nicht unrechtmäßig | |
konfisziert worden wäre, hätte die DW das Material noch und könnte die | |
Sendung wie geplant ausstrahlen“, teilte Jumpelt der Deutschen | |
Presse-Agentur am Dientagabend mit. „Eine Abnahme des Interviews stand vor | |
und während der Aufzeichnung nie zur Debatte. Diese vermeintliche | |
Verpflichtung ist eine freie Erfindung des türkischen Ministers für Jugend | |
und Sport.“ | |
DW-Intendant Peter Limbourg hatte den Vorfall als „neuen eklatanten Verstoß | |
gegen die Pressefreiheit in der Türkei“ kritisiert: „Was wir hier erleben, | |
erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat | |
mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun.“ Es könne nicht | |
sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gebe und dann dessen | |
Ausstrahlung verhindern wolle, „weil ihm die Fragen nicht gepasst haben“. | |
Die Deutsche Welle hat die türkischen Behörden zur sofortigen Herausgabe | |
des Videomaterials aufgefordert. Sie prüfe zudem mögliche rechtliche | |
Schritte. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die | |
türkischen Behörden auf, das beschlagnahmte Material unverzüglich | |
herauszugeben. „Das ist der schwerstmögliche Angriff auf die | |
Pressefreiheit, wie wir ihn nur aus Diktaturen kennen“, kritisierte der | |
DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das Auswärtige Amt müsse sich | |
einschalten. | |
## Beziehungen zur Türkei schienen sich gerade zu entspannen | |
Der Streit fällt in eine Zeit, in der sich die Beziehungen zwischen der | |
Türkei und Deutschland gerade wieder bessern. Sie waren nach der | |
Armenier-Resolution des Bundestages, in der die Verfolgung der Armenier im | |
Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet wird, frostig geworden. So | |
wurde Bundestagsabgeordneten etwa der Besuch deutscher Soldaten im Land des | |
Nato-Partners Türkei untersagt. Nachdem die Bundesregierung noch einmal | |
betont hatte, die Resolution sei rechtlich nicht bindend, zeichnet sich | |
eine Besserung ab wie auch ein Ende des Besuchsverbots. | |
7 Sep 2016 | |
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