# taz.de -- Nachruf auf Atomphysiker: Vom Atommanager zum AKW-Kritiker | |
> Einer, der sich vor der Antwort Zeit zum Nachdenken nahm: Der | |
> Atomphysiker Klaus Traube, Vordenker der Energiewende, ist gestorben. | |
Bild: Er war bis zu seinem Tod politisch: beim SPD-Bundesparteitag 1997 | |
„Die Atomkraft ist ökonomisch ein sinnloses Spiel.“ Diese Einschätzung | |
stammt von einem, den die Archive als „Atommanager“ führen: Klaus Traube | |
war in den 60er Jahren für Entwicklung und Bau der ersten bundesdeutschen | |
Siedewasserreaktoren verantwortlich. | |
„Als das scheinbar ein ganz normales Industriegeschäft wurde, verblasste | |
für mich der Reiz“, sagte der Atomphysiker. Anfang der 70er Jahre wurde er | |
so leitender Ingenieur zur Entwicklung des Schnellen Brüters in Kalkar. | |
1972 kam mit dem Club of Rome und den „Grenzen des Wachstums“ die Zäsur im | |
Leben von Klaus Traube. „Der Brüter war das Versprechen, sich vom | |
Ressourcenproblem in der Energiefrage abkoppeln zu können für die nächsten | |
tausend Jahre. Insofern war der Brüter eine Säule des | |
Wachstumsversprechens, an dem ich seit der Botschaft des Club of Rome | |
zweifelte“, erinnerte sich Traube. | |
Zudem hatte er beim Bau des Brüters gemerkt, mit was für einem betriebs- | |
und sicherheitstechnisch anfälligen System er sich befasste. „Wenn man | |
erkennt, dass das, was man tut, falsch ist, muss man es korrigieren.“ Aus | |
dem Atommanager wurde einer der ersten Atomkritiker, Klaus Traube wurde zum | |
Vordenker der Energiewende. Das passte vielen nicht. | |
## Im Visier des Verfassungsschutzes | |
„Lauschangriff auf Bürger T.“, titelte der Spiegel 1977. Das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz hatte Traube 1975 und 1976 illegal abgehört, man | |
verdächtigte ihn der Nähe zur RAF. Die Schlagzeile löste eine Krise in der | |
sozialliberalen Regierung aus, Bundesinnenminister Werner Maihofer (FDP) | |
musste gehen. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos, trotzdem nahm die | |
Siemens-Tochter Interatom 1976 die Kündigung nicht zurück. Traube hat seine | |
Erfahrungen im Buch „Wir Bürger als Sicherheitsrisiko“ festgehalten. | |
Klaus Traube, 1928 als Sohn eines jüdischen Zahnarztes in Hannover geboren, | |
überlebte das KZ-Lager Lenne. Dem Studium des Maschinenbaus und der | |
Romanistik folgte 1959 eine Promotion über Thermodynamik in München. Nach | |
gut 15 Jahren in der Atombranche machte sich Traube als Umweltforscher und | |
Experte alternativer Energien einen Namen. Von 1990 bis 1997 war er | |
Direktor des Instituts für Kommunale Energiewirtschaft und Politik an der | |
Uni Bremen. Zuletzt war er Vizepräsident des Bundesverbandes | |
Kraft-Wärme-Kopplung. | |
In den 80er Jahren wurde Traube zum Protagonist der Antiatombewegung. Als | |
Insider verfügte er fast über ein Informationsmonopol, was die Probleme der | |
Atomkraft anging. „Ich war derjenige, der die Belege für die Kritiker | |
lieferte“, sagte er. Sein 1982 erschienenes Buch „Billiger Atomstrom? Wie | |
die Interessen der Elektrizitätswirtschaft die Energiepolitik bestimmen“ | |
war ein Leitfaden für die Diskussion über die Energiezukunft Deutschlands. | |
## Interdisziplinär aktiv | |
Bis ins hohe Alter mischte sich Klaus Traube ein. Dabei zeichnete ihn aus, | |
dass er sich vor einer Antwort Zeit zum Nachdenken nahm. Interviews über | |
Blockheizkraftwerke oder Wirkungsgrade wurden schnell zu philosophischen | |
Diskursen. „Wir müssen die Zusammenhänge denken“, mahnte Traube. Er | |
befasste sich auch mit Sozialwissenschaft in den 80er Jahren als | |
Honorarprofessor an der Gesamthochschule Kassel. 1984 verfasste er mit dem | |
Politologen Johano Strasser „Die Zukunft des Fortschritts. Der Sozialismus | |
und die Krise des Industrialismus“, 1994 legte er das alternative | |
Verkehrskonzept „Autoverkehr 2000“ vor. | |
Wie jetzt bekannt wurde, ist Klaus Traube am 4. September in Oberursel | |
88-jährig verstorben. Ohne ihn wäre die Energiewende heute nicht da, wo sie | |
ist. | |
9 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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