# taz.de -- Manchester-United-Trainer Mourinho: The Tired One | |
> Trotz eines Milliardärs im Rücken kommt Manchester United unter Trainer | |
> José Mourinho kaum hinterher. Der Verein dümpelt im Mittelfeld herum. | |
Bild: José Mourinho während der Pressekonferenz in Istanbul | |
In die Premier League ist Normalität eingekehrt. Leicester City, das vorige | |
Saison sensationell die englische Meisterschaft gewann, hat sich im unteren | |
Tabellendrittel etabliert, während die Vereine mit den Milliardären im | |
Rücken oben stehen – bis auf Manchester United. Die dümpeln im vorderen | |
Mittelfeld herum. Dabei sollte diese Saison alles anders werden. | |
Nachdem man Louis van Gaal wegen Erfolglosigkeit hinausgeworfen hatte, | |
holte man seinen ehemaligen Schüler José Mourinho. Zwar ist der immer noch | |
ein Selbstdarsteller, aber etwas ist anders: Früher hat er die | |
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, um seine Spieler nach einem schlechten | |
Auftritt zu schützen. Heutzutage sucht er die Schuld lauthals bei ihnen. | |
Sein Ausraster vorige Woche nach der Niederlage in der Europa League bei | |
Fenerbahce Istanbul erinnert an seinen langsamen Abgang in Chelsea. Auch | |
dort hatte er seine Spieler öffentlich zusammengestaucht. Das geschah | |
allerdings erst im dritten Jahr seiner Amtszeit, kurz bevor er entlassen | |
wurde. So fragte der Guardian besorgt: „Hat Mourinho bereits das | |
Dritte-Saison-Syndrom bei Manchester United?“ | |
Länger hat er es, Spitzname: The Special One, noch nie bei einem Verein | |
ausgehalten, oder besser: Länger hat es noch nie ein Verein mit ihm | |
ausgehalten – abgesehen von seiner ersten Amtszeit bei Chelsea, wo er erst | |
im vierten Jahr gefeuert wurde. Seine zweite Amtszeit bei Chelsea endete | |
vorigen Dezember, als die Titelverteidigung vergeigt worden war und die | |
Spieler gegen ihn revoltierten. Chelsea stand bei seinem Abgang auf dem 16. | |
Platz. Seit Antonio Conte dort Trainer ist, geht es bergauf. Nach dem 5:0 | |
gegen Everton am Samstag stand Chelsea vorübergehend sogar an der Spitze. | |
Mourinho ist 53, er arbeitet seit 16 Jahren bei Spitzenvereinen. Aber seine | |
Laufbahn, seine Spielphilosophie und seine Besessenheit sind vom FC | |
Barcelona bestimmt. Er war selbst kein guter Fußballer und kickte ein paar | |
Jahre bei mittelmäßigen portugiesischen Vereinen. 1992 begann er als | |
Übersetzer für den Engländer Bobby Robson, der Sporting Lissabon | |
trainierte. Robson nahm ihn mit zu seinen nächsten Stationen beim FC Porto | |
und beim FC Barcelona, wo Robson bald von van Gaal abgelöst wurde. Mourinho | |
aber durfte bleiben. | |
## Der Traumverein wird zum Hassobjekt | |
Später ging er zu Benfica Lissabon und zum FC Porto, sein Ziel war jedoch | |
immer der FC Barcelona. Als der Trainerposten dort 2008 frei wurde, | |
belagerte Mourinho den damaligen Vereinspräsidenten Joan Laporta | |
regelrecht, doch der entschied sich für den unerfahrenen Pep Guardiola, der | |
bis dato lediglich die B-Mannschaft des Vereins trainiert hatte. Fortan | |
bestimmte Mourinhos Hass auf den FC Barcelona und auf Guardiola sein | |
Denken. Setzten Guardiola und Barcelona auf Ballbesitz und Angriffsfußball, | |
so predigte Mourinho das Gegenteil. „Wer den Ball hat, macht eher einen | |
Fehler“, philosophierte Mourinho. „Wer den Ball hergibt, reduziert die | |
Möglichkeit, einen Fehler zu machen.“ | |
Das vertrat er auch beim FC Chelsea in seiner ersten Amtszeit. Die Folge | |
war, dass sein Team zwar wenig Gegentore kassierte, aber selbst auch wenige | |
schoss. Dem Sponsor, Russlands Milliardär Roman Abramowitsch, ging der | |
langweilige Fußball auf die Nerven. Er kaufte deshalb immer mehr Stürmer, | |
um den Fußball attraktiver zu machen, aber Mourinho jammerte, dass er | |
seiner Verteidigung beraubt worden sei. 2007 platzte Abramowitsch der | |
Kragen, er warf Mourinho hinaus. | |
Nach einer Zwischenstation bei Inter Mailand ging Mourinho schließlich zu | |
Real Madrid. Dadurch ergab sich die Gelegenheit, den Barcelona-Komplex | |
abzuarbeiten, doch das ging schief: Madrid fuhr im November 2010 als | |
Tabellenführer nach Barcelona und wurde mit einer 5:0-Packung nach Hause | |
geschickt. Guardiolas Barcelona wurde nicht nur spanischer Meister, sondern | |
gewann auch die Champions League, nachdem man Real im Halbfinale | |
ausgeschaltet hatte. | |
## Direktes Kräftemessen | |
Nun muss sich Mourinho wieder direkt mit Guardiola messen, und das auch | |
noch in derselben Stadt. Bisher steht es unentschieden: In der Liga verlor | |
Manchester United zu Hause 1:2, im Ligapokal besiegte man City 1:0. Aber am | |
Ende wird wohl Guardiola erneut die Oberhand behalten, City steht in der | |
Spitzengruppe, und nach dem 3:1 gegen Barcelona vorige Woche ist sogar der | |
Gewinn der Champions League möglich. | |
Erregte Mourinho früher mit seinen Tiraden gegen Konkurrenten, Spieler, | |
Schiedsrichter und Funktionäre großes Aufsehen, so winken seine Opfer heute | |
nur noch müde ab. Man sollte ihn zwar nicht abschreiben, aber seine Zeit | |
scheint vorbei. | |
6 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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