| # taz.de -- Vortrag über eritreische Fluchtgründe: Wege aus dem Folterstaat | |
| > Über die Flucht von Eritreern nach Bremen sprach der Journalist und | |
| > Deutschlehrer Jens M. Lucke im Rahmen der Integrationswoche in der | |
| > Volkshochschule | |
| Bild: Gerettet, aber nicht in Sicherheit: Italiens Marine birgt eritreische Fl�… | |
| Die Wege eritreischer Flüchtlinge nach Deutschland interessieren heute in | |
| der Volkshochschule gerade mal zwölf TeilnehmerInnen, die im Rahmen der | |
| Bremer Integrationswoche zu dem Vortrag des Journalisten Jens M. Lucke | |
| gekommen sind. Dabei müssten wir uns gerade mit den Ursachen dieser | |
| jahrelangen Odysseen des Leids beschäftigen, so der Referent. | |
| Monatlich 5.000 Menschen würden versuchen, systematischen | |
| Menschenrechtsverletzungen und dem lebenslangen Militärdienst in Eritrea zu | |
| entkommen. Mit 14.131 Asylanträgen in Deutschland und 312 aufgenommenen | |
| Flüchtlingen in Bremen seit 2015 sind Eritreer eine der größten Gruppen an | |
| Asylsuchenden. Ihre Anerkennungsquote liegt bei 95,5 Prozent. | |
| Es ist das Desinteresse der deutschen Politik und letztlich auch der | |
| deutschen Bevölkerung, welches Lucke in seinem Vortrag anprangert: „Die | |
| Mitgliedsstaaten der UN unterstützen durch Entwicklungsgelder und | |
| Grenzschutz-Deals den menschenunwürdigen Umgang mit den Schutzlosen.“ | |
| Polizei, Militärs, Entführer und Schleuser erpressten die Flüchtlinge. In | |
| Deutschland würden ihnen durch die eritreische Botschaft eine Zwangssteuer | |
| abverlangt – mit Wissen und Duldung der Bundesregierung. | |
| Der Vortragende berichtet, wie Eritreer aus UNHCR-Flüchtlingscamps in | |
| ägyptische Folterlager verschleppt werden. Dort würden die Familien zur | |
| Zahlung von hohen Lösegeldern aufgefordert, während sie am Telefon die | |
| Folter ihrer Angehörigen anhören müssen. Wer aus den Lagern entkomme, habe | |
| mit Verhaftung zu rechnen und warte monatelang in überfüllten Unterkünften | |
| auf eine der Bootsüberfahrten. Tausende seien dabei 2016 bereits wieder | |
| ertrunken. „Nur etwa zehn Prozent der Eritreer erreichen Europa, wo man | |
| ihnen das Erlebte oft nicht auf den ersten Blick ansieht“, sagt Lucke. | |
| Einer dieser Fälle endete in Bremen: Unter dubiosen, bis heute ungeklärten | |
| Umständen, wurde im Januar 2014 Kahsay Mekonen erhängt an einem Baum im | |
| Bürgerpark gefunden. | |
| Eine Radio-Bremen-Reporterin, zwei niederländische JournalistInnen und | |
| Mekonens Anwältin Leonie Sinoo stellten eine Mordhypothese auf. Diese wird | |
| von Referent Lucke auf Nachfrage skeptisch beurteilt. „Man hat | |
| ausgeschlachtete Leichen in den Foltercamps gefunden, doch der Organhandel | |
| ist nicht systematisch organisiert, Lösegeldforderungen sind für die | |
| Schlepper lukrativer“, sagt er. | |
| Desinteresse der überlasteten Justiz an komplizierten Fällen und die | |
| Sprachbarrieren seien häufig Gründe für mangelhafte Ermittlungen. Oft | |
| würden sich traumatisierte Flüchtlinge aus Zurückhaltung oder mangelndem | |
| Vertrauen niemandem anvertrauen, berichtet Lucke aus eigener Erfahrung als | |
| Leiter von Deutschkursen. Er fordert einen nachsichtigen Umgang mit den | |
| eritreischen Flüchtlingen, den Schutz vor Verfolgung auch in Deutschland | |
| und keine weiteren Flüchtlingsdeals mit afrikanischen Staaten. „Abkommen | |
| mit dem Sudan führen bereits zur Auslieferung von Flüchtlingen direkt an | |
| Eritrea, wo sie das sichere Todesurteil erwartet“. Denn ihre Fahnenflucht | |
| stehe unter Todesstrafe. | |
| 8 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Elisabeth Nöfer | |
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