# taz.de -- Die Champions League und das Geld: Krankheit des Herzens | |
> Ab 2018 verteilt die Uefa knapp eine Milliarde Euro mehr, hauptsächlich | |
> an Europas Großklubs. Die Premier League kann darüber nur lächeln. | |
Bild: Immer auf der Suche nach neuen Einnahmequellen: ECA-Chef Karl-Heinz Rumme… | |
Es ist knapp 500 Jahre her, da soll der Konquistador Hernán Cortés dem | |
aztekischen Kaiser Montezuma II. offenbart haben, dass die Spanier unter | |
einer Krankheit am Herzen litten. Eine Krankheit, die nur mit Gold kuriert | |
werden könne. Montezuma II. schüttete die Spanier daraufhin mit dem | |
Edelmetall zu, um seine Haut zu retten. | |
Jetzt ist es anscheinend wieder ausgebrochen, dieses tückische cortésische | |
Goldfieber. Die europäischen Fußball-Topklubs, zusammengeschlossen in der | |
European Club Association (ECA), hat es befallen. Und sie meinen die | |
wirksamste Medizin zu kennen: mehr Kohle aus der Uefa Champions League. | |
Und die Uefa? Sie reagiert wie einst Montezuma II. – und gibt und gibt. Mit | |
allen Mitteln will der europäische Fußballverband die großen Klubs unter | |
seinem Dach halten. Denn die drohen mit einer eigenen Veranstaltung, einer | |
europäischen oder gar weltweiten Superliga. | |
Um das zu verhindern, sollen die großen Klubs besänftigt werden. Ab 2018 | |
erhalten die Spitzenligen vier feste Champions-League-Startplätze und die | |
Spitzenklubs – der FC Bayern, Real Madrid, FC Barcelona und so weiter – | |
aufgrund des neu eingeführten Teamkoeffizienten mehr Geld aus dem | |
Uefa-Wettbewerbstopf, der aktuell mit 2,35 Milliarden Euro aus TV- und | |
Werbeeinnahmen gefüllt ist und ab 2018 knapp eine Milliarde mehr beinhalten | |
soll. Dieser Teamkoeffizient soll sicherstellen, dass die Großen groß | |
bleiben. Denn ihre Erfolge aus der Vergangenheit werden finanziell | |
Berücksichtigung finden. Der Kicker hat einmal ausgerechnet, was das ab | |
2018 bedeutet: Für Real Madrids Champions-League-Sieg gäbe es dann mehr als | |
135 Millionen Euro, doppelt so viel wie zuletzt. | |
## Es war unfair, findet Rummenigge | |
Laut Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der gleichzeitig | |
Vorsitzender der ECA ist, liegt der Fall ganz anders: Das alte Modell sei | |
nicht fair gewesen „und wurde von der Uefa jetzt etwas korrigiert“. Was an | |
dem alten Modell laut Rummenigge so unfair war? Dass der Sieger Real Madrid | |
– mit 577 Millionen Euro in der Saison 2014/15 der umsatzstärkste Klub der | |
Welt – weniger Prämien bekommen habe als das im Halbfinale ausgeschiedene | |
Manchester City, ein mit etlichen Millionen aus Abu Dhabi gepamperter Klub. | |
Da hat Rummenigge natürlich recht: Diese Ungerechtigkeit musste endlich | |
behoben werden. Und so nennt er die Reform eine „Evolution zum Wohle des | |
europäischen Fußballs“, denn: „Der Fußball in Europa bleibt vereint.“ … | |
Weltligapläne scheinen vom Tisch. Toll! | |
Dabei lauert die Gefahr längst woanders. Sie liegt viel näher als bei | |
Potentaten in Fernost oder jenseits des Atlantiks. Sie heißt Premier League | |
und wird nur ein paar Stunden von München entfernt ausgetragen. | |
Denn die Milliarden, die die Uefa bald vermutlich ausschütten darf, | |
verdienen die Klubs in England längst. In der Football Money League der | |
Wirtschaftsprüfer von Deloitte rangieren neun englische Klubs unter den | |
umsatzstärksten 20 Vereinen. Und diese Zahlen basieren auf der Saison | |
2014/15 – also noch vor dem lukrativen TV-Vertrag, der der Liga fortan 3,3 | |
Milliarden Euro pro Jahr garantiert. | |
## 520 Millionen Umsatz – ohne Champions League | |
Ein Klub wie Manchester United konnte 2014/15 seinen Umsatz zum Vorjahr gar | |
um eine Million Euro auf 519,5 Millionen steigern – ohne überhaupt an der | |
Champions League beteiligt gewesen zu sein. Und auch bevor der | |
Ausrüstervertrag mit Adidas, der dem Klub über zehn Jahre pro Saison 100 | |
Millionen Euro einbringt, in Kraft trat. Die Premier League entwickelt sich | |
gerade zu einer eigenen Super-Weltliga. Gut möglich, dass sie schon bald | |
die Rolle einnimmt, wie sie aktuell die nordamerikanische NBA im Basketball | |
oder die NHL im Eishockey spielen: Als die eine große Referenzliga, die | |
alle anderen Wettbewerbe in ihrem Sport degradiert. | |
Die Champions League ist eingequetscht zwischen großen Festlandklubs, die | |
ihre Fantasien von einer Weltliga als Druckmittel nutzen, einem Weltverband | |
Fifa, der in die gleiche Richtung denkt, und Inselvereinen, die sich längst | |
emanzipiert haben. | |
Die Uefa-Entscheider hoffen nun in dieser Zwangslage mit Geld die Großklubs | |
sedieren zu können. Sie sollten es besser wissen: Montezuma II. hat die | |
Kooperation mit den Konquistadoren jedenfalls nichts gebracht. Er wurde | |
getötet. Seine Völker wurden von den Spaniern unterjocht. Die Krankheit des | |
Herzens war und ist wohl nicht heilbar – schon gar nicht mit Gold. | |
13 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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Heribert Bruchhagen | |
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