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# taz.de -- Bundeshaushalt und die Schwarze Null: Der Schäuble-Komplex
> Die Null ist schwarz, aber nichts ist gut: Deutschland braucht ein
> Konjunkturprogramm. Und der Rest von Europa mehr deutsche Schulden.
Bild: Bei der Eurokrise hat Deutschland die besten Karten
Ist doch komisch: Jahrzehntelang sind die deutschen Staatsschulden
gewachsen, aber neuerdings verzeichnet der Bundeshaushalt eine „schwarze
Null“. Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat dieses Phänomen
übrigens nichts zu tun, obwohl viele Deutsche glauben, dass er ein
besonders fähiger Politiker sei.
Schäuble ist keineswegs ein genialer Haushälter, er hat nur das „Programm
N“ umgesetzt: das konsequente Nichtstun. Er sieht zu, wie die Steuern von
allein sprudeln.
Der Steuersegen suggeriert, dass es Deutschland bestens ginge. Wenn Geld in
die Kassen fließt, scheint Reichtum garantiert. Doch tatsächlich gibt es
keinen Grund, sich über den ausgeglichenen Bundeshaushalt zu freuen.
Stattdessen ist die „schwarze Null“ vor allem der Eurokrise zu verdanken.
Ein erster Effekt: Der Eurokurs ist für Deutschland viel zu niedrig. Wäre
die Bundesrepublik auf sich allein gestellt, würde ihre Währung bei 1,60
bis 1,80 Dollar notieren. Stattdessen liegt der Eurokurs derzeit bei 1,12
Dollar, weil fast alle Euroländer in der Krise sind. Also sind die
deutschen Waren auf dem Weltmarkt spottbillig, was die Exporte begünstigt.
Hinzu kommt ein zweiter Mechanismus, der ebenfalls der Eurokrise zu
verdanken ist: Deutschland muss auf seine alten Staatsschulden kaum noch
Zinsen zahlen. Denn die Bundesrepublik ist zu einem „sicheren Hafen“ für
das internationale Kapital geworden. Da fast alle anderen Euroländer
schwächeln, kaufen die Anleger hektisch deutsche Staatsanleihen, um ihr
Vermögen zu sichern. Sogar bei einer zehnjährigen Laufzeit sind die Zinsen
inzwischen negativ.
Übersetzt heißt das: Die Investoren sind bereit, dem deutschen
Finanzminister Geld zu schenken, wenn er denn so gnädig ist, ihr Vermögen
entgegenzunehmen.
## Schäubles Horizont reicht genau bis zur Bundestagswahl
Finanzminister Schäuble ignoriert jedoch hartnäckig, wie sehr er von der
Eurokrise profitiert. Stattdessen präsentiert er eine mittelfristige
Finanzplanung, die die „schwarze Null“ bis ins Jahr 2020 verlängert. Dieser
muntere Optimismus ist verfehlt, denn er unterstellt, dass die Eurokrise
weiterhin so geräuschlos verlaufen wird wie zuletzt: Fast alle
Mitgliedsländer leiden, aber nirgendwo kommt es zum offenen Aufstand.
Es ist jedoch extrem unwahrscheinlich, dass die Krisenländer noch lange
ruhig bleiben, wie gleich zwei Ereignisse in dieser Woche zeigten. Am
Freitag lud der griechische Premier Alexis Tsipras zu einem Sondergipfel
nach Athen, bei dem nur die Südstaaten der Eurozone vertreten waren – also
Griechenland, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Zypern und Malta.
Unter anderem sollte beraten werden, wie man sich aus der „Übermacht
Deutschlands“ befreien könnte.
Am Donnerstag hatte bereits der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB)
getagt. Zwar wurde dabei nichts beschlossen, aber EZB-Chef Mario Draghi
machte hinterher sehr deutlich, dass Deutschland seine Finanzpolitik ändern
muss. Der Ratschlag aus dem Eurotower lautet: Schäuble soll Schulden
machen!
Denn die EZB allein kann die Eurokrise nicht mehr herunterdimmen. Die
Zentralbank flutet die Banken zwar mit Billionen – aber dieses Geld bleibt
bei den Banken hängen und kurbelt nicht die Wirtschaft an, weil in den
Krisenländern fast niemand einen Kredit aufnimmt.
Also fordert Draghi, dass Schäuble ein Konjunkturprogramm auflegt. Bedarf
gäbe es in Deutschland genug, ob es nun die maroden Brücken oder fehlende
Internetverbindungen sind. Indirekt würde auch die Eurozone profitieren,
wenn die Deutschen ihre Ausgaben erhöhten. Denn mehr Wachstum bedeutet mehr
Importe.
Doch Schäuble besteht weiterhin auf seiner „schwarzen Null“. Sie wird zwar
irgendwann in ein tiefrotes Minus kippen, wenn sich die Eurokrise
verschärft. Aber das ist dem Finanzminister egal. Sein Horizont reicht
genau bis zur nächsten Bundestagswahl.
10 Sep 2016
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Das Milliardenloch
Steuern
Wolfgang Schäuble
Schwarze Null
Schwerpunkt Finanzkrise
Bundestag
Schwerpunkt Krise in Griechenland
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