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# taz.de -- Gericht findet Zeuginnen nicht glaubhaft: Zweifel an Vergewaltigung
> Zwei Flüchtlinge sollen in Norderstedter Schwimmbad zwei Mädchen sexuell
> genötigt oder vergewaltigt haben. Gericht stuft Zeuginnen jetzt als
> unglaubwürdig ein
Bild: Tatort oder nicht? Schwimmbad mit Anti-Belästigungs-Piktogrammen
NORDERSTEDT taz | Die Vorwürfe seien bis nach Kanada gedrungen, sagt eine
Journalistin im Gerichtsgebäude. Als Ende Februar zwei Mädchen im
schleswig-holsteinischen Norderstedt angezeigt hatten, im
Arriba-Erlebnisbad von zwei afghanischen Geflüchteten belästigt und
vergewaltigt worden zu sein, hatten internationale Medien berichtet.
Die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Hamburg und Köln lagen
erst zwei Monate zurück. Noch immer wurde hitzig über die Verteidigung von
Frauenrechten und die Grenze zum Rassismus diskutiert. Der Vorfall in
Norderstedt passte ins Bild. Viele Schwimmbäder stellten Piktogramme mit
Baderegeln auf: „Grabschen verboten“, international verständlich
illustriert.
Am Mittwoch wurden die beiden Afghanen im Amtsgericht in Norderstedt
vernommen. Einer der Angeklagten ist 14 Jahre alt, der andere 34. Es ist
der zweite Verhandlungstermin, und die Geschehnisse erscheinen mittlerweile
in einem anderen Licht.
## Aussagen nicht belastbar
Das Gericht hält die Aussagen beider Mädchen für nicht belastbar. Die
ältere der beiden leidet ihrer Anwältin zufolge unter einer
Borderline-Erkrankung. Dass die Zweifel an ihren Aussagen nicht schon
früher erkannt wurden, kritisieren nun die Anwälte der Angeklagten. Der
34-jährige Beschuldigte saß sechs Monate in Untersuchungshaft.
Das 14-jährige Mädchen, das Opfer der angeblichen Vergewaltigung gewesen
sein soll, ist bereits aus dem Prozess ausgeschieden: Nachdem das Gericht
am vergangenen Montag ihre Aussage als unglaubwürdig eingestuft und
daraufhin den dringenden Tatverdacht aufgehoben hatte, zog sie ihre
Nebenklage zurück. Der 34-Jährige wurde daraufhin aus der U-Haft entlassen.
Der Vorwurf der Vergewaltigung ist seither vom Tisch, nun geht es um
sexuelle Nötigung in einem besonders schweren Fall.
Die 18-Jährige wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Sie
wirft den Angeklagten vor, sie und ihre Freundin beim Rutschen an der Hüfte
geküsst, im Intimbereich angefasst und mit dem Finger penetriert zu haben.
Letzterer Vorwurf gilt juristisch als Vergewaltigung und ist somit nicht
mehr Teil der Anklage.
Die 18-Jährige hat bereits sechs Mal vor Gericht ausgesagt und stets den
Vorwurf der Vergewaltigung erhoben. Es kam dabei nie zu einer Verurteilung.
Im aktuellen Fall maß das Gericht ihrer Aussage keinen Beweiswert zu. Das
heißt, dass die Richterin die Zeugin nicht glaubwürdig fand.
Auch die Bademeisterin des Schwimmbads war als Zeugin geladen. Sie sagte
aus, dass ihr die beiden Mädchen schon den ganzen Tag aufgefallen seien –
sie habe sie beinahe des Bades verwiesen. Ohne erkennbaren Grund hätten die
14- und die 18-Jährige Männer angerempelt und sie absichtlich mit dem
Oberkörper berührt, als die Männer in der Schlange an der Rutsche warteten.
Hinterher hätten sie sich kichernd nach ihnen umgedreht. Eine sei dabei
offensiver und selbstsicherer vorgegangen als die andere – die
Provokationen seien von der Älteren ausgegangen.
Später muss es dann zu der Begegnung zwischen den Mädchen und den beiden
Angeklagten gekommen sein. Die jedoch schildert der Anwalt des 34-Jährigen,
Jacob Schwieger, anders: Sein Mandant habe auf der Rutsche Gefühle für
eines der Mädchen entwickelt, sie von hinten umarmt und versucht, sie an
der Hüfte zu küssen. Er will von ihr abgelassen haben, als sie sich wehrte.
## Heute könnte das Urteil kommen
Ein Security-Mitarbeiter und zwei Bademeisterinnen sagten aus, die beiden
Mädchen hätten geschockt gewirkt, als sie sich an das Personal wandten. Die
Arriba-Mitarbeiterinnen riefen die Security und setzten den 34-jährigen
Mann fest, der sich entschuldigte und keinen Widerstand leistete. Die
Sicherheitsmänner begleiteten sowohl die Mädchen als auch den 34-jährigen
zu den Schränken – dort tauchte der 14-jährige auf und wurde von den
Mädchen als zweiter Täter identifiziert. Am gleichen Tag kamen die
Beschuldigten vor den Haftrichter. Im Fall des Minderjährigen wurde jedoch
von der Untersuchungshaft abgesehen.
Sein Anwalt, Suad Omanovic, spricht trotzdem von einem schweren Fehler des
Gerichts: Schon aus der Akte sei ersichtlich gewesen, dass man es mit
schwierigen Belastungszeuginnen zu tun habe. Das Gericht habe es jedoch
versäumt, ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen.
Beim Verhandlungstermin am heutigen Freitag werden sowohl die Plädoyers als
auch das Urteil erwartet. Omanovic geht davon aus, dass sein Mandant
freigesprochen wird. Anwalt Schwieger erwägt, Haftentschädigung zu fordern.
Sein Mandant ist seit sieben Monaten in Deutschland, sechs davon war er in
U-Haft. „Mein Mandant saß als Kinderschänder. Da geht es einem nicht gut.“
8 Sep 2016
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Vergewaltigung
sexuelle Belästigung
Schwimmbad
Flüchtlinge
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Flucht
Sexismus
Sexismus
sexuelle Belästigung
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