# taz.de -- Pressefreiheit im Iran: Selbstzensur statt Fremdzensur | |
> Die iranische Regierung plant ein neues Mediengesetz. Es soll | |
> Journalisten mehr Spielraum geben – und erreicht eher das Gegenteil. | |
Bild: Iranische Journalisten hatten es ohnehin schon nicht leicht – das Foto … | |
Die iranische Regierung hat ein neues Mediengesetz vorbereitet, das nun dem | |
Parlament zur Verabschiedung vorgelegt werden soll. Laut Regierung soll das | |
Gesetz Journalisten vor der Willkür der Zensurbehörde und der Justiz | |
schützen, indem es die Rahmenbedingung für journalistische Arbeit neu | |
definiert. Viele Journalisten fürchten hingegen, dass das Gesetz mehr als | |
bisher die Medien unter die Kontrolle des Staates und damit auch unter | |
Selbstzensur stellen wird. | |
Erarbeitet wurde der Gesetzentwurf bereits vor zwei Jahren vom Ministerium | |
für Kultur und islamische Führung in Zusammenarbeit mit dem Verband der | |
Journalisten, dem Kulturausschuss des Parlaments und dem staatlichen | |
Medienforschungszentrum. „Es ist ja bislang auch nicht so, dass | |
Journalisten niemandem gegenüber verantwortlich sind. Aber wir brauchen | |
endlich klare Gesetze für journalistische Arbeit“, erklärte Kulturminister | |
Ali Dschannati. Die Absicht der Regierung sei es, Gesetze zu verabschieden, | |
in deren Rahmen die Journalisten die Kontrolle der Medien selbst | |
übernehmen. | |
Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass das Gesetz eine doppelte | |
Kontrolle der Medien vorsieht: eine durch den Staat und eine durch | |
Selbstzensur. Der Vorlage nach müssen Journalisten künftig beim | |
Kulturministerium eine Zulassung für ihren Beruf einholen. Zudem sind sie | |
für jeden Bericht, den sie verfassen, einem Gremium gegenüber | |
verantwortlich, das aus Vertretern des Kulturministeriums, der Justiz, der | |
Geistlichkeit und der Presse besteht. | |
Das Gremium ist befugt, etwaige Verstöße gegen das Mediengesetz zu ahnden | |
und Journalisten vorübergehend oder für immer die Berufserlaubnis zu | |
entziehen. Gerade diese drohenden Sanktionensmöglichkeiten werden | |
Journalisten zur Selbstzensur zwingen, meinen Kritiker. „Die Last der | |
Zensur soll auf die Journalisten übertragen werden“, sagte ein | |
Fernsehjournalist, der anonym bleiben möchte. | |
Kulturminister Dschannati hatte, nachdem der Gesetzentwurf auf heftige | |
Kritik von Journalisten gestoßen war, gesagt, es gebe unterschiedliche | |
Reaktionen auf das Vorhaben der Regierung. Einige seien grundsätzlich gegen | |
das Gesetz, andere hätten Änderungsvorschläge. „Wir haben versprochen, dass | |
wir diese Meinungen berücksichtigen werden, denn wir wollen, dass das | |
Gesetz von Journalisten unterstützt wird.“ | |
Nur scheint von dieser Haltung nicht mehr viel übrig zu sein: Ohne dass er | |
in den vergangenen Jahren mit den Journalisten einen Konsens angestrebt | |
hätte, erklärte der Minister nun überraschend, er werde das Gesetz dem | |
Parlament zur Abstimmung vorlegen. | |
## Chamenei mag die Pressefreiheit nicht | |
Die Regierung folgt damit offenbar den wiederholten Anweisungen des | |
Revolutionsführers Ali Chamenei, der immer wieder betont, dass die | |
Pressefreiheit eingeschränkt werden müsse. „Der beste Weg, das kulturelle | |
Chaos zu bezwingen, sind Gesetze, die die Schranken der Freiheit der Presse | |
festlegen und institutionell die Meinungsäußerung in Übereinstimmung mit | |
dem islamischen Glauben bringen“, hat Chamenei einmal gesagt. | |
Die Journalistin Mahsa Ali Beygi meinte, der Gesetzentwurf bedeute nichts | |
anderes als eine „Verstaatlichung der gesamten Presse“. Es sei lächerlich, | |
wenn in dem Entwurf den Journalisten zum Beispiel das Recht zugestanden | |
werde, elektronische Geräte zu nutzen, es gleichzeitig nicht einmal | |
vorgesehen sei, dass Journalisten einen eigenen Berufsverband gründen | |
dürften, für den sie seit Jahren kämpfen. | |
„Der Entwurf erleichtert dem Staat, sich still und leise in Angelegenheiten | |
des unabhängigen Journalismus einzumischen“, schreibt der Journalist Pejam | |
Mussavi. „Diese Einmischung bedeutet den Tod der freien Presse.“ Und das in | |
einem Land, in dem von freier Presse bislang sowieso nicht die Rede sein | |
kann: Reporter ohne Grenzen führt den Iran auf seiner Rangliste der | |
Pressefreiheit bisher auf Platz 169 von 180. | |
12 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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