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# taz.de -- Zensierte Brüste in Online-Netzwerken: Toter Fisch statt BH
> Weibliche Brustwarzen auf Instagram sind ein No-Go. Gegen die Prüderie im
> Internet wehren sich Frauen – mit Brüsten und Fischen.
Bild: Vor Fisch tat es Klebeband: „FreeTheNipple“-Aktivistinnen in Los Ange…
„Happy Tuesday!“, steht unter dem Instagram-Foto von Kelly. Ihr
Dienstagsglück legt die junge Frau aus Michigan in die Hände ihrer
Follower. Die sollen nämlich fleißig für ihr Bild voten, 1900 Likes hat es
bereits. Der Angler-Anhänger, der im Foto um den Hals der Gebräunten
baumelt, ist dabei nebensächlich: Das kleine Herz für „Gefällt mir“ wird
für den frisch geangelten Fisch geklickt, den Kelly stolz vor ihre bloßen
Brüste hält.
Nun also tote Fische. Nachdem Umwelt-Organisationen wie „[1][Fishlove“]
Prominente mit Oktopussen, Haien und anderen Meerestieren, darunter Helena
Bonham-Carter mit einem 27kg schweren Thunfisch, ablichteten, um auf die
Überfischung der Ozeane aufmerksam zu machen, ist auch die
Social-Network-Community auf die Wasserbewohner gekommen: Die
[2][Instagram-Seite „Fishbras“] zeigt neben Kelly rund 3000 andere Frauen,
die ihre Angelergebnisse vor die (meist) nackten Brüste halten. Von
äußerster Wichtigkeit ist nur, die Brustwarzen sorgfältig zu verbergen.
Sonst wird das Foto nämlich gar nicht erst veröffentlicht.
Was wie eine Seite für begeisterte Anglerinnen anmutet, wurde vor
anderthalb Jahren zu Promotionszwecken von einem Schiffsanker-Unternehmens
veröffentlicht und entwickelte sich in den letzten Monaten zu einer
erneuten Protestaktion gegen die Prüderie der Sozialen Netzwerke. Seit 2012
gehört der Foto- und Video-Cloud-Dienst Instagram zu Facebook – und seit
langem prangern NutzerInnen [3][die Gemeinschaftsrichtlinien beider
Plattformen in Puncto Nacktheit] an.
Beide verbieten „Fotos, auf denen Brustwarzen von Frauen zu sehen sind.“
Einzige Ausnahmen: Stillende Mütter oder Nippel neben Narben nach einer
Masektomie, also der krankheitsbedingten Entfernung der Brustdrüse.
Männliche Brustwarzen sind dagegen in allen Formen erlaubt.
## Was ist an natürlichen Brüsten beschämend?
Die Zensur dient laut den [4][Instagram-Nutzungsbedingungen] dem Zweck,
sexualisierten Inhalten entgegenzuwirken. Instagram-Mitbegründer Kevin
Systrom möchte sein Netzwerk zu „einem möglichst sicheren Ort für Teenager
und Erwachsene“ machen. Die derzeitige Instagram-App ist für Nutzer ab 12
Jahren freigegeben.
[5][Apple mischt hier mit]: Der Konzern richtet sich mit seinen eigenen
[6][restriktiven Vorgaben] nach dem biederen US-amerikanischen Verständnis
von Freizügigkeit – und das toleriert auch mehr als zehn Jahre nach Janet
Jacksons angeblich unbeabsichtigt freizügigen Auftritt beim
Super-Bowl-Finale in Houston keine „Nipplegates“ („Busenblitzer“). Damit
Instagram im App-Store zugelassen und nicht ab „18 Jahren“ eingestuft wird,
was der Plattform viele Nutzer kosten würde, muss Systrom Apples' Regeln
einhalten.
Gefährdet der Anblick entblößter Brüste denn die Sicherheit der
Instagram-Nutzer? Nein, findet die Bürgerrechtsaktivistin Jillian York von
der Electronic Frontier Foundation. [7][Spiegel Online] gegenüber
kritisierte die 34-jährige Amerikanerin die Verbannung weiblicher
Brustwarzen: „Diese Regel führt nur dazu, dass Frauenkörper weiter
sexualisiert werden, und sie kann Frauen das Gefühl geben, dass irgendwas
an natürlichen Brüsten falsch oder beschämend ist.“
Hinzu kommt, dass Instagram eine absurde Doppelmoral pflegt, wie die
„FreeTheNipple-Kampagne“ anprangert: Künstlerische Aktfotos, wie das
[8][der oberkörperfreien Rihanna auf dem Cover] des französischen
Herren-Magazins Lui, werden umgehend entfernt. Die offensichtlich
[9][vulgären und frauenverachtend inszenierten Fotos] von Multimillionär
und Hugh-Hefner-Simulator Dan Bilzerian bleiben dagegen.
Der kleine, aber feine Unterschied sind für Instagram die schmalen Balken
oder winzigen Sternchen, die Bilzerian auf die Brustwarzen der sich für ihn
räkelnden Damen photoshopt. Die Message: Frauen sind für den Mann
Sexobjekte. Warum die Zensur von Instagram hier ausbleibt, ist
unverständlich.
Dieser Willkür trotzen Kelly und viele andere Frauen also auf fischige Art
und Weise: Sie fotografieren sich Oben-Ohne und nehmen die strikten
Instagram-Richtlinien mit vorgehaltenen „Fisch-Zensurbalken“ auf die
Schippe. Mittlerweile lassen sich aber auch immer mehr männliche
Brustwarzen auf Instagram finden – verdeckt hinter glitschigen Schuppen.
9 Sep 2016
## LINKS
[1] https://fishlove.co.uk/
[2] https://www.instagram.com/fishbras/
[3] https://help.instagram.com/477434105621119/
[4] https://help.instagram.com/478745558852511
[5] http://www.independent.co.uk/life-style/gadgets-and-tech/news/instagram-ceo…
[6] https://developer.apple.com/app-store/review/guidelines/#pornography
[7] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-und-instagram-nacktheit-in-sozi…
[8] http://www.luimagazine.fr/le-magazine/parutions/rihanna-en-une-de-lui/
[9] https://www.instagram.com/p/BBjExe9oDkw/?taken-by=danbilzerian
## AUTOREN
Susanne Kirchner
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