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# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Das Schlafzimmer ist geräumt
> Um für den Notfall vorzubereiten, wie es die Regierung will, sind
> Walrosskäufe statt Hamsterkäufe notwendig. Wir schlafen jetzt alle im
> Kinderzimmer.
Bild: Jetzt müssen alle im Kinderzimmer schlafen: Szene aus dem Film „Deine,…
Achtung, Achtung, aus gegebenem Anlass eine Sonderausgabe der „Nach
Geburt“-Kolumne: Ich rüste mich … falsch, mich gibt es nicht mehr … ich
rüste uns für den Angriffsfall. Erste Order: Wir müssen jetzt alle im
Kinderzimmer schlafen.
Das ist hart. Ich weiß. Vor allem, weil meine Freundin und ich ab sofort
immer um acht ins Bett müssen und nicht mehr lesen oder fernsehen dürfen,
aber was muss, das muss. Und wenn der Russe kommt oder ein Orkan, dann
werden alle froh sein, dass Papa so weitsichtig gehandelt hat.
Ich hab mir nämlich endlich [1][die Broschüre „Ratgeber für Notfallvorsorge
und richtiges Handeln in Notsituationen“] des Bundesamts für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heruntergeladen – schnell,
schnell, so lange das Internet noch funktioniert – und unsere persönliche
Checkliste abgearbeitet. Ist ja gerade wieder aktuell, das Thema. Warum
auch immer. Egal. Ich muss da jetzt ran.
Das Schlafzimmer ist ab sofort permanent abgedunkelt („Sie sollten
Lebensmittel kühl, trocken und dunkel aufbewahren“) und zum Warenlager
umfunktioniert. Tja, jede/r muss Opfer bringen, wenn wir das erreichen
wollen, was das Bundesamt von uns erwartet: „Ihr Ziel muss es sein, 14 Tage
ohne Einkaufen überstehen zu können.“
„Deutschland – ein Team – ein Ziel.“ So stand es schon auf dem Bus der
Nationalmannschaft, der sie während der EM 2008 durch Österreich und die
Schweiz kutschierte. Und was auf Bussen steht, bleibt hängen.
Präzisiert lautet das Ziel für meine Familie: 112 Liter Getränke (bei uns
gibt’s natürlich nur Wasser); 19,6 Kilogramm Getreide, Getreideprodukte,
Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis; 22,4 Kilogramm Gemüse, Hülsenfrüchte
(natürlich alles eingemacht, da musste meine Mama ran); 14,4 Kilogramm
Nüsse, Obst (hauptsächlich diese ekligen Mandarinen aus der Dose,
gezuckert); 2,5 Kilogramm Fette, Öle (da hab ich zum Wohle meiner Tochter
heimlich noch ein Pfund Butter draufgeschlagen); sowie 14,8 Kilogramm
Milch, Milchprodukte und 8,4 Kilogramm Fisch, Fleisch, Eier, bzw.
Volleipulver ([2][das Pulver hab ich mir beim Kopp-Verlag bestellt], die
haben nämlich nicht nur „Bücher, die Ihnen die Augen öffnen“, sondern au…
alles, was man so braucht, wenn dann mal endlich diese verdammte Regierung
in der großen Revolution gestürzt wird).
## Kübelspritze und derbes Schuhwerk
Das steht jetzt alles auf und neben und unter unserem Bett. Dazu rattert
permanent ein Stromgenerator, der ordentlich Benzin verballert, um den
Kühlschrank (Fisch, Fleisch, bisschen Milch, Eiswürfel, gekühlte Beißringe)
zu versorgen. Der schluckt knapp acht Liter pro Tag, also hab ich mal 'nen
Tank mit 112 Litern Sprit in den Kleiderschrank eingebaut. Memo an mich:
Nicht mit dem Trinkwasser verwechseln!
Neben den Lebensmitteln musste ich dem Rat des Bundesamts folgend noch gut
50 Posten abarbeiten. Bei der „Kübelspritze“ musste ich erstmal schauen,
was das überhaupt ist. Bei dem „derben Schuhwerk“ hab ich einfach auf
Buffalo-Plateauschuhe gesetzt. Die werden schon derbe genug sein.
Natürlich mussten alle Familienmitglieder ihre Pässe bei mir abgeben. Die
liegen jetzt unter der Hausapotheke, den Hygieneartikeln, den
Brandschutzartikeln, dem Notgepäck, den Reservebatterien und dem
Kurbelradio in einem feuerfesten Safe.
Verreisen – zumindest ins Ausland – können wir nun natürlich nicht mehr,
aber das können wir uns nach diesen Hamsterkäufen, die eher Walrosskäufe
waren, eh nicht mehr erlauben.
22 Aug 2016
## LINKS
[1] http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Publikationen/Broschuere…
[2] http://www.kopp-verlag.de/MSI-Survivor-Outdoor-Food-Volleipulver-pasteurisi…
## AUTOREN
Jürn Kruse
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